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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848.

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sind. Indessen zeugen sie alle von großer Beobachtung
und psychologischem Tiefblick, so daß man denn dem
Autor einige Unwahrscheinlichkeiten des Details gerne
verzeihen mag."


Mit dem Prinzen bei Goethe. Seine Enkel amü¬
sirten sich mit Taschenspieler-Kunststückchen, worin be¬
sonders Walther geübt ist. "Ich habe nichts dawider,
sagte Goethe, daß die Knaben ihre müßigen Stunden
mit solchen Thorheiten ausfüllen. Es ist, besonders in
Gegenwart eines kleinen Publicums, ein herrliches Mit¬
tel zur Uebung in freier Rede und Erlangung einiger
körperlichen und geistigen Gewandtheit, woran wir
Deutschen ohnehin keinen Ueberfluß haben. Der Nach¬
theil allenfalls entstehender kleiner Eitelkeit wird durch
solchen Gewinn vollkommen aufgewogen."

Auch sorgen schon die Zuschauer für die Dämpfung
solcher Regungen, bemerkte ich, indem sie dem kleinen
Künstler gewöhnlich sehr scharf auf die Finger sehen
und schadenfroh genug sind, seine Fehlgriffe zu ver¬
höhnen, und seine kleinen Geheimnisse zu seinem Ver¬
druß öffentlich aufzudecken.

"Es geht Ihnen wie den Schauspielern, versetzte
Goethe, die heute gerufen und morgen gepfiffen wer¬
den, wodurch denn Alles im schönsten Gleise bleibt."


ſind. Indeſſen zeugen ſie alle von großer Beobachtung
und pſychologiſchem Tiefblick, ſo daß man denn dem
Autor einige Unwahrſcheinlichkeiten des Details gerne
verzeihen mag.“


Mit dem Prinzen bei Goethe. Seine Enkel amü¬
ſirten ſich mit Taſchenſpieler-Kunſtſtückchen, worin be¬
ſonders Walther geübt iſt. „Ich habe nichts dawider,
ſagte Goethe, daß die Knaben ihre müßigen Stunden
mit ſolchen Thorheiten ausfüllen. Es iſt, beſonders in
Gegenwart eines kleinen Publicums, ein herrliches Mit¬
tel zur Uebung in freier Rede und Erlangung einiger
körperlichen und geiſtigen Gewandtheit, woran wir
Deutſchen ohnehin keinen Ueberfluß haben. Der Nach¬
theil allenfalls entſtehender kleiner Eitelkeit wird durch
ſolchen Gewinn vollkommen aufgewogen.“

Auch ſorgen ſchon die Zuſchauer für die Dämpfung
ſolcher Regungen, bemerkte ich, indem ſie dem kleinen
Künſtler gewöhnlich ſehr ſcharf auf die Finger ſehen
und ſchadenfroh genug ſind, ſeine Fehlgriffe zu ver¬
höhnen, und ſeine kleinen Geheimniſſe zu ſeinem Ver¬
druß öffentlich aufzudecken.

„Es geht Ihnen wie den Schauſpielern, verſetzte
Goethe, die heute gerufen und morgen gepfiffen wer¬
den, wodurch denn Alles im ſchönſten Gleiſe bleibt.“


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[348/0370] ſind. Indeſſen zeugen ſie alle von großer Beobachtung und pſychologiſchem Tiefblick, ſo daß man denn dem Autor einige Unwahrſcheinlichkeiten des Details gerne verzeihen mag.“ Dienſtag, den 23. Januar 1831*. Mit dem Prinzen bei Goethe. Seine Enkel amü¬ ſirten ſich mit Taſchenſpieler-Kunſtſtückchen, worin be¬ ſonders Walther geübt iſt. „Ich habe nichts dawider, ſagte Goethe, daß die Knaben ihre müßigen Stunden mit ſolchen Thorheiten ausfüllen. Es iſt, beſonders in Gegenwart eines kleinen Publicums, ein herrliches Mit¬ tel zur Uebung in freier Rede und Erlangung einiger körperlichen und geiſtigen Gewandtheit, woran wir Deutſchen ohnehin keinen Ueberfluß haben. Der Nach¬ theil allenfalls entſtehender kleiner Eitelkeit wird durch ſolchen Gewinn vollkommen aufgewogen.“ Auch ſorgen ſchon die Zuſchauer für die Dämpfung ſolcher Regungen, bemerkte ich, indem ſie dem kleinen Künſtler gewöhnlich ſehr ſcharf auf die Finger ſehen und ſchadenfroh genug ſind, ſeine Fehlgriffe zu ver¬ höhnen, und ſeine kleinen Geheimniſſe zu ſeinem Ver¬ druß öffentlich aufzudecken. „Es geht Ihnen wie den Schauſpielern, verſetzte Goethe, die heute gerufen und morgen gepfiffen wer¬ den, wodurch denn Alles im ſchönſten Gleiſe bleibt.“

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Zitationshilfe: Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848, S. 348. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe03_1848/370>, abgerufen am 29.11.2024.