tigny im Canton Genf nämlich, die sehr geschickt in Zubereitung von Confituren ist, hatte mir als Producte ihrer Kunst einige Cedraten für die Frau Großfürstin und Goethe geschickt, völlig überzeugt, daß ihre Con¬ fituren alle anderen so weit übertreffen, als die Gedichte Goethe's diejenigen der meisten seiner deutschen Mitbe¬ werber.
Die älteste Tochter jener Dame hatte nun schon längst eine Handschrift Goethe's gewünscht, -- worauf es mir einfiel, daß es klug seyn würde, durch die süße Lockspeise der Cedraten Goethen zu einem Gedicht für meine junge Freundin anzukörnen.
Mit der Miene eines mit einem wichtigen Geschäft beauftragten Diplomaten ging ich daher zu ihm und unterhandelte mit ihm als Macht gegen Macht, indem ich für die offerirten Cedraten ein Originalgedicht seiner Hand zur Bedingung machte. Goethe lachte über die¬ sen Scherz, den er sehr wohl aufnahm, und sich sogleich die Cedraten erbat, die er ganz vortrefflich fand. We¬ nige Stunden darauf war ich sehr überrascht, folgende Verse als ein Weihnachtsgeschenk für meine junge Freun¬ din ankommen zu sehen:
Glücklich Land, allwo Cedraten Zur Vollkommenheit gerathen! Und zu reizendem Genießen Kluge Frauen sie durchsüßen! etc.
Als ich ihn wieder sah, scherzte er über den Vor¬ theil, den er jetzt aus seinem poetischen Metier zu zie¬
tigny im Canton Genf nämlich, die ſehr geſchickt in Zubereitung von Confituren iſt, hatte mir als Producte ihrer Kunſt einige Cedraten für die Frau Großfürſtin und Goethe geſchickt, völlig überzeugt, daß ihre Con¬ fituren alle anderen ſo weit übertreffen, als die Gedichte Goethe's diejenigen der meiſten ſeiner deutſchen Mitbe¬ werber.
Die älteſte Tochter jener Dame hatte nun ſchon längſt eine Handſchrift Goethe's gewünſcht, — worauf es mir einfiel, daß es klug ſeyn würde, durch die ſüße Lockſpeiſe der Cedraten Goethen zu einem Gedicht für meine junge Freundin anzukörnen.
Mit der Miene eines mit einem wichtigen Geſchäft beauftragten Diplomaten ging ich daher zu ihm und unterhandelte mit ihm als Macht gegen Macht, indem ich für die offerirten Cedraten ein Originalgedicht ſeiner Hand zur Bedingung machte. Goethe lachte über die¬ ſen Scherz, den er ſehr wohl aufnahm, und ſich ſogleich die Cedraten erbat, die er ganz vortrefflich fand. We¬ nige Stunden darauf war ich ſehr überraſcht, folgende Verſe als ein Weihnachtsgeſchenk für meine junge Freun¬ din ankommen zu ſehen:
Glücklich Land, allwo Cedraten Zur Vollkommenheit gerathen! Und zu reizendem Genießen Kluge Frauen ſie durchſüßen! ꝛc.
Als ich ihn wieder ſah, ſcherzte er über den Vor¬ theil, den er jetzt aus ſeinem poetiſchen Metier zu zie¬
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tigny im Canton Genf nämlich, die ſehr geſchickt in
Zubereitung von Confituren iſt, hatte mir als Producte
ihrer Kunſt einige Cedraten für die Frau Großfürſtin
und Goethe geſchickt, völlig überzeugt, daß ihre Con¬
fituren alle anderen ſo weit übertreffen, als die Gedichte
Goethe's diejenigen der meiſten ſeiner deutſchen Mitbe¬
werber.
Die älteſte Tochter jener Dame hatte nun ſchon
längſt eine Handſchrift Goethe's gewünſcht, — worauf es
mir einfiel, daß es klug ſeyn würde, durch die ſüße
Lockſpeiſe der Cedraten Goethen zu einem Gedicht für
meine junge Freundin anzukörnen.
Mit der Miene eines mit einem wichtigen Geſchäft
beauftragten Diplomaten ging ich daher zu ihm und
unterhandelte mit ihm als Macht gegen Macht, indem
ich für die offerirten Cedraten ein Originalgedicht ſeiner
Hand zur Bedingung machte. Goethe lachte über die¬
ſen Scherz, den er ſehr wohl aufnahm, und ſich ſogleich
die Cedraten erbat, die er ganz vortrefflich fand. We¬
nige Stunden darauf war ich ſehr überraſcht, folgende
Verſe als ein Weihnachtsgeſchenk für meine junge Freun¬
din ankommen zu ſehen:
Glücklich Land, allwo Cedraten
Zur Vollkommenheit gerathen!
Und zu reizendem Genießen
Kluge Frauen ſie durchſüßen! ꝛc.
Als ich ihn wieder ſah, ſcherzte er über den Vor¬
theil, den er jetzt aus ſeinem poetiſchen Metier zu zie¬
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848, S. 274. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe03_1848/296>, abgerufen am 22.11.2024.
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