meine Productionen keinen Einfluß. Selbst Wieland, der die französischen Formen und Darstellungsweisen nachgeahmt, ist im Grunde immer deutsch geblieben und würde sich in einer Uebertragung schlecht ausnehmen."
Sonntag, den 14. März 1830.
Abends bei Goethe. Er zeigte mir alle jetzt geord¬ neten Schätze der Kiste von David, mit deren Aus¬ packung ich ihn vor einigen Tagen beschäftigt fand. Die Gyps-Medaillons mit den Profilen der vorzüg¬ lichsten jungen Dichter Frankreichs hatte er in großer Ordnung auf Tischen nebeneinander gelegt. Er sprach dabei abermals über das außerordentliche Talent Da¬ vid's, das ebensogroß sey in der Auffassung, als in der Ausführung. Auch zeigte er mir eine Menge der neuesten Werke, die ihm, durch die Vermittelung Da¬ vid's, von den ausgezeichnetsten Talenten der roman¬ tischen Schule als Autor-Geschenke verehrt worden. Ich sah Werke von St. Beuve, Ballanche, Victor Hugo, Balzac, Alfred de Vigny, Jules Janin, und Anderen. "David, sagte er, hat mir durch diese Sendung schöne Tage bereitet. Die jungen Dichter beschäftigen mich nun schon die ganze Woche und gewähren mir durch die frischen Eindrücke, die ich von ihnen empfange, ein neues Leben. Ich werde über die mir sehr lieben Por¬ traits und Bücher einen eigenen Catalog machen und beiden in meiner Kunstsammlung und Bibliothek einen
meine Productionen keinen Einfluß. Selbſt Wieland, der die franzöſiſchen Formen und Darſtellungsweiſen nachgeahmt, iſt im Grunde immer deutſch geblieben und würde ſich in einer Uebertragung ſchlecht ausnehmen.“
Sonntag, den 14. März 1830.
Abends bei Goethe. Er zeigte mir alle jetzt geord¬ neten Schätze der Kiſte von David, mit deren Aus¬ packung ich ihn vor einigen Tagen beſchäftigt fand. Die Gyps-Medaillons mit den Profilen der vorzüg¬ lichſten jungen Dichter Frankreichs hatte er in großer Ordnung auf Tiſchen nebeneinander gelegt. Er ſprach dabei abermals über das außerordentliche Talent Da¬ vid's, das ebenſogroß ſey in der Auffaſſung, als in der Ausführung. Auch zeigte er mir eine Menge der neueſten Werke, die ihm, durch die Vermittelung Da¬ vid's, von den ausgezeichnetſten Talenten der roman¬ tiſchen Schule als Autor-Geſchenke verehrt worden. Ich ſah Werke von St. Beuve, Ballanche, Victor Hugo, Balzac, Alfred de Vigny, Jules Janin, und Anderen. „David, ſagte er, hat mir durch dieſe Sendung ſchöne Tage bereitet. Die jungen Dichter beſchäftigen mich nun ſchon die ganze Woche und gewähren mir durch die friſchen Eindrücke, die ich von ihnen empfange, ein neues Leben. Ich werde über die mir ſehr lieben Por¬ traits und Bücher einen eigenen Catalog machen und beiden in meiner Kunſtſammlung und Bibliothek einen
<TEI><text><body><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0325"n="303"/>
meine Productionen keinen Einfluß. Selbſt Wieland,<lb/>
der die franzöſiſchen Formen und Darſtellungsweiſen<lb/>
nachgeahmt, iſt im Grunde immer deutſch geblieben und<lb/>
würde ſich in einer Uebertragung ſchlecht ausnehmen.“</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/></div><divn="4"><datelinerendition="#right">Sonntag, den 14. März 1830.<lb/></dateline><p>Abends bei Goethe. Er zeigte mir alle jetzt geord¬<lb/>
neten Schätze der Kiſte von <hirendition="#g">David</hi>, mit deren Aus¬<lb/>
packung ich ihn vor einigen Tagen beſchäftigt fand.<lb/>
Die Gyps-Medaillons mit den Profilen der vorzüg¬<lb/>
lichſten jungen Dichter Frankreichs hatte er in großer<lb/>
Ordnung auf Tiſchen nebeneinander gelegt. Er ſprach<lb/>
dabei abermals über das außerordentliche Talent Da¬<lb/>
vid's, das ebenſogroß ſey in der Auffaſſung, als in<lb/>
der Ausführung. Auch zeigte er mir eine Menge der<lb/>
neueſten Werke, die ihm, durch die Vermittelung Da¬<lb/>
vid's, von den ausgezeichnetſten Talenten der roman¬<lb/>
tiſchen Schule als Autor-Geſchenke verehrt worden. Ich<lb/>ſah Werke von St. Beuve, Ballanche, Victor Hugo,<lb/>
Balzac, Alfred de Vigny, Jules Janin, und Anderen.<lb/>„David, ſagte er, hat mir durch dieſe Sendung ſchöne<lb/>
Tage bereitet. Die jungen Dichter beſchäftigen mich<lb/>
nun ſchon die ganze Woche und gewähren mir durch<lb/>
die friſchen Eindrücke, die ich von ihnen empfange, ein<lb/>
neues Leben. Ich werde über die mir ſehr lieben Por¬<lb/>
traits und Bücher einen eigenen Catalog machen und<lb/>
beiden in meiner Kunſtſammlung und Bibliothek einen<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[303/0325]
meine Productionen keinen Einfluß. Selbſt Wieland,
der die franzöſiſchen Formen und Darſtellungsweiſen
nachgeahmt, iſt im Grunde immer deutſch geblieben und
würde ſich in einer Uebertragung ſchlecht ausnehmen.“
Sonntag, den 14. März 1830.
Abends bei Goethe. Er zeigte mir alle jetzt geord¬
neten Schätze der Kiſte von David, mit deren Aus¬
packung ich ihn vor einigen Tagen beſchäftigt fand.
Die Gyps-Medaillons mit den Profilen der vorzüg¬
lichſten jungen Dichter Frankreichs hatte er in großer
Ordnung auf Tiſchen nebeneinander gelegt. Er ſprach
dabei abermals über das außerordentliche Talent Da¬
vid's, das ebenſogroß ſey in der Auffaſſung, als in
der Ausführung. Auch zeigte er mir eine Menge der
neueſten Werke, die ihm, durch die Vermittelung Da¬
vid's, von den ausgezeichnetſten Talenten der roman¬
tiſchen Schule als Autor-Geſchenke verehrt worden. Ich
ſah Werke von St. Beuve, Ballanche, Victor Hugo,
Balzac, Alfred de Vigny, Jules Janin, und Anderen.
„David, ſagte er, hat mir durch dieſe Sendung ſchöne
Tage bereitet. Die jungen Dichter beſchäftigen mich
nun ſchon die ganze Woche und gewähren mir durch
die friſchen Eindrücke, die ich von ihnen empfange, ein
neues Leben. Ich werde über die mir ſehr lieben Por¬
traits und Bücher einen eigenen Catalog machen und
beiden in meiner Kunſtſammlung und Bibliothek einen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848, S. 303. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe03_1848/325>, abgerufen am 03.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.