deres auszusprechen, als was bereits in seinem eigenen Herzen lebte."
"Sie wissen, ich bin im Ganzen kein Freund von sogenannten politischen Gedichten; allein solche, wie Beranger sie gemacht hat, lasse ich mir gefallen. Es ist bei ihm nichts aus der Luft gegriffen, nichts von bloß imaginirten oder imaginären Interessen, er schießt nie ins Blaue hinein, vielmehr hat er stets die entschiedensten und zwar immer bedeutende Gegenstände. Seine liebende Bewunderung Napoleon's und das Zurück¬ denken an die großen Waffenthaten, die unter ihm ge¬ schehen, und zwar zu einer Zeit, wo diese Erinnerung den etwas gedrückten Franzosen ein Trost war; dann sein Haß gegen die Herrschaft der Pfaffen und gegen die Verfinsterung, die mit den Jesuiten wieder einzu¬ brechen droht: das sind denn doch Dinge, denen man wohl seine völlige Zustimmung nicht versagen kann. -- Und wie meisterhaft ist bei ihm die jedesmalige Be¬ handlung! Wie wälzt und rundet er den Gegenstand in seinem Innern, ehe er ihn ausspricht! Und dann, wenn Alles reif ist, welcher Witz, Geist, Ironie und Persiflage, und welche Herzlichkeit, Naivetät und Grazie werden nicht von ihm bei jedem Schritt entfaltet! Seine Lieder haben jahraus jahrein Millionen froher Menschen gemacht; sie sind durchaus mundrecht auch für die arbeitende Classe, während sie sich über das Niveau des Gewöhnlichen so sehr erheben, daß das
deres auszuſprechen, als was bereits in ſeinem eigenen Herzen lebte.“
„Sie wiſſen, ich bin im Ganzen kein Freund von ſogenannten politiſchen Gedichten; allein ſolche, wie Béranger ſie gemacht hat, laſſe ich mir gefallen. Es iſt bei ihm nichts aus der Luft gegriffen, nichts von bloß imaginirten oder imaginären Intereſſen, er ſchießt nie ins Blaue hinein, vielmehr hat er ſtets die entſchiedenſten und zwar immer bedeutende Gegenſtände. Seine liebende Bewunderung Napoleon's und das Zurück¬ denken an die großen Waffenthaten, die unter ihm ge¬ ſchehen, und zwar zu einer Zeit, wo dieſe Erinnerung den etwas gedrückten Franzoſen ein Troſt war; dann ſein Haß gegen die Herrſchaft der Pfaffen und gegen die Verfinſterung, die mit den Jeſuiten wieder einzu¬ brechen droht: das ſind denn doch Dinge, denen man wohl ſeine völlige Zuſtimmung nicht verſagen kann. — Und wie meiſterhaft iſt bei ihm die jedesmalige Be¬ handlung! Wie wälzt und rundet er den Gegenſtand in ſeinem Innern, ehe er ihn ausſpricht! Und dann, wenn Alles reif iſt, welcher Witz, Geiſt, Ironie und Perſiflage, und welche Herzlichkeit, Naivetät und Grazie werden nicht von ihm bei jedem Schritt entfaltet! Seine Lieder haben jahraus jahrein Millionen froher Menſchen gemacht; ſie ſind durchaus mundrecht auch für die arbeitende Claſſe, während ſie ſich über das Niveau des Gewöhnlichen ſo ſehr erheben, daß das
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deres auszuſprechen, als was bereits in ſeinem eigenen
Herzen lebte.“
„Sie wiſſen, ich bin im Ganzen kein Freund von
ſogenannten politiſchen Gedichten; allein ſolche, wie
Béranger ſie gemacht hat, laſſe ich mir gefallen.
Es iſt bei ihm nichts aus der Luft gegriffen, nichts
von bloß imaginirten oder imaginären Intereſſen, er
ſchießt nie ins Blaue hinein, vielmehr hat er ſtets die
entſchiedenſten und zwar immer bedeutende Gegenſtände.
Seine liebende Bewunderung Napoleon's und das Zurück¬
denken an die großen Waffenthaten, die unter ihm ge¬
ſchehen, und zwar zu einer Zeit, wo dieſe Erinnerung
den etwas gedrückten Franzoſen ein Troſt war; dann
ſein Haß gegen die Herrſchaft der Pfaffen und gegen
die Verfinſterung, die mit den Jeſuiten wieder einzu¬
brechen droht: das ſind denn doch Dinge, denen man
wohl ſeine völlige Zuſtimmung nicht verſagen kann. —
Und wie meiſterhaft iſt bei ihm die jedesmalige Be¬
handlung! Wie wälzt und rundet er den Gegenſtand
in ſeinem Innern, ehe er ihn ausſpricht! Und dann,
wenn Alles reif iſt, welcher Witz, Geiſt, Ironie und
Perſiflage, und welche Herzlichkeit, Naivetät und Grazie
werden nicht von ihm bei jedem Schritt entfaltet!
Seine Lieder haben jahraus jahrein Millionen froher
Menſchen gemacht; ſie ſind durchaus mundrecht auch
für die arbeitende Claſſe, während ſie ſich über das
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848, S. 310. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe03_1848/332>, abgerufen am 24.11.2024.
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