auf Gottes Erde zu stehen und uns in unserer gottbe¬ gabten Menschennatur zu fühlen. Mag die geistige Cultur nun immer fortschreiten, mögen die Naturwissen¬ schaften in immer breiterer Ausdehnung und Tiefe wachsen und der menschliche Geist sich erweitern, wie er will, -- über die Hoheit und sittliche Cultur des Chri¬ stenthums, wie es in den Evangelien schimmert und leuchtet, wird er nicht hinauskommen!"
"Je tüchtiger aber wir Protestanten in edler Ent¬ wickelung voranschreiten, desto schneller werden die Ka¬ tholiken folgen. Sobald sie sich von der immer weiter um sich greifenden großen Aufklärung der Zeit ergriffen fühlen, müssen sie nach, sie mögen sich stellen wie sie wollen, und es wird dahin kommen, daß endlich Alles nur Eins ist."
"Auch das leidige protestantische Sektenwesen wird aufhören und mit ihm Haß und feindliches Ansehen zwischen Vater und Sohn, zwischen Bruder und Schwe¬ ster. Denn sobald man die reine Lehre und Liebe Christi, wie sie ist, wird begriffen und in sich eingelebt haben, so wird man sich als Mensch groß und frei füh¬ len und auf ein Bißchen so oder so im äußeren Cultus nicht mehr sonderlichen Werth legen."
"Auch werden wir Alle nach und nach aus einem Christenthum des Wortes und Glaubens immer mehr zu einem Christenthum der Gesinnung und That kommen."
Das Gespräch wendete sich auf große Menschen,
auf Gottes Erde zu ſtehen und uns in unſerer gottbe¬ gabten Menſchennatur zu fühlen. Mag die geiſtige Cultur nun immer fortſchreiten, mögen die Naturwiſſen¬ ſchaften in immer breiterer Ausdehnung und Tiefe wachſen und der menſchliche Geiſt ſich erweitern, wie er will, — über die Hoheit und ſittliche Cultur des Chri¬ ſtenthums, wie es in den Evangelien ſchimmert und leuchtet, wird er nicht hinauskommen!“
„Je tüchtiger aber wir Proteſtanten in edler Ent¬ wickelung voranſchreiten, deſto ſchneller werden die Ka¬ tholiken folgen. Sobald ſie ſich von der immer weiter um ſich greifenden großen Aufklärung der Zeit ergriffen fühlen, müſſen ſie nach, ſie mögen ſich ſtellen wie ſie wollen, und es wird dahin kommen, daß endlich Alles nur Eins iſt.“
„Auch das leidige proteſtantiſche Sektenweſen wird aufhören und mit ihm Haß und feindliches Anſehen zwiſchen Vater und Sohn, zwiſchen Bruder und Schwe¬ ſter. Denn ſobald man die reine Lehre und Liebe Chriſti, wie ſie iſt, wird begriffen und in ſich eingelebt haben, ſo wird man ſich als Menſch groß und frei füh¬ len und auf ein Bißchen ſo oder ſo im äußeren Cultus nicht mehr ſonderlichen Werth legen.“
„Auch werden wir Alle nach und nach aus einem Chriſtenthum des Wortes und Glaubens immer mehr zu einem Chriſtenthum der Geſinnung und That kommen.“
Das Geſpräch wendete ſich auf große Menſchen,
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auf Gottes Erde zu ſtehen und uns in unſerer gottbe¬
gabten Menſchennatur zu fühlen. Mag die geiſtige
Cultur nun immer fortſchreiten, mögen die Naturwiſſen¬
ſchaften in immer breiterer Ausdehnung und Tiefe
wachſen und der menſchliche Geiſt ſich erweitern, wie
er will, — über die Hoheit und ſittliche Cultur des Chri¬
ſtenthums, wie es in den Evangelien ſchimmert und
leuchtet, wird er nicht hinauskommen!“
„Je tüchtiger aber wir Proteſtanten in edler Ent¬
wickelung voranſchreiten, deſto ſchneller werden die Ka¬
tholiken folgen. Sobald ſie ſich von der immer weiter
um ſich greifenden großen Aufklärung der Zeit ergriffen
fühlen, müſſen ſie nach, ſie mögen ſich ſtellen wie ſie
wollen, und es wird dahin kommen, daß endlich Alles
nur Eins iſt.“
„Auch das leidige proteſtantiſche Sektenweſen wird
aufhören und mit ihm Haß und feindliches Anſehen
zwiſchen Vater und Sohn, zwiſchen Bruder und Schwe¬
ſter. Denn ſobald man die reine Lehre und Liebe
Chriſti, wie ſie iſt, wird begriffen und in ſich eingelebt
haben, ſo wird man ſich als Menſch groß und frei füh¬
len und auf ein Bißchen ſo oder ſo im äußeren Cultus
nicht mehr ſonderlichen Werth legen.“
„Auch werden wir Alle nach und nach aus einem
Chriſtenthum des Wortes und Glaubens immer mehr zu
einem Chriſtenthum der Geſinnung und That kommen.“
Das Geſpräch wendete ſich auf große Menſchen,
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848, S. 373. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe03_1848/395>, abgerufen am 23.11.2024.
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