Unbehagen an, theils weil ich keine große Freude an mir selber zu haben glaubte, theils auch, weil ich fürch¬ tete, jener Freund möchte seinen eigenen Körper sogleich zurück verlangen. Dennoch wandte ich mich zum Wasser und sah mein zweites Selbst ganz nahe heranschwim¬ men, und, indem er den Kopf etwas seitwärts wandte, lachend zu mir heraufblicken. "Es steckt keine Schwimm¬ kraft in deinen Gliedern!" rief er mir zu, ich habe gegen Wellen und Brandung gut zu kämpfen gehabt und es ist nicht zu verwundern, daß ich so spät komme und von Allen der Letzte bin." Ich erkannte sogleich das Gesicht; es war das meinige, aber verjüngt und etwas voller und breiter und von der frischesten Farbe. Jetzt trat er ans Land, und indem er, sich aufrichtend, auf dem Sande die ersten Schritte that, hatte ich den Ueberblick seines Rückens und seiner Schenkel und freuete mich über die Vollkommenheit dieser Gestalt. Er kam das Felsufer herauf zu uns Anderen, und als er neben mich trat, hatte er vollkommen meine neue Größe. Wie ist doch, dachte ich bei mir selbst, dein kleiner Körper so schön heran gewachsen! -- Haben die Urkräfte des Meeres so wunderbar auf ihn gewirkt, oder ist es, weil der jugendliche Geist des Freundes die Glieder durchdrungen hat? -- Indem wir darauf eine gute Weile vergnügt beisammen gewesen, wunderte ich mich im Stillen, daß der Freund nicht that, als ob er seinen eigenen Körper einzutauschen Neigung habe.
Unbehagen an, theils weil ich keine große Freude an mir ſelber zu haben glaubte, theils auch, weil ich fürch¬ tete, jener Freund möchte ſeinen eigenen Körper ſogleich zurück verlangen. Dennoch wandte ich mich zum Waſſer und ſah mein zweites Selbſt ganz nahe heranſchwim¬ men, und, indem er den Kopf etwas ſeitwärts wandte, lachend zu mir heraufblicken. „Es ſteckt keine Schwimm¬ kraft in deinen Gliedern!“ rief er mir zu, ich habe gegen Wellen und Brandung gut zu kämpfen gehabt und es iſt nicht zu verwundern, daß ich ſo ſpät komme und von Allen der Letzte bin.“ Ich erkannte ſogleich das Geſicht; es war das meinige, aber verjüngt und etwas voller und breiter und von der friſcheſten Farbe. Jetzt trat er ans Land, und indem er, ſich aufrichtend, auf dem Sande die erſten Schritte that, hatte ich den Ueberblick ſeines Rückens und ſeiner Schenkel und freuete mich über die Vollkommenheit dieſer Geſtalt. Er kam das Felsufer herauf zu uns Anderen, und als er neben mich trat, hatte er vollkommen meine neue Größe. Wie iſt doch, dachte ich bei mir ſelbſt, dein kleiner Körper ſo ſchön heran gewachſen! — Haben die Urkräfte des Meeres ſo wunderbar auf ihn gewirkt, oder iſt es, weil der jugendliche Geiſt des Freundes die Glieder durchdrungen hat? — Indem wir darauf eine gute Weile vergnügt beiſammen geweſen, wunderte ich mich im Stillen, daß der Freund nicht that, als ob er ſeinen eigenen Körper einzutauſchen Neigung habe.
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Unbehagen an, theils weil ich keine große Freude an
mir ſelber zu haben glaubte, theils auch, weil ich fürch¬
tete, jener Freund möchte ſeinen eigenen Körper ſogleich
zurück verlangen. Dennoch wandte ich mich zum Waſſer
und ſah mein zweites Selbſt ganz nahe heranſchwim¬
men, und, indem er den Kopf etwas ſeitwärts wandte,
lachend zu mir heraufblicken. „Es ſteckt keine Schwimm¬
kraft in deinen Gliedern!“ rief er mir zu, ich habe
gegen Wellen und Brandung gut zu kämpfen gehabt
und es iſt nicht zu verwundern, daß ich ſo ſpät komme
und von Allen der Letzte bin.“ Ich erkannte ſogleich
das Geſicht; es war das meinige, aber verjüngt und
etwas voller und breiter und von der friſcheſten Farbe.
Jetzt trat er ans Land, und indem er, ſich aufrichtend,
auf dem Sande die erſten Schritte that, hatte ich den
Ueberblick ſeines Rückens und ſeiner Schenkel und
freuete mich über die Vollkommenheit dieſer Geſtalt.
Er kam das Felsufer herauf zu uns Anderen, und als
er neben mich trat, hatte er vollkommen meine neue
Größe. Wie iſt doch, dachte ich bei mir ſelbſt, dein
kleiner Körper ſo ſchön heran gewachſen! — Haben die
Urkräfte des Meeres ſo wunderbar auf ihn gewirkt,
oder iſt es, weil der jugendliche Geiſt des Freundes
die Glieder durchdrungen hat? — Indem wir darauf eine
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848, S. 244. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe03_1848/266>, abgerufen am 25.11.2024.
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