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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848.

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"So z. B. kann ich nicht billigen, daß man von
den studirenden künftigen Staatsdienern gar zu viele
theoretisch-gelehrte Kenntnisse verlangt, wodurch die
jungen Leute vor der Zeit geistig wie körperlich rui¬
nirt werden. Treten sie nun hierauf in den praktischen
Dienst, so besitzen sie zwar einen ungeheueren Vorrath
an philosophischen und gelehrten Dingen, allein er kann
in dem beschränkten Kreise ihres Berufs gar nicht zur
Anwendung kommen und muß daher als unnütz wieder
vergessen werden. Dagegen aber, was sie am meisten
bedurften, haben sie eingebüßt: es fehlt ihnen die nö¬
thige geistige wie körperliche Energie, die bei einem
tüchtigen Auftreten im praktischen Verkehr ganz uner¬
läßlich ist."

"Und dann! bedarf es denn im Leben eines Staats¬
dieners, in Behandlung der Menschen, nicht auch der
Liebe und des Wohlwollens? Und wie soll Einer ge¬
gen Andere Wohlwollen empfinden und ausüben, wenn
es ihm selber nicht wohl ist?" --

"Es ist aber den Leuten allen herzlich schlecht! Der
dritte Theil der an den Schreibtisch gefesselten Gelehrten
und Staatsdiener ist körperlich anbrüchig und dem Dä¬
mon der Hypochondrie verfallen. Hier thäte es Noth,
von oben her einzuwirken, um wenigstens künftige Ge¬
nerationen vor ähnlichem Verderben zu schützen."

"Wir wollen indeß, fügte Goethe lächelnd hinzu,
hoffen und erwarten, wie es etwa in einem Jahrhun¬

„So z. B. kann ich nicht billigen, daß man von
den ſtudirenden künftigen Staatsdienern gar zu viele
theoretiſch-gelehrte Kenntniſſe verlangt, wodurch die
jungen Leute vor der Zeit geiſtig wie körperlich rui¬
nirt werden. Treten ſie nun hierauf in den praktiſchen
Dienſt, ſo beſitzen ſie zwar einen ungeheueren Vorrath
an philoſophiſchen und gelehrten Dingen, allein er kann
in dem beſchränkten Kreiſe ihres Berufs gar nicht zur
Anwendung kommen und muß daher als unnütz wieder
vergeſſen werden. Dagegen aber, was ſie am meiſten
bedurften, haben ſie eingebüßt: es fehlt ihnen die nö¬
thige geiſtige wie körperliche Energie, die bei einem
tüchtigen Auftreten im praktiſchen Verkehr ganz uner¬
läßlich iſt.“

„Und dann! bedarf es denn im Leben eines Staats¬
dieners, in Behandlung der Menſchen, nicht auch der
Liebe und des Wohlwollens? Und wie ſoll Einer ge¬
gen Andere Wohlwollen empfinden und ausüben, wenn
es ihm ſelber nicht wohl iſt?“ —

„Es iſt aber den Leuten allen herzlich ſchlecht! Der
dritte Theil der an den Schreibtiſch gefeſſelten Gelehrten
und Staatsdiener iſt körperlich anbrüchig und dem Dä¬
mon der Hypochondrie verfallen. Hier thäte es Noth,
von oben her einzuwirken, um wenigſtens künftige Ge¬
nerationen vor ähnlichem Verderben zu ſchützen.“

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[253/0275] „So z. B. kann ich nicht billigen, daß man von den ſtudirenden künftigen Staatsdienern gar zu viele theoretiſch-gelehrte Kenntniſſe verlangt, wodurch die jungen Leute vor der Zeit geiſtig wie körperlich rui¬ nirt werden. Treten ſie nun hierauf in den praktiſchen Dienſt, ſo beſitzen ſie zwar einen ungeheueren Vorrath an philoſophiſchen und gelehrten Dingen, allein er kann in dem beſchränkten Kreiſe ihres Berufs gar nicht zur Anwendung kommen und muß daher als unnütz wieder vergeſſen werden. Dagegen aber, was ſie am meiſten bedurften, haben ſie eingebüßt: es fehlt ihnen die nö¬ thige geiſtige wie körperliche Energie, die bei einem tüchtigen Auftreten im praktiſchen Verkehr ganz uner¬ läßlich iſt.“ „Und dann! bedarf es denn im Leben eines Staats¬ dieners, in Behandlung der Menſchen, nicht auch der Liebe und des Wohlwollens? Und wie ſoll Einer ge¬ gen Andere Wohlwollen empfinden und ausüben, wenn es ihm ſelber nicht wohl iſt?“ — „Es iſt aber den Leuten allen herzlich ſchlecht! Der dritte Theil der an den Schreibtiſch gefeſſelten Gelehrten und Staatsdiener iſt körperlich anbrüchig und dem Dä¬ mon der Hypochondrie verfallen. Hier thäte es Noth, von oben her einzuwirken, um wenigſtens künftige Ge¬ nerationen vor ähnlichem Verderben zu ſchützen.“ „Wir wollen indeß, fügte Goethe lächelnd hinzu, hoffen und erwarten, wie es etwa in einem Jahrhun¬

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Zitationshilfe: Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe03_1848/275>, abgerufen am 22.11.2024.