und Sachsen oft meine Noth gehabt. Auch Eingeborene unserer lieben Stadt Weimar haben mir viel zu schaffen gemacht. Bei diesen entstehen die lächerlichsten Mi߬ griffe daraus, daß sie in den hiesigen Schulen nicht angehalten werden, das B. vom P. und das D. vom T. durch eine markirte Aussprache stark zu unterscheiden. Man sollte kaum glauben, daß sie B. P. D. und T. überhaupt für vier verschiedene Buchstaben halten, denn sie sprechen nur immer von einem weichen und einem harten B. und von einem weichen und einem harten D. und scheinen dadurch stillschweigend anzu¬ deuten, daß P. und T. gar nicht existiren. Aus einem solchen Munde klingt denn Pein wie Bein, Paß wie Baß, und Teckel wie Deckel."
Ein hiesiger Schauspieler, versetzte ich, der das T. und D. gleichfalls nicht gehörig unterschied, machte in diesen Tagen einen Fehler ähnlicher Art, der sehr auffallend erschien. Er spielte einen Liebhaber, der sich eine kleine Untreue hatte zu Schulden kommen lassen, worüber ihm das erzürnte junge Frauenzimmer allerlei heftige Vorwürfe macht. Ungeduldig, hatte er zuletzt auszurufen: "o ende!" Er konnte aber das T. vom D. nicht unterscheiden und rief: "o ente!", (O Ente!) welches denn ein allgemeines Lachen erregte.
"Der Fall ist sehr artig, erwiederte Goethe, und verdiente wohl in unsern Theater - Catechismus mit aufgenommen zu werden."
und Sachſen oft meine Noth gehabt. Auch Eingeborene unſerer lieben Stadt Weimar haben mir viel zu ſchaffen gemacht. Bei dieſen entſtehen die lächerlichſten Mi߬ griffe daraus, daß ſie in den hieſigen Schulen nicht angehalten werden, das B. vom P. und das D. vom T. durch eine markirte Ausſprache ſtark zu unterſcheiden. Man ſollte kaum glauben, daß ſie B. P. D. und T. überhaupt für vier verſchiedene Buchſtaben halten, denn ſie ſprechen nur immer von einem weichen und einem harten B. und von einem weichen und einem harten D. und ſcheinen dadurch ſtillſchweigend anzu¬ deuten, daß P. und T. gar nicht exiſtiren. Aus einem ſolchen Munde klingt denn Pein wie Bein, Paß wie Baß, und Teckel wie Deckel.“
Ein hieſiger Schauſpieler, verſetzte ich, der das T. und D. gleichfalls nicht gehörig unterſchied, machte in dieſen Tagen einen Fehler ähnlicher Art, der ſehr auffallend erſchien. Er ſpielte einen Liebhaber, der ſich eine kleine Untreue hatte zu Schulden kommen laſſen, worüber ihm das erzürnte junge Frauenzimmer allerlei heftige Vorwürfe macht. Ungeduldig, hatte er zuletzt auszurufen: „o ende!“ Er konnte aber das T. vom D. nicht unterſcheiden und rief: „o ente!“, (O Ente!) welches denn ein allgemeines Lachen erregte.
„Der Fall iſt ſehr artig, erwiederte Goethe, und verdiente wohl in unſern Theater - Catechismus mit aufgenommen zu werden.“
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und Sachſen oft meine Noth gehabt. Auch Eingeborene
unſerer lieben Stadt Weimar haben mir viel zu ſchaffen
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griffe daraus, daß ſie in den hieſigen Schulen nicht
angehalten werden, das B. vom P. und das D. vom
T. durch eine markirte Ausſprache ſtark zu unterſcheiden.
Man ſollte kaum glauben, daß ſie B. P. D. und T.
überhaupt für vier verſchiedene Buchſtaben halten,
denn ſie ſprechen nur immer von einem weichen und
einem harten B. und von einem weichen und einem
harten D. und ſcheinen dadurch ſtillſchweigend anzu¬
deuten, daß P. und T. gar nicht exiſtiren. Aus einem
ſolchen Munde klingt denn Pein wie Bein, Paß wie
Baß, und Teckel wie Deckel.“
Ein hieſiger Schauſpieler, verſetzte ich, der das
T. und D. gleichfalls nicht gehörig unterſchied, machte
in dieſen Tagen einen Fehler ähnlicher Art, der ſehr
auffallend erſchien. Er ſpielte einen Liebhaber, der
ſich eine kleine Untreue hatte zu Schulden kommen
laſſen, worüber ihm das erzürnte junge Frauenzimmer
allerlei heftige Vorwürfe macht. Ungeduldig, hatte er
zuletzt auszurufen: „o ende!“ Er konnte aber das T.
vom D. nicht unterſcheiden und rief: „o ente!“, (O
Ente!) welches denn ein allgemeines Lachen erregte.
„Der Fall iſt ſehr artig, erwiederte Goethe, und
verdiente wohl in unſern Theater - Catechismus mit
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe03_1848/69>, abgerufen am 23.11.2024.
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