sah, beim Frühstück, er krank und ohne Neigung etwas zu genießen, fragte er noch lebendig nach den von Schweden herüber gekommenen Granitgeschieben baltischer Länder, nach Kometschweifen, welche sich unserer At¬ mosphäre trübend einmischen könnten, nach der Ursache der großen Winterkälte an allen östlichen Küsten."
"Als ich ihn zuletzt sah, drückte er mir zum Ab¬ schied die Hand mit den heiteren Worten: "Sie glau¬ ben, Humboldt, Töplitz und alle warmen Quellen seyen wie Wasser, die man künstlich erwärmt? Das ist nicht Küchenfeuer! Darüber streiten wir in Töplitz, wenn Sie mit dem Könige kommen. Sie sollen sehen, Ihr altes Küchenfeuer wird mich doch noch einmal wieder zusammenhalten." Sonderbar! denn Alles wird be¬ deutend bei so einem Manne."
"In Potsdam saß ich mehrere Stunden allein mit ihm auf dem Kanapee; er trank und schlief abwechselnd, trank wieder, stand auf, um an seine Gemahlin zu schreiben, dann schlief er wieder. Er war heiter, aber sehr erschöpft. In den Intervallen bedrängte er mich mit den schwierigsten Fragen über Physik, Astronomie, Meteorologie und Geognosie, über Durchsichtigkeit eines Kometenkerns, über Mond-Atmosphäre, über die farbi¬ gen Doppelsterne, über Einfluß der Sonnenflecke auf Temperatur, Erscheinen der organischen Formen in der Urwelt, innere Erdwärme. Er schlief mitten in seiner und meiner Rede ein, wurde oft unruhig, und sagte
ſah, beim Frühſtück, er krank und ohne Neigung etwas zu genießen, fragte er noch lebendig nach den von Schweden herüber gekommenen Granitgeſchieben baltiſcher Länder, nach Kometſchweifen, welche ſich unſerer At¬ moſphäre trübend einmiſchen könnten, nach der Urſache der großen Winterkälte an allen öſtlichen Küſten.“
„Als ich ihn zuletzt ſah, drückte er mir zum Ab¬ ſchied die Hand mit den heiteren Worten: „Sie glau¬ ben, Humboldt, Töplitz und alle warmen Quellen ſeyen wie Waſſer, die man künſtlich erwärmt? Das iſt nicht Küchenfeuer! Darüber ſtreiten wir in Töplitz, wenn Sie mit dem Könige kommen. Sie ſollen ſehen, Ihr altes Küchenfeuer wird mich doch noch einmal wieder zuſammenhalten.“ Sonderbar! denn Alles wird be¬ deutend bei ſo einem Manne.“
„In Potsdam ſaß ich mehrere Stunden allein mit ihm auf dem Kanapee; er trank und ſchlief abwechſelnd, trank wieder, ſtand auf, um an ſeine Gemahlin zu ſchreiben, dann ſchlief er wieder. Er war heiter, aber ſehr erſchöpft. In den Intervallen bedrängte er mich mit den ſchwierigſten Fragen über Phyſik, Aſtronomie, Meteorologie und Geognoſie, über Durchſichtigkeit eines Kometenkerns, über Mond-Atmoſphäre, über die farbi¬ gen Doppelſterne, über Einfluß der Sonnenflecke auf Temperatur, Erſcheinen der organiſchen Formen in der Urwelt, innere Erdwärme. Er ſchlief mitten in ſeiner und meiner Rede ein, wurde oft unruhig, und ſagte
<TEI><text><body><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0282"n="260"/>ſah, beim Frühſtück, er krank und ohne Neigung etwas<lb/>
zu genießen, fragte er noch lebendig nach den von<lb/>
Schweden herüber gekommenen Granitgeſchieben baltiſcher<lb/>
Länder, nach Kometſchweifen, welche ſich unſerer At¬<lb/>
moſphäre trübend einmiſchen könnten, nach der Urſache<lb/>
der großen Winterkälte an allen öſtlichen Küſten.“</p><lb/><p>„Als ich ihn zuletzt ſah, drückte er mir zum Ab¬<lb/>ſchied die Hand mit den heiteren Worten: „Sie glau¬<lb/>
ben, Humboldt, Töplitz und alle warmen Quellen ſeyen<lb/>
wie Waſſer, die man künſtlich erwärmt? Das iſt nicht<lb/>
Küchenfeuer! Darüber ſtreiten wir in Töplitz, wenn<lb/>
Sie mit dem Könige kommen. Sie ſollen ſehen, Ihr<lb/>
altes Küchenfeuer wird mich doch noch einmal wieder<lb/>
zuſammenhalten.“ Sonderbar! denn Alles wird be¬<lb/>
deutend bei ſo einem Manne.“</p><lb/><p>„In Potsdam ſaß ich mehrere Stunden allein mit<lb/>
ihm auf dem Kanapee; er trank und ſchlief abwechſelnd,<lb/>
trank wieder, ſtand auf, um an ſeine Gemahlin zu<lb/>ſchreiben, dann ſchlief er wieder. Er war heiter, aber<lb/>ſehr erſchöpft. In den Intervallen bedrängte er mich<lb/>
mit den ſchwierigſten Fragen über Phyſik, Aſtronomie,<lb/>
Meteorologie und Geognoſie, über Durchſichtigkeit eines<lb/>
Kometenkerns, über Mond-Atmoſphäre, über die farbi¬<lb/>
gen Doppelſterne, über Einfluß der Sonnenflecke auf<lb/>
Temperatur, Erſcheinen der organiſchen Formen in der<lb/>
Urwelt, innere Erdwärme. Er ſchlief mitten in ſeiner<lb/>
und meiner Rede ein, wurde oft unruhig, und ſagte<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[260/0282]
ſah, beim Frühſtück, er krank und ohne Neigung etwas
zu genießen, fragte er noch lebendig nach den von
Schweden herüber gekommenen Granitgeſchieben baltiſcher
Länder, nach Kometſchweifen, welche ſich unſerer At¬
moſphäre trübend einmiſchen könnten, nach der Urſache
der großen Winterkälte an allen öſtlichen Küſten.“
„Als ich ihn zuletzt ſah, drückte er mir zum Ab¬
ſchied die Hand mit den heiteren Worten: „Sie glau¬
ben, Humboldt, Töplitz und alle warmen Quellen ſeyen
wie Waſſer, die man künſtlich erwärmt? Das iſt nicht
Küchenfeuer! Darüber ſtreiten wir in Töplitz, wenn
Sie mit dem Könige kommen. Sie ſollen ſehen, Ihr
altes Küchenfeuer wird mich doch noch einmal wieder
zuſammenhalten.“ Sonderbar! denn Alles wird be¬
deutend bei ſo einem Manne.“
„In Potsdam ſaß ich mehrere Stunden allein mit
ihm auf dem Kanapee; er trank und ſchlief abwechſelnd,
trank wieder, ſtand auf, um an ſeine Gemahlin zu
ſchreiben, dann ſchlief er wieder. Er war heiter, aber
ſehr erſchöpft. In den Intervallen bedrängte er mich
mit den ſchwierigſten Fragen über Phyſik, Aſtronomie,
Meteorologie und Geognoſie, über Durchſichtigkeit eines
Kometenkerns, über Mond-Atmoſphäre, über die farbi¬
gen Doppelſterne, über Einfluß der Sonnenflecke auf
Temperatur, Erſcheinen der organiſchen Formen in der
Urwelt, innere Erdwärme. Er ſchlief mitten in ſeiner
und meiner Rede ein, wurde oft unruhig, und ſagte
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848, S. 260. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe03_1848/282>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.