ihrer Conferenzen einen neuen Saal wolle bauen lassen, und zwar sogleich. Ich erwiederte ihnen, daß ich sehr bereit sey, ein anderes Local für sie herrichten zu lassen, daß ich aber einen sofortigen Neubau nicht versprechen könne. Diese meine Antwort schien aber den Herren nicht genügt zu haben. Denn als ich am andern Mor¬ gen hinschickte, um mir den Schlüssel ausbitten zu lassen, hieß es: er sey nicht zu finden!"
"Da blieb nun weiter nichts zu thun, als erobe¬ rungsweise einzuschreiten. Ich ließ also einen Maurer kommen und führte ihn in die Bibliothek vor die Wand des angrenzenden gedachten Saales. "Diese Mauer, mein Freund, sagte ich, muß sehr dick seyn, denn sie trennt zwei verschiedene Wohnungspartieen. Versuchet doch einmal und prüfet, wie stark sie ist." Der Mau¬ rer schritt zu Werke, und kaum hatte er fünf bis sechs herzhafte Schläge gethan, als Kalk und Backsteine fie¬ len und man durch die entstandene Oeffnung schon einige ehrwürdige Perrücken herdurchschimmern sah, wo¬ mit man den Saal decorirt hatte. "Fahret nur fort, mein Freund, sagte ich, ich sehe noch nicht hell genug. Genirt Euch nicht und thut ganz, als ob Ihr zu Hause wäret." Diese freundliche Ermunterung wirkte auf den Maurer so belebend, daß die Oeffnung bald groß ge¬ nug ward, um vollkommen als Thür zu gelten, worauf denn meine Bibliotheksleute in den Saal drangen, Jeder mit einem Arm voll Bücher, die sie als Zeichen der
ihrer Conferenzen einen neuen Saal wolle bauen laſſen, und zwar ſogleich. Ich erwiederte ihnen, daß ich ſehr bereit ſey, ein anderes Local für ſie herrichten zu laſſen, daß ich aber einen ſofortigen Neubau nicht verſprechen könne. Dieſe meine Antwort ſchien aber den Herren nicht genügt zu haben. Denn als ich am andern Mor¬ gen hinſchickte, um mir den Schlüſſel ausbitten zu laſſen, hieß es: er ſey nicht zu finden!“
„Da blieb nun weiter nichts zu thun, als erobe¬ rungsweiſe einzuſchreiten. Ich ließ alſo einen Maurer kommen und führte ihn in die Bibliothek vor die Wand des angrenzenden gedachten Saales. „Dieſe Mauer, mein Freund, ſagte ich, muß ſehr dick ſeyn, denn ſie trennt zwei verſchiedene Wohnungspartieen. Verſuchet doch einmal und prüfet, wie ſtark ſie iſt.“ Der Mau¬ rer ſchritt zu Werke, und kaum hatte er fünf bis ſechs herzhafte Schläge gethan, als Kalk und Backſteine fie¬ len und man durch die entſtandene Oeffnung ſchon einige ehrwürdige Perrücken herdurchſchimmern ſah, wo¬ mit man den Saal decorirt hatte. „Fahret nur fort, mein Freund, ſagte ich, ich ſehe noch nicht hell genug. Genirt Euch nicht und thut ganz, als ob Ihr zu Hauſe wäret.“ Dieſe freundliche Ermunterung wirkte auf den Maurer ſo belebend, daß die Oeffnung bald groß ge¬ nug ward, um vollkommen als Thür zu gelten, worauf denn meine Bibliotheksleute in den Saal drangen, Jeder mit einem Arm voll Bücher, die ſie als Zeichen der
<TEI><text><body><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0340"n="318"/>
ihrer Conferenzen einen neuen Saal wolle bauen laſſen,<lb/>
und zwar ſogleich. Ich erwiederte ihnen, daß ich ſehr<lb/>
bereit ſey, ein anderes Local für ſie herrichten zu laſſen,<lb/>
daß ich aber einen ſofortigen Neubau nicht verſprechen<lb/>
könne. Dieſe meine Antwort ſchien aber den Herren<lb/>
nicht genügt zu haben. Denn als ich am andern Mor¬<lb/>
gen hinſchickte, um mir den Schlüſſel ausbitten zu<lb/>
laſſen, hieß es: er ſey nicht zu finden!“</p><lb/><p>„Da blieb nun weiter nichts zu thun, als erobe¬<lb/>
rungsweiſe einzuſchreiten. Ich ließ alſo einen Maurer<lb/>
kommen und führte ihn in die Bibliothek vor die Wand<lb/>
des angrenzenden gedachten Saales. „Dieſe Mauer,<lb/>
mein Freund, ſagte ich, muß ſehr dick ſeyn, denn ſie<lb/>
trennt zwei verſchiedene Wohnungspartieen. Verſuchet<lb/>
doch einmal und prüfet, wie ſtark ſie iſt.“ Der Mau¬<lb/>
rer ſchritt zu Werke, und kaum hatte er fünf bis ſechs<lb/>
herzhafte Schläge gethan, als Kalk und Backſteine fie¬<lb/>
len und man durch die entſtandene Oeffnung ſchon<lb/>
einige ehrwürdige Perrücken herdurchſchimmern ſah, wo¬<lb/>
mit man den Saal decorirt hatte. „Fahret nur fort,<lb/>
mein Freund, ſagte ich, ich ſehe noch nicht hell genug.<lb/>
Genirt Euch nicht und thut ganz, als ob Ihr zu Hauſe<lb/>
wäret.“ Dieſe freundliche Ermunterung wirkte auf den<lb/>
Maurer ſo belebend, daß die Oeffnung bald groß ge¬<lb/>
nug ward, um vollkommen als Thür zu gelten, worauf<lb/>
denn meine Bibliotheksleute in den Saal drangen, Jeder<lb/>
mit einem Arm voll Bücher, die ſie als Zeichen der<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[318/0340]
ihrer Conferenzen einen neuen Saal wolle bauen laſſen,
und zwar ſogleich. Ich erwiederte ihnen, daß ich ſehr
bereit ſey, ein anderes Local für ſie herrichten zu laſſen,
daß ich aber einen ſofortigen Neubau nicht verſprechen
könne. Dieſe meine Antwort ſchien aber den Herren
nicht genügt zu haben. Denn als ich am andern Mor¬
gen hinſchickte, um mir den Schlüſſel ausbitten zu
laſſen, hieß es: er ſey nicht zu finden!“
„Da blieb nun weiter nichts zu thun, als erobe¬
rungsweiſe einzuſchreiten. Ich ließ alſo einen Maurer
kommen und führte ihn in die Bibliothek vor die Wand
des angrenzenden gedachten Saales. „Dieſe Mauer,
mein Freund, ſagte ich, muß ſehr dick ſeyn, denn ſie
trennt zwei verſchiedene Wohnungspartieen. Verſuchet
doch einmal und prüfet, wie ſtark ſie iſt.“ Der Mau¬
rer ſchritt zu Werke, und kaum hatte er fünf bis ſechs
herzhafte Schläge gethan, als Kalk und Backſteine fie¬
len und man durch die entſtandene Oeffnung ſchon
einige ehrwürdige Perrücken herdurchſchimmern ſah, wo¬
mit man den Saal decorirt hatte. „Fahret nur fort,
mein Freund, ſagte ich, ich ſehe noch nicht hell genug.
Genirt Euch nicht und thut ganz, als ob Ihr zu Hauſe
wäret.“ Dieſe freundliche Ermunterung wirkte auf den
Maurer ſo belebend, daß die Oeffnung bald groß ge¬
nug ward, um vollkommen als Thür zu gelten, worauf
denn meine Bibliotheksleute in den Saal drangen, Jeder
mit einem Arm voll Bücher, die ſie als Zeichen der
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848, S. 318. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe03_1848/340>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.