König von Würtemberg zu Goethe. Der König schien bei unserer Zurückkunft sehr befriedigt und trug mir auf, Goethen für das Vergnügen zu danken, das dieser Besuch ihm gemacht habe.
Donnerstag, den 15. Juli 1831*.
Einen Augenblick bei Goethe, dem ich meine gestrige Commission des Königs ausrichtete. Ich fand ihn be¬ schäftigt in Studien in Bezug auf die Spiral-Tendenz der Pflanze, von welcher neuen Entdeckung er der Mei¬ nung ist, daß sie sehr weit führen und auf die Wissen¬ schaft großen Einfluß ausüben werde. "Es geht doch nichts über die Freude, fügte er hinzu, die uns das Studium der Natur gewährt. Ihre Geheimnisse sind von einer unergründlichen Tiefe; aber es ist uns Men¬ schen erlaubt und gegeben, immer weitere Blicke hinein¬ zuthun. Und gerade, daß sie am Ende doch unergründ¬ lich bleibt, hat für uns einen ewigen Reiz, immer wie¬ der zu ihr heranzugehen und immer wieder neue Ein¬ blicke und neue Entdeckungen zu versuchen."
Dienstag, den 20. Juli 1831*.
Nach Tisch ein halbes Stündchen bei Goethe, den ich sehr heiterer, milder Stimmung fand. Wir sprachen über allerlei Dinge, zuletzt auch über Carlsbad, und er scherzte über die mancherlei Herzensabenteuer, die er daselbst erlebt. "Eine kleine Liebschaft, sagte er, ist das
König von Würtemberg zu Goethe. Der König ſchien bei unſerer Zurückkunft ſehr befriedigt und trug mir auf, Goethen für das Vergnügen zu danken, das dieſer Beſuch ihm gemacht habe.
Donnerstag, den 15. Juli 1831*.
Einen Augenblick bei Goethe, dem ich meine geſtrige Commiſſion des Königs ausrichtete. Ich fand ihn be¬ ſchäftigt in Studien in Bezug auf die Spiral-Tendenz der Pflanze, von welcher neuen Entdeckung er der Mei¬ nung iſt, daß ſie ſehr weit führen und auf die Wiſſen¬ ſchaft großen Einfluß ausüben werde. „Es geht doch nichts über die Freude, fügte er hinzu, die uns das Studium der Natur gewährt. Ihre Geheimniſſe ſind von einer unergründlichen Tiefe; aber es iſt uns Men¬ ſchen erlaubt und gegeben, immer weitere Blicke hinein¬ zuthun. Und gerade, daß ſie am Ende doch unergründ¬ lich bleibt, hat für uns einen ewigen Reiz, immer wie¬ der zu ihr heranzugehen und immer wieder neue Ein¬ blicke und neue Entdeckungen zu verſuchen.“
Dienstag, den 20. Juli 1831*.
Nach Tiſch ein halbes Stündchen bei Goethe, den ich ſehr heiterer, milder Stimmung fand. Wir ſprachen über allerlei Dinge, zuletzt auch über Carlsbad, und er ſcherzte über die mancherlei Herzensabenteuer, die er daſelbſt erlebt. „Eine kleine Liebſchaft, ſagte er, iſt das
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König von Würtemberg zu Goethe. Der König ſchien
bei unſerer Zurückkunft ſehr befriedigt und trug mir
auf, Goethen für das Vergnügen zu danken, das dieſer
Beſuch ihm gemacht habe.
Donnerstag, den 15. Juli 1831*.
Einen Augenblick bei Goethe, dem ich meine geſtrige
Commiſſion des Königs ausrichtete. Ich fand ihn be¬
ſchäftigt in Studien in Bezug auf die Spiral-Tendenz
der Pflanze, von welcher neuen Entdeckung er der Mei¬
nung iſt, daß ſie ſehr weit führen und auf die Wiſſen¬
ſchaft großen Einfluß ausüben werde. „Es geht doch
nichts über die Freude, fügte er hinzu, die uns das
Studium der Natur gewährt. Ihre Geheimniſſe ſind
von einer unergründlichen Tiefe; aber es iſt uns Men¬
ſchen erlaubt und gegeben, immer weitere Blicke hinein¬
zuthun. Und gerade, daß ſie am Ende doch unergründ¬
lich bleibt, hat für uns einen ewigen Reiz, immer wie¬
der zu ihr heranzugehen und immer wieder neue Ein¬
blicke und neue Entdeckungen zu verſuchen.“
Dienstag, den 20. Juli 1831*.
Nach Tiſch ein halbes Stündchen bei Goethe, den
ich ſehr heiterer, milder Stimmung fand. Wir ſprachen
über allerlei Dinge, zuletzt auch über Carlsbad, und
er ſcherzte über die mancherlei Herzensabenteuer, die er
daſelbſt erlebt. „Eine kleine Liebſchaft, ſagte er, iſt das
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848, S. 356. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe03_1848/378>, abgerufen am 30.11.2024.
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