Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848.und auch der junge Fürst nicht, in diesem düstern Un¬ "Der Vorwitz lockt ihn in die Weite, Kein Fels ist ihm zu schroff, kein Steg zu schmal; Der Unfall lauert an der Seite Und stürzt ihn in den Arm der Qual. Dann treibt die schmerzlich überspannte Regung Gewaltsam ihn bald da, bald dort hinaus, Und von unmuthiger Bewegung Ruht er unmuthig wieder aus. Und düster wild an heitern Tagen, Unbändig ohne froh zu seyn, Schläft er, an Seel' und Leib verwundet und zerschlagen, Auf einem harten Lager ein." "So war er ganz und gar. Es ist darin nicht der "Ich läugne nicht, er hat mir anfänglich manche Sie machten, bemerkte ich, in dieser ersten Zeit "Er liebte überhaupt das Reisen, erwiederte Goethe; und auch der junge Fürſt nicht, in dieſem düſtern Un¬ „Der Vorwitz lockt ihn in die Weite, Kein Fels iſt ihm zu ſchroff, kein Steg zu ſchmal; Der Unfall lauert an der Seite Und ſtürzt ihn in den Arm der Qual. Dann treibt die ſchmerzlich überſpannte Regung Gewaltſam ihn bald da, bald dort hinaus, Und von unmuthiger Bewegung Ruht er unmuthig wieder aus. Und düſter wild an heitern Tagen, Unbändig ohne froh zu ſeyn, Schläft er, an Seel' und Leib verwundet und zerſchlagen, Auf einem harten Lager ein.“ „So war er ganz und gar. Es iſt darin nicht der „Ich läugne nicht, er hat mir anfänglich manche Sie machten, bemerkte ich, in dieſer erſten Zeit „Er liebte überhaupt das Reiſen, erwiederte Goethe; <TEI> <text> <body> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0290" n="268"/> und auch der junge Fürſt nicht, in dieſem düſtern Un¬<lb/> geſtüm ſeines zwanzigſten Jahres.“</p><lb/> <lg type="poem"> <l>„Der Vorwitz lockt ihn in die Weite,</l><lb/> <l>Kein Fels iſt ihm zu ſchroff, kein Steg zu ſchmal;</l><lb/> <l>Der Unfall lauert an der Seite</l><lb/> <l>Und ſtürzt ihn in den Arm der Qual.</l><lb/> <l>Dann treibt die ſchmerzlich überſpannte Regung</l><lb/> <l>Gewaltſam ihn bald da, bald dort hinaus,</l><lb/> <l>Und von unmuthiger Bewegung</l><lb/> <l>Ruht er unmuthig wieder aus.</l><lb/> <l>Und düſter wild an heitern Tagen,</l><lb/> <l>Unbändig ohne froh zu ſeyn,</l><lb/> <l>Schläft er, an Seel' und Leib verwundet und zerſchlagen,</l><lb/> <l>Auf einem harten Lager ein.“</l><lb/> </lg> <p>„So war er ganz und gar. Es iſt darin nicht der<lb/> kleinſte Zug übertrieben. Doch aus dieſer Sturm- und<lb/> Drang-Periode hatte ſich der Herzog bald zu wohlthä¬<lb/> tiger Klarheit durchgearbeitet, ſo daß ich ihn zu ſeinem<lb/> Geburtstage im Jahre 1783 an dieſe Geſtalt ſeiner<lb/> früheren Jahre ſehr wohl erinnern mochte.“</p><lb/> <p>„Ich läugne nicht, er hat mir anfänglich manche<lb/> Noth und Sorge gemacht. Doch ſeine tüchtige Natur<lb/> reinigte ſich bald und bildete ſich bald zum Beſten, ſo<lb/> daß es eine Freude wurde, mit ihm zu leben und zu<lb/> wirken.“</p><lb/> <p>Sie machten, bemerkte ich, in dieſer erſten Zeit<lb/> mit ihm eine einſame Reiſe durch die Schweiz.</p><lb/> <p>„Er liebte überhaupt das Reiſen, erwiederte Goethe;<lb/> doch war es nicht ſowohl, um ſich zu amüſiren und<lb/> zu zerſtreuen, als um überall die Augen und Ohren<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [268/0290]
und auch der junge Fürſt nicht, in dieſem düſtern Un¬
geſtüm ſeines zwanzigſten Jahres.“
„Der Vorwitz lockt ihn in die Weite,
Kein Fels iſt ihm zu ſchroff, kein Steg zu ſchmal;
Der Unfall lauert an der Seite
Und ſtürzt ihn in den Arm der Qual.
Dann treibt die ſchmerzlich überſpannte Regung
Gewaltſam ihn bald da, bald dort hinaus,
Und von unmuthiger Bewegung
Ruht er unmuthig wieder aus.
Und düſter wild an heitern Tagen,
Unbändig ohne froh zu ſeyn,
Schläft er, an Seel' und Leib verwundet und zerſchlagen,
Auf einem harten Lager ein.“
„So war er ganz und gar. Es iſt darin nicht der
kleinſte Zug übertrieben. Doch aus dieſer Sturm- und
Drang-Periode hatte ſich der Herzog bald zu wohlthä¬
tiger Klarheit durchgearbeitet, ſo daß ich ihn zu ſeinem
Geburtstage im Jahre 1783 an dieſe Geſtalt ſeiner
früheren Jahre ſehr wohl erinnern mochte.“
„Ich läugne nicht, er hat mir anfänglich manche
Noth und Sorge gemacht. Doch ſeine tüchtige Natur
reinigte ſich bald und bildete ſich bald zum Beſten, ſo
daß es eine Freude wurde, mit ihm zu leben und zu
wirken.“
Sie machten, bemerkte ich, in dieſer erſten Zeit
mit ihm eine einſame Reiſe durch die Schweiz.
„Er liebte überhaupt das Reiſen, erwiederte Goethe;
doch war es nicht ſowohl, um ſich zu amüſiren und
zu zerſtreuen, als um überall die Augen und Ohren
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |