Jugend war, befand ich mich dort sehr oft. Ich saß eines Abends bei ihr alleine am Theetisch, als die beiden zehn- bis zwölfjährigen Prinzen, zwei hübsche blondlockige Knaben, hereinsprangen und zu uns an den Tisch kamen. Uebermüthig, wie ich seyn konnte, fuhr ich den beiden Prinzen mit meinen Händen in die Haare, mit den Worten: Nun, Ihr Semmelköpfe, was macht Ihr? -- Die Buben sahen mich mit großen Augen an, im höchsten Erstaunen über meine Kühnheit, -- und haben es mir später nie vergessen!"
"Ich will nun just eben nicht damit prahlen; aber es war so und lag tief in meiner Natur. Ich hatte vor der bloßen Fürstlichkeit, als solcher, wenn nicht zugleich eine tüchtige Menschennatur und ein tüchtiger Menschenwerth dahinter steckte, nie viel Respect. -- Ja es war mir selber so wohl in meiner Haut und ich fühlte mich selber so vornehm, daß, wenn man mich zum Fürsten gemacht hätte, ich es nicht eben sonderlich merkwürdig gefunden haben würde. Als man mir das Adelsdiplom gab, glaubten Viele, wie ich mich dadurch möchte erhoben fühlen. Allein, unter uns, es war mir nichts, gar nichts! Wir Frankfurter Patricier hielten uns immer dem Adel gleich, und als ich das Diplom in Händen hielt, hatte ich in meinen Gedanken eben nichts weiter, als was ich längst besessen."
Wir thaten noch einen guten Trunk aus der golde¬ nen Schale und fuhren dann um die nördliche Seite
Jugend war, befand ich mich dort ſehr oft. Ich ſaß eines Abends bei ihr alleine am Theetiſch, als die beiden zehn- bis zwölfjährigen Prinzen, zwei hübſche blondlockige Knaben, hereinſprangen und zu uns an den Tiſch kamen. Uebermüthig, wie ich ſeyn konnte, fuhr ich den beiden Prinzen mit meinen Händen in die Haare, mit den Worten: Nun, Ihr Semmelköpfe, was macht Ihr? — Die Buben ſahen mich mit großen Augen an, im höchſten Erſtaunen über meine Kühnheit, — und haben es mir ſpäter nie vergeſſen!“
„Ich will nun juſt eben nicht damit prahlen; aber es war ſo und lag tief in meiner Natur. Ich hatte vor der bloßen Fürſtlichkeit, als ſolcher, wenn nicht zugleich eine tüchtige Menſchennatur und ein tüchtiger Menſchenwerth dahinter ſteckte, nie viel Reſpect. — Ja es war mir ſelber ſo wohl in meiner Haut und ich fühlte mich ſelber ſo vornehm, daß, wenn man mich zum Fürſten gemacht hätte, ich es nicht eben ſonderlich merkwürdig gefunden haben würde. Als man mir das Adelsdiplom gab, glaubten Viele, wie ich mich dadurch möchte erhoben fühlen. Allein, unter uns, es war mir nichts, gar nichts! Wir Frankfurter Patricier hielten uns immer dem Adel gleich, und als ich das Diplom in Händen hielt, hatte ich in meinen Gedanken eben nichts weiter, als was ich längſt beſeſſen.“
Wir thaten noch einen guten Trunk aus der golde¬ nen Schale und fuhren dann um die nördliche Seite
<TEI><text><body><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0211"n="189"/>
Jugend war, befand ich mich dort ſehr oft. Ich ſaß<lb/>
eines Abends bei ihr alleine am Theetiſch, als die<lb/>
beiden zehn- bis zwölfjährigen Prinzen, zwei hübſche<lb/>
blondlockige Knaben, hereinſprangen und zu uns an<lb/>
den Tiſch kamen. Uebermüthig, wie ich ſeyn konnte,<lb/>
fuhr ich den beiden Prinzen mit meinen Händen in die<lb/>
Haare, mit den Worten: <hirendition="#g">Nun</hi>, <hirendition="#g">Ihr Semmelköpfe</hi>,<lb/><hirendition="#g">was macht Ihr</hi>? — Die Buben ſahen mich mit<lb/>
großen Augen an, im höchſten Erſtaunen über meine<lb/>
Kühnheit, — und haben es mir ſpäter nie vergeſſen!“</p><lb/><p>„Ich will nun juſt eben nicht damit prahlen; aber<lb/>
es war ſo und lag tief in meiner Natur. Ich hatte<lb/>
vor der bloßen Fürſtlichkeit, als ſolcher, wenn nicht<lb/>
zugleich eine tüchtige Menſchennatur und ein tüchtiger<lb/>
Menſchenwerth dahinter ſteckte, nie viel Reſpect. — Ja<lb/>
es war mir ſelber ſo wohl in meiner Haut und ich<lb/>
fühlte mich ſelber ſo vornehm, daß, wenn man mich<lb/>
zum Fürſten gemacht hätte, ich es nicht eben ſonderlich<lb/>
merkwürdig gefunden haben würde. Als man mir das<lb/>
Adelsdiplom gab, glaubten Viele, wie ich mich dadurch<lb/>
möchte erhoben fühlen. Allein, unter uns, es war mir<lb/>
nichts, gar nichts! Wir Frankfurter Patricier hielten<lb/>
uns immer dem Adel gleich, und als ich das Diplom<lb/>
in Händen hielt, hatte ich in meinen Gedanken eben<lb/>
nichts weiter, als was ich längſt beſeſſen.“</p><lb/><p>Wir thaten noch einen guten Trunk aus der golde¬<lb/>
nen Schale und fuhren dann um die nördliche Seite<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[189/0211]
Jugend war, befand ich mich dort ſehr oft. Ich ſaß
eines Abends bei ihr alleine am Theetiſch, als die
beiden zehn- bis zwölfjährigen Prinzen, zwei hübſche
blondlockige Knaben, hereinſprangen und zu uns an
den Tiſch kamen. Uebermüthig, wie ich ſeyn konnte,
fuhr ich den beiden Prinzen mit meinen Händen in die
Haare, mit den Worten: Nun, Ihr Semmelköpfe,
was macht Ihr? — Die Buben ſahen mich mit
großen Augen an, im höchſten Erſtaunen über meine
Kühnheit, — und haben es mir ſpäter nie vergeſſen!“
„Ich will nun juſt eben nicht damit prahlen; aber
es war ſo und lag tief in meiner Natur. Ich hatte
vor der bloßen Fürſtlichkeit, als ſolcher, wenn nicht
zugleich eine tüchtige Menſchennatur und ein tüchtiger
Menſchenwerth dahinter ſteckte, nie viel Reſpect. — Ja
es war mir ſelber ſo wohl in meiner Haut und ich
fühlte mich ſelber ſo vornehm, daß, wenn man mich
zum Fürſten gemacht hätte, ich es nicht eben ſonderlich
merkwürdig gefunden haben würde. Als man mir das
Adelsdiplom gab, glaubten Viele, wie ich mich dadurch
möchte erhoben fühlen. Allein, unter uns, es war mir
nichts, gar nichts! Wir Frankfurter Patricier hielten
uns immer dem Adel gleich, und als ich das Diplom
in Händen hielt, hatte ich in meinen Gedanken eben
nichts weiter, als was ich längſt beſeſſen.“
Wir thaten noch einen guten Trunk aus der golde¬
nen Schale und fuhren dann um die nördliche Seite
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe03_1848/211>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.