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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848.

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Erinnerung jener Natureindrücke des Vierwaldstädter
See's entstanden seyn möchte.

"Ich will es nicht läugnen, sagte Goethe, daß diese
Anschauungen dort herrühren; ja ich hätte ohne die
frischen Eindrücke jener wundervollen Natur den In¬
halt der Terzinen gar nicht denken können. Das ist
aber auch Alles, was ich aus dem Golde meiner Tell-
Localitäten mir gemünzt habe. Das Uebrige ließ ich
Schillern, der denn auch davon, wie wir wissen, den
schönsten Gebrauch gemacht."

Das Gespräch wendete sich auf den Tasso, und
welche Idee Goethe darin zur Anschauung zu bringen
gesucht.

"Idee? sagte Goethe, -- daß ich nicht wüßte!
Ich hatte das Leben Tasso's, ich hatte mein eigenes
Leben, und indem ich zwei so wunderliche Figuren mit
ihren Eigenheiten zusammenwarf, entstand in mir das
Bild des Tasso, dem ich, als prosaischen Contrast,
den Antonio entgegenstellte, wozu es mir auch nicht
an Vorbildern fehlte. Die weiteren Hof-Lebens- und
Liebesverhältnisse waren übrigens in Weimar wie in
Ferrara, und ich kann mit Recht von meiner Darstellung
sagen: sie ist Bein von meinem Bein und
Fleisch von meinem Fleisch
."

"Die Deutschen sind übrigens wunderliche Leute! --
Sie machen sich durch ihre tiefen Gedanken und Ideen,
die sie überall suchen und überall hineinlegen, das

Erinnerung jener Natureindrücke des Vierwaldſtädter
See's entſtanden ſeyn möchte.

„Ich will es nicht läugnen, ſagte Goethe, daß dieſe
Anſchauungen dort herrühren; ja ich hätte ohne die
friſchen Eindrücke jener wundervollen Natur den In¬
halt der Terzinen gar nicht denken können. Das iſt
aber auch Alles, was ich aus dem Golde meiner Tell-
Localitäten mir gemünzt habe. Das Uebrige ließ ich
Schillern, der denn auch davon, wie wir wiſſen, den
ſchönſten Gebrauch gemacht.“

Das Geſpräch wendete ſich auf den Taſſo, und
welche Idee Goethe darin zur Anſchauung zu bringen
geſucht.

Idee? ſagte Goethe, — daß ich nicht wüßte!
Ich hatte das Leben Taſſo's, ich hatte mein eigenes
Leben, und indem ich zwei ſo wunderliche Figuren mit
ihren Eigenheiten zuſammenwarf, entſtand in mir das
Bild des Taſſo, dem ich, als proſaiſchen Contraſt,
den Antonio entgegenſtellte, wozu es mir auch nicht
an Vorbildern fehlte. Die weiteren Hof-Lebens- und
Liebesverhältniſſe waren übrigens in Weimar wie in
Ferrara, und ich kann mit Recht von meiner Darſtellung
ſagen: ſie iſt Bein von meinem Bein und
Fleiſch von meinem Fleiſch
.“

„Die Deutſchen ſind übrigens wunderliche Leute! —
Sie machen ſich durch ihre tiefen Gedanken und Ideen,
die ſie überall ſuchen und überall hineinlegen, das

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[171/0193] Erinnerung jener Natureindrücke des Vierwaldſtädter See's entſtanden ſeyn möchte. „Ich will es nicht läugnen, ſagte Goethe, daß dieſe Anſchauungen dort herrühren; ja ich hätte ohne die friſchen Eindrücke jener wundervollen Natur den In¬ halt der Terzinen gar nicht denken können. Das iſt aber auch Alles, was ich aus dem Golde meiner Tell- Localitäten mir gemünzt habe. Das Uebrige ließ ich Schillern, der denn auch davon, wie wir wiſſen, den ſchönſten Gebrauch gemacht.“ Das Geſpräch wendete ſich auf den Taſſo, und welche Idee Goethe darin zur Anſchauung zu bringen geſucht. „Idee? ſagte Goethe, — daß ich nicht wüßte! Ich hatte das Leben Taſſo's, ich hatte mein eigenes Leben, und indem ich zwei ſo wunderliche Figuren mit ihren Eigenheiten zuſammenwarf, entſtand in mir das Bild des Taſſo, dem ich, als proſaiſchen Contraſt, den Antonio entgegenſtellte, wozu es mir auch nicht an Vorbildern fehlte. Die weiteren Hof-Lebens- und Liebesverhältniſſe waren übrigens in Weimar wie in Ferrara, und ich kann mit Recht von meiner Darſtellung ſagen: ſie iſt Bein von meinem Bein und Fleiſch von meinem Fleiſch.“ „Die Deutſchen ſind übrigens wunderliche Leute! — Sie machen ſich durch ihre tiefen Gedanken und Ideen, die ſie überall ſuchen und überall hineinlegen, das

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Zitationshilfe: Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe03_1848/193>, abgerufen am 23.11.2024.