Morgen auf der Promenade am Sprudel, machten sie mir im Vorübergehen wiederholt die graziösesten, lieb¬ lichsten Verbeugungen, worauf ich denn nicht unter¬ lassen konnte, mich gelegentlich ihnen zu nähern und sie anzureden. Sie waren scharmant! ich sprach sie wieder und wieder, sie führten mich zu ihrer Mutter, und so war ich denn gefangen. Von nun an sahen wir uns täglich, ja wir verlebten ganze Tage mitein¬ ander. Um unser Verhältniß noch inniger zu machen, ereignete es sich, daß der Verlobte der Einen ankam, worauf ich mich denn um so ungetheilter an die An¬ dere schloß. Auch gegen die Mutter war ich, wie man sich denken kann, sehr liebenswürdig. Genug, wir waren alle miteinander überaus zufrieden, und ich ver¬ lebte mit dieser Familie so glückliche Tage, daß sie mir noch jetzt eine höchst angenehme Erinnerung sind. Die beiden Mädchen erzählten mir sehr bald die Unterre¬ dung zwischen ihrer Mutter und Frau v. Reck, und welche Verschwörung sie zu meiner Eroberung ange¬ zettelt und zu glücklicher Ausführung gebracht." --
Hiebei fällt mir eine Anekdote anderer Art ein, die Goethe mir früher erzählte und die hier einen Platz finden mag.
"Ich ging, sagte er mir, mit einem guten Bekann¬ ten einst in einem Schloßgarten gegen Abend spazieren, als wir unerwartet am Ende der Allee zwei andere Personen unseres Kreises bemerkten, die in ruhigen Ge¬
Morgen auf der Promenade am Sprudel, machten ſie mir im Vorübergehen wiederholt die graziöſeſten, lieb¬ lichſten Verbeugungen, worauf ich denn nicht unter¬ laſſen konnte, mich gelegentlich ihnen zu nähern und ſie anzureden. Sie waren ſcharmant! ich ſprach ſie wieder und wieder, ſie führten mich zu ihrer Mutter, und ſo war ich denn gefangen. Von nun an ſahen wir uns täglich, ja wir verlebten ganze Tage mitein¬ ander. Um unſer Verhältniß noch inniger zu machen, ereignete es ſich, daß der Verlobte der Einen ankam, worauf ich mich denn um ſo ungetheilter an die An¬ dere ſchloß. Auch gegen die Mutter war ich, wie man ſich denken kann, ſehr liebenswürdig. Genug, wir waren alle miteinander überaus zufrieden, und ich ver¬ lebte mit dieſer Familie ſo glückliche Tage, daß ſie mir noch jetzt eine höchſt angenehme Erinnerung ſind. Die beiden Mädchen erzählten mir ſehr bald die Unterre¬ dung zwiſchen ihrer Mutter und Frau v. Reck, und welche Verſchwörung ſie zu meiner Eroberung ange¬ zettelt und zu glücklicher Ausführung gebracht.“ —
Hiebei fällt mir eine Anekdote anderer Art ein, die Goethe mir früher erzählte und die hier einen Platz finden mag.
„Ich ging, ſagte er mir, mit einem guten Bekann¬ ten einſt in einem Schloßgarten gegen Abend ſpazieren, als wir unerwartet am Ende der Allee zwei andere Perſonen unſeres Kreiſes bemerkten, die in ruhigen Ge¬
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Morgen auf der Promenade am Sprudel, machten ſie
mir im Vorübergehen wiederholt die graziöſeſten, lieb¬
lichſten Verbeugungen, worauf ich denn nicht unter¬
laſſen konnte, mich gelegentlich ihnen zu nähern und
ſie anzureden. Sie waren ſcharmant! ich ſprach ſie
wieder und wieder, ſie führten mich zu ihrer Mutter,
und ſo war ich denn gefangen. Von nun an ſahen
wir uns täglich, ja wir verlebten ganze Tage mitein¬
ander. Um unſer Verhältniß noch inniger zu machen,
ereignete es ſich, daß der Verlobte der Einen ankam,
worauf ich mich denn um ſo ungetheilter an die An¬
dere ſchloß. Auch gegen die Mutter war ich, wie man
ſich denken kann, ſehr liebenswürdig. Genug, wir
waren alle miteinander überaus zufrieden, und ich ver¬
lebte mit dieſer Familie ſo glückliche Tage, daß ſie mir
noch jetzt eine höchſt angenehme Erinnerung ſind. Die
beiden Mädchen erzählten mir ſehr bald die Unterre¬
dung zwiſchen ihrer Mutter und Frau v. Reck, und
welche Verſchwörung ſie zu meiner Eroberung ange¬
zettelt und zu glücklicher Ausführung gebracht.“ —
Hiebei fällt mir eine Anekdote anderer Art ein, die
Goethe mir früher erzählte und die hier einen Platz
finden mag.
„Ich ging, ſagte er mir, mit einem guten Bekann¬
ten einſt in einem Schloßgarten gegen Abend ſpazieren,
als wir unerwartet am Ende der Allee zwei andere
Perſonen unſeres Kreiſes bemerkten, die in ruhigen Ge¬
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848, S. 358. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe03_1848/380>, abgerufen am 30.11.2024.
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