Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848.

Bild:
<< vorherige Seite

Folio geliefert werden, ganz wie sie vor zwei bis drr
Jahrhunderten Mode war, mit plumpen Deckeln und
in starkem Leder. -- Die Aufgabe ist eine Absurdität.
Aber es würde dem armen Handwerker schlecht gehen,
wenn er behaupten wollte, seine Examinatoren wären
dumme Leute."


Abends bei Goethe. Madame Szymanowska, deren
Bekanntschaft er diesen Sommer in Marienbad gemacht,
phantasirte auf dem Flügel. Goethe, im Anhören
verloren, schien mitunter sehr ergriffen und bewegt.


Kleine Abendgesellschaft bei Goethe, der seit längerer
Zeit wieder leidend ist. Seine Füße hatte er in eine
wollene Decke gewickelt, die ihn seit dem Feldzuge in
der Champagne überall hin begleitet. Bei Gelegenheit
dieser Decke erzählte er uns eine Anekdote aus dem
Jahre 1806, wo die Franzosen Jena occupirt hatten
und der Caplan eines französischen Regiments Behänge
zum Schmuck seines Altars requirirte. "Man hatte
ihm ein Stück glänzend carmoisinrothes Zeug geliefert,
sagte Goethe, das ihm aber noch nicht gut genug
war. Er beschwerte sich darüber bei mir. Schicken
Sie mir jenes Zeug, antwortete ich ihm, ich will sehen,
ob ich Ihnen etwas Besseres verschaffen kann. Indessen

Folio geliefert werden, ganz wie ſie vor zwei bis drꝛ
Jahrhunderten Mode war, mit plumpen Deckeln und
in ſtarkem Leder. — Die Aufgabe iſt eine Abſurdität.
Aber es würde dem armen Handwerker ſchlecht gehen,
wenn er behaupten wollte, ſeine Examinatoren wären
dumme Leute.“


Abends bei Goethe. Madame Szymanowska, deren
Bekanntſchaft er dieſen Sommer in Marienbad gemacht,
phantaſirte auf dem Flügel. Goethe, im Anhören
verloren, ſchien mitunter ſehr ergriffen und bewegt.


Kleine Abendgeſellſchaft bei Goethe, der ſeit längerer
Zeit wieder leidend iſt. Seine Füße hatte er in eine
wollene Decke gewickelt, die ihn ſeit dem Feldzuge in
der Champagne überall hin begleitet. Bei Gelegenheit
dieſer Decke erzählte er uns eine Anekdote aus dem
Jahre 1806, wo die Franzoſen Jena occupirt hatten
und der Caplan eines franzöſiſchen Regiments Behänge
zum Schmuck ſeines Altars requirirte. „Man hatte
ihm ein Stück glänzend carmoiſinrothes Zeug geliefert,
ſagte Goethe, das ihm aber noch nicht gut genug
war. Er beſchwerte ſich darüber bei mir. Schicken
Sie mir jenes Zeug, antwortete ich ihm, ich will ſehen,
ob ich Ihnen etwas Beſſeres verſchaffen kann. Indeſſen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="3">
        <div n="4">
          <p><pb facs="#f0043" n="21"/>
Folio geliefert werden, ganz wie &#x017F;ie vor zwei bis dr&#xA75B;<lb/>
Jahrhunderten Mode war, mit plumpen Deckeln und<lb/>
in &#x017F;tarkem Leder. &#x2014; Die Aufgabe i&#x017F;t eine Ab&#x017F;urdität.<lb/>
Aber es würde dem armen Handwerker &#x017F;chlecht gehen,<lb/>
wenn er behaupten wollte, &#x017F;eine Examinatoren wären<lb/>
dumme Leute.&#x201C;</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        </div>
        <div n="4">
          <dateline rendition="#right">Freitag, den 24. October 1823*.<lb/></dateline>
          <p>Abends bei Goethe. Madame Szymanowska, deren<lb/>
Bekannt&#x017F;chaft er die&#x017F;en Sommer in Marienbad gemacht,<lb/>
phanta&#x017F;irte auf dem Flügel. Goethe, im Anhören<lb/>
verloren, &#x017F;chien mitunter &#x017F;ehr ergriffen und bewegt.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        </div>
        <div n="4">
          <dateline rendition="#right">Dien&#x017F;tag, den 11. November 1823*.<lb/></dateline>
          <p>Kleine Abendge&#x017F;ell&#x017F;chaft bei Goethe, der &#x017F;eit längerer<lb/>
Zeit wieder leidend i&#x017F;t. Seine Füße hatte er in eine<lb/>
wollene Decke gewickelt, die ihn &#x017F;eit dem Feldzuge in<lb/>
der Champagne überall hin begleitet. Bei Gelegenheit<lb/>
die&#x017F;er Decke erzählte er uns eine Anekdote aus dem<lb/>
Jahre 1806, wo die Franzo&#x017F;en Jena occupirt hatten<lb/>
und der Caplan eines franzö&#x017F;i&#x017F;chen Regiments Behänge<lb/>
zum Schmuck &#x017F;eines Altars requirirte. &#x201E;Man hatte<lb/>
ihm ein Stück glänzend carmoi&#x017F;inrothes Zeug geliefert,<lb/>
&#x017F;agte Goethe, das ihm aber noch nicht gut genug<lb/>
war. Er be&#x017F;chwerte &#x017F;ich darüber bei mir. Schicken<lb/>
Sie mir jenes Zeug, antwortete ich ihm, ich will &#x017F;ehen,<lb/>
ob ich Ihnen etwas Be&#x017F;&#x017F;eres ver&#x017F;chaffen kann. Inde&#x017F;&#x017F;en<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[21/0043] Folio geliefert werden, ganz wie ſie vor zwei bis drꝛ Jahrhunderten Mode war, mit plumpen Deckeln und in ſtarkem Leder. — Die Aufgabe iſt eine Abſurdität. Aber es würde dem armen Handwerker ſchlecht gehen, wenn er behaupten wollte, ſeine Examinatoren wären dumme Leute.“ Freitag, den 24. October 1823*. Abends bei Goethe. Madame Szymanowska, deren Bekanntſchaft er dieſen Sommer in Marienbad gemacht, phantaſirte auf dem Flügel. Goethe, im Anhören verloren, ſchien mitunter ſehr ergriffen und bewegt. Dienſtag, den 11. November 1823*. Kleine Abendgeſellſchaft bei Goethe, der ſeit längerer Zeit wieder leidend iſt. Seine Füße hatte er in eine wollene Decke gewickelt, die ihn ſeit dem Feldzuge in der Champagne überall hin begleitet. Bei Gelegenheit dieſer Decke erzählte er uns eine Anekdote aus dem Jahre 1806, wo die Franzoſen Jena occupirt hatten und der Caplan eines franzöſiſchen Regiments Behänge zum Schmuck ſeines Altars requirirte. „Man hatte ihm ein Stück glänzend carmoiſinrothes Zeug geliefert, ſagte Goethe, das ihm aber noch nicht gut genug war. Er beſchwerte ſich darüber bei mir. Schicken Sie mir jenes Zeug, antwortete ich ihm, ich will ſehen, ob ich Ihnen etwas Beſſeres verſchaffen kann. Indeſſen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe03_1848
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe03_1848/43
Zitationshilfe: Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe03_1848/43>, abgerufen am 21.11.2024.