nichts unterlassen haben, mich oben zu erhalten. Be¬ sonders würde ich Alles gethan haben, die Nacht der Unwissenheit wo möglich noch finsterer zu machen. O wie hätte ich die gute einfältige Masse cajoliren wollen, und wie hätte ich die liebe Schuljugend wollen zurichten lassen, damit ja Niemand hätte wahrnehmen, ja nicht einmal den Muth hätte haben sollen, zu be¬ merken, daß mein glänzender Zustand auf der Basis der schändlichsten Mißbräuche fundirt sey."
Bei Ihnen, versetzte ich, hätte man doch wenigstens den Trost gehabt, zu denken, daß Sie durch ein vor¬ zügliches Talent zu solcher Höhe gelangt. In England aber sind oft gerade die Dummsten und Unfähigsten im Genuß der höchsten irdischen Güter, die sie keines¬ wegs dem eigenen Verdienst, sondern der Protection, dem Zufall und vor Allem der Geburt zu verdanken haben.
"Im Grunde, erwiederte Goethe, ist es gleichviel, ob Einem die glänzenden Güter der Erde durch eigene Eroberung, oder durch Erbschaft zugefallen. Die ersten Besitzergreifer waren doch auf jeden Fall Leute von Genie, welche die Unwissenheit und Schwäche der An¬ deren sich zu Nutze machten. -- Die Welt ist so voller Schwachköpfe und Narren, daß man nicht nöthig hat sie im Tollhause zu suchen. Hierbei fällt mir ein, daß der verstorbene Großherzog, der meinen Wider¬ willen gegen Tollhäuser kannte, mich durch List und
nichts unterlaſſen haben, mich oben zu erhalten. Be¬ ſonders würde ich Alles gethan haben, die Nacht der Unwiſſenheit wo möglich noch finſterer zu machen. O wie hätte ich die gute einfältige Maſſe cajoliren wollen, und wie hätte ich die liebe Schuljugend wollen zurichten laſſen, damit ja Niemand hätte wahrnehmen, ja nicht einmal den Muth hätte haben ſollen, zu be¬ merken, daß mein glänzender Zuſtand auf der Baſis der ſchändlichſten Mißbräuche fundirt ſey.“
Bei Ihnen, verſetzte ich, hätte man doch wenigſtens den Troſt gehabt, zu denken, daß Sie durch ein vor¬ zügliches Talent zu ſolcher Höhe gelangt. In England aber ſind oft gerade die Dummſten und Unfähigſten im Genuß der höchſten irdiſchen Güter, die ſie keines¬ wegs dem eigenen Verdienſt, ſondern der Protection, dem Zufall und vor Allem der Geburt zu verdanken haben.
„Im Grunde, erwiederte Goethe, iſt es gleichviel, ob Einem die glänzenden Güter der Erde durch eigene Eroberung, oder durch Erbſchaft zugefallen. Die erſten Beſitzergreifer waren doch auf jeden Fall Leute von Genie, welche die Unwiſſenheit und Schwäche der An¬ deren ſich zu Nutze machten. — Die Welt iſt ſo voller Schwachköpfe und Narren, daß man nicht nöthig hat ſie im Tollhauſe zu ſuchen. Hierbei fällt mir ein, daß der verſtorbene Großherzog, der meinen Wider¬ willen gegen Tollhäuſer kannte, mich durch Liſt und
<TEI><text><body><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0346"n="324"/>
nichts unterlaſſen haben, mich oben zu erhalten. Be¬<lb/>ſonders würde ich Alles gethan haben, die Nacht der<lb/>
Unwiſſenheit wo möglich noch finſterer zu machen.<lb/>
O wie hätte ich die gute einfältige Maſſe cajoliren<lb/>
wollen, und wie hätte ich die liebe Schuljugend wollen<lb/>
zurichten laſſen, damit ja Niemand hätte wahrnehmen,<lb/>
ja nicht einmal den Muth hätte haben ſollen, zu be¬<lb/>
merken, daß mein glänzender Zuſtand auf der Baſis<lb/>
der ſchändlichſten Mißbräuche fundirt ſey.“</p><lb/><p>Bei Ihnen, verſetzte ich, hätte man doch wenigſtens<lb/>
den Troſt gehabt, zu denken, daß Sie durch ein vor¬<lb/>
zügliches Talent zu ſolcher Höhe gelangt. In England<lb/>
aber ſind oft gerade die Dummſten und Unfähigſten<lb/>
im Genuß der höchſten irdiſchen Güter, die ſie keines¬<lb/>
wegs dem eigenen Verdienſt, ſondern der Protection,<lb/>
dem Zufall und vor Allem der Geburt zu verdanken<lb/>
haben.</p><lb/><p>„Im Grunde, erwiederte Goethe, iſt es gleichviel,<lb/>
ob Einem die glänzenden Güter der Erde durch eigene<lb/>
Eroberung, oder durch Erbſchaft zugefallen. Die erſten<lb/>
Beſitzergreifer waren doch auf jeden Fall Leute von<lb/>
Genie, welche die Unwiſſenheit und Schwäche der An¬<lb/>
deren ſich zu Nutze machten. — Die Welt iſt ſo voller<lb/>
Schwachköpfe und Narren, daß man nicht nöthig hat<lb/>ſie im Tollhauſe zu ſuchen. Hierbei fällt mir ein,<lb/>
daß der verſtorbene Großherzog, der meinen Wider¬<lb/>
willen gegen Tollhäuſer kannte, mich durch Liſt und<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[324/0346]
nichts unterlaſſen haben, mich oben zu erhalten. Be¬
ſonders würde ich Alles gethan haben, die Nacht der
Unwiſſenheit wo möglich noch finſterer zu machen.
O wie hätte ich die gute einfältige Maſſe cajoliren
wollen, und wie hätte ich die liebe Schuljugend wollen
zurichten laſſen, damit ja Niemand hätte wahrnehmen,
ja nicht einmal den Muth hätte haben ſollen, zu be¬
merken, daß mein glänzender Zuſtand auf der Baſis
der ſchändlichſten Mißbräuche fundirt ſey.“
Bei Ihnen, verſetzte ich, hätte man doch wenigſtens
den Troſt gehabt, zu denken, daß Sie durch ein vor¬
zügliches Talent zu ſolcher Höhe gelangt. In England
aber ſind oft gerade die Dummſten und Unfähigſten
im Genuß der höchſten irdiſchen Güter, die ſie keines¬
wegs dem eigenen Verdienſt, ſondern der Protection,
dem Zufall und vor Allem der Geburt zu verdanken
haben.
„Im Grunde, erwiederte Goethe, iſt es gleichviel,
ob Einem die glänzenden Güter der Erde durch eigene
Eroberung, oder durch Erbſchaft zugefallen. Die erſten
Beſitzergreifer waren doch auf jeden Fall Leute von
Genie, welche die Unwiſſenheit und Schwäche der An¬
deren ſich zu Nutze machten. — Die Welt iſt ſo voller
Schwachköpfe und Narren, daß man nicht nöthig hat
ſie im Tollhauſe zu ſuchen. Hierbei fällt mir ein,
daß der verſtorbene Großherzog, der meinen Wider¬
willen gegen Tollhäuſer kannte, mich durch Liſt und
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848, S. 324. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe03_1848/346>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.