Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848.

Bild:
<< vorherige Seite

goldenen Schale, die Goethe, in einem gelben Leder¬
futteral, bei solchen Ausflügen gewöhnlich bei sich führt.

"Ich war sehr oft an dieser Stelle, sagte er, und
dachte in späteren Jahren sehr oft, es würde das letzte¬
mal seyn, daß ich von hier aus die Reiche der Welt
und ihre Herrlichkeiten überblickte. Allein es hält immer
noch einmal zusammen und ich hoffe, daß es auch
heute nicht das letztemal ist, daß wir Beide uns
hier einen guten Tag machen. Wir wollen künftig
öfter hieher kommen. Man verschrumpft in dem engen
Hauswesen. Hier fühlt man sich groß und frei, wie
die große Natur, die man vor Augen hat, und wie man
eigentlich immer seyn sollte."

"Ich übersehe von hier aus, fuhr Goethe fort, eine
Menge Punkte, an die sich die reichsten Erinnerungen
eines langen Lebens knüpfen. Was habe ich nicht
drüben in den Bergen von Ilmenau in meiner Jugend
Alles durchgemacht! Dann dort unten im lieben Er¬
furt, wie manches gute Abenteuer erlebt! Auch in
Gotha war ich in frühester Zeit oft und gerne; doch
seit langen Jahren so gut wie gar nicht."

Seit ich in Weimar bin, bemerkte ich, erinnere ich
mich nicht, daß Sie dort waren.

"Das hat so seine Bewandniß, erwiederte Goethe
lachend. Ich bin dort nicht zum Besten angeschrieben.
Ich will Ihnen davon eine Geschichte erzählen. Als
die Mutter des jetzt regierenden Herrn noch in hübscher

goldenen Schale, die Goethe, in einem gelben Leder¬
futteral, bei ſolchen Ausflügen gewöhnlich bei ſich führt.

„Ich war ſehr oft an dieſer Stelle, ſagte er, und
dachte in ſpäteren Jahren ſehr oft, es würde das letzte¬
mal ſeyn, daß ich von hier aus die Reiche der Welt
und ihre Herrlichkeiten überblickte. Allein es hält immer
noch einmal zuſammen und ich hoffe, daß es auch
heute nicht das letztemal iſt, daß wir Beide uns
hier einen guten Tag machen. Wir wollen künftig
öfter hieher kommen. Man verſchrumpft in dem engen
Hausweſen. Hier fühlt man ſich groß und frei, wie
die große Natur, die man vor Augen hat, und wie man
eigentlich immer ſeyn ſollte.“

„Ich überſehe von hier aus, fuhr Goethe fort, eine
Menge Punkte, an die ſich die reichſten Erinnerungen
eines langen Lebens knüpfen. Was habe ich nicht
drüben in den Bergen von Ilmenau in meiner Jugend
Alles durchgemacht! Dann dort unten im lieben Er¬
furt, wie manches gute Abenteuer erlebt! Auch in
Gotha war ich in früheſter Zeit oft und gerne; doch
ſeit langen Jahren ſo gut wie gar nicht.“

Seit ich in Weimar bin, bemerkte ich, erinnere ich
mich nicht, daß Sie dort waren.

„Das hat ſo ſeine Bewandniß, erwiederte Goethe
lachend. Ich bin dort nicht zum Beſten angeſchrieben.
Ich will Ihnen davon eine Geſchichte erzählen. Als
die Mutter des jetzt regierenden Herrn noch in hübſcher

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="3">
        <div n="4">
          <p><pb facs="#f0210" n="188"/>
goldenen Schale, die Goethe, in einem gelben Leder¬<lb/>
futteral, bei &#x017F;olchen Ausflügen gewöhnlich bei &#x017F;ich führt.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Ich war &#x017F;ehr oft an die&#x017F;er Stelle, &#x017F;agte er, und<lb/>
dachte in &#x017F;päteren Jahren &#x017F;ehr oft, es würde das letzte¬<lb/>
mal &#x017F;eyn, daß ich von hier aus die Reiche der Welt<lb/>
und ihre Herrlichkeiten überblickte. Allein es hält immer<lb/>
noch einmal zu&#x017F;ammen und ich hoffe, daß es auch<lb/>
heute nicht das letztemal i&#x017F;t, daß wir Beide uns<lb/>
hier einen guten Tag machen. Wir wollen künftig<lb/>
öfter hieher kommen. Man ver&#x017F;chrumpft in dem engen<lb/>
Hauswe&#x017F;en. Hier fühlt man &#x017F;ich groß und frei, wie<lb/>
die große Natur, die man vor Augen hat, und wie man<lb/>
eigentlich immer &#x017F;eyn &#x017F;ollte.&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Ich über&#x017F;ehe von hier aus, fuhr Goethe fort, eine<lb/>
Menge Punkte, an die &#x017F;ich die reich&#x017F;ten Erinnerungen<lb/>
eines langen Lebens knüpfen. Was habe ich nicht<lb/>
drüben in den Bergen von Ilmenau in meiner Jugend<lb/>
Alles durchgemacht! Dann dort unten im lieben Er¬<lb/>
furt, wie manches gute Abenteuer erlebt! Auch in<lb/>
Gotha war ich in frühe&#x017F;ter Zeit oft und gerne; doch<lb/>
&#x017F;eit langen Jahren &#x017F;o gut wie gar nicht.&#x201C;</p><lb/>
          <p>Seit ich in Weimar bin, bemerkte ich, erinnere ich<lb/>
mich nicht, daß Sie dort waren.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Das hat &#x017F;o &#x017F;eine Bewandniß, erwiederte Goethe<lb/>
lachend. Ich bin dort nicht zum Be&#x017F;ten ange&#x017F;chrieben.<lb/>
Ich will Ihnen davon eine Ge&#x017F;chichte erzählen. Als<lb/>
die Mutter des jetzt regierenden Herrn noch in hüb&#x017F;cher<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[188/0210] goldenen Schale, die Goethe, in einem gelben Leder¬ futteral, bei ſolchen Ausflügen gewöhnlich bei ſich führt. „Ich war ſehr oft an dieſer Stelle, ſagte er, und dachte in ſpäteren Jahren ſehr oft, es würde das letzte¬ mal ſeyn, daß ich von hier aus die Reiche der Welt und ihre Herrlichkeiten überblickte. Allein es hält immer noch einmal zuſammen und ich hoffe, daß es auch heute nicht das letztemal iſt, daß wir Beide uns hier einen guten Tag machen. Wir wollen künftig öfter hieher kommen. Man verſchrumpft in dem engen Hausweſen. Hier fühlt man ſich groß und frei, wie die große Natur, die man vor Augen hat, und wie man eigentlich immer ſeyn ſollte.“ „Ich überſehe von hier aus, fuhr Goethe fort, eine Menge Punkte, an die ſich die reichſten Erinnerungen eines langen Lebens knüpfen. Was habe ich nicht drüben in den Bergen von Ilmenau in meiner Jugend Alles durchgemacht! Dann dort unten im lieben Er¬ furt, wie manches gute Abenteuer erlebt! Auch in Gotha war ich in früheſter Zeit oft und gerne; doch ſeit langen Jahren ſo gut wie gar nicht.“ Seit ich in Weimar bin, bemerkte ich, erinnere ich mich nicht, daß Sie dort waren. „Das hat ſo ſeine Bewandniß, erwiederte Goethe lachend. Ich bin dort nicht zum Beſten angeſchrieben. Ich will Ihnen davon eine Geſchichte erzählen. Als die Mutter des jetzt regierenden Herrn noch in hübſcher

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe03_1848
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe03_1848/210
Zitationshilfe: Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe03_1848/210>, abgerufen am 24.11.2024.