offenbaret, welches sodann durch die Schönheit seiner Erscheinung die Liebe der Menschen ergriff und zur Verehrung und Nacheiferung gewaltig fortzog."
"Der Werth des Sittlich-Schönen und Guten aber konnte durch Erfahrung und Weisheit zum Bewußtseyn gelangen, indem das Schlechte sich in seinen Folgen als ein Solches erwies, welches das Glück des Einzelnen wie des Ganzen zerstörte, dagegen das Edle und Rechte als ein Solches, welches das besondere und allgemeine Glück herbeiführte und befestigte. So konnte das Sitt¬ lich-Schöne zur Lehre werden und sich als ein Ausge¬ sprochenes über ganze Völkerschaften verbreiten."
Ich las neulich irgendwo die Meinung ausgesprochen, versetzte ich, die griechische Tragödie habe sich die Schön¬ heit des Sittlichen zum besondern Gegenstand gemacht.
"Nicht sowohl das Sittliche, erwiederte Goethe, als das Rein-Menschliche in seinem ganzen Umfange; be¬ sonders aber in den Richtungen, wo es, mit einer rohen Macht und Satzung in Conflict gerathend, tragi¬ scher Natur werden konnte. In dieser Region lag denn freilich auch das Sittliche, als ein Haupt-Theil der menschlichen Natur."
"Das Sittliche der Antigone ist übrigens nicht von Sophokles erfunden, sondern es lag im Süjet, welches aber Sophokles um so lieber wählen mochte, als es neben der sittlichen Schönheit so viel Dramatisch-Wirk¬ sames in sich hatte."
offenbaret, welches ſodann durch die Schönheit ſeiner Erſcheinung die Liebe der Menſchen ergriff und zur Verehrung und Nacheiferung gewaltig fortzog.“
„Der Werth des Sittlich-Schönen und Guten aber konnte durch Erfahrung und Weisheit zum Bewußtſeyn gelangen, indem das Schlechte ſich in ſeinen Folgen als ein Solches erwies, welches das Glück des Einzelnen wie des Ganzen zerſtörte, dagegen das Edle und Rechte als ein Solches, welches das beſondere und allgemeine Glück herbeiführte und befeſtigte. So konnte das Sitt¬ lich-Schöne zur Lehre werden und ſich als ein Ausge¬ ſprochenes über ganze Völkerſchaften verbreiten.“
Ich las neulich irgendwo die Meinung ausgeſprochen, verſetzte ich, die griechiſche Tragödie habe ſich die Schön¬ heit des Sittlichen zum beſondern Gegenſtand gemacht.
„Nicht ſowohl das Sittliche, erwiederte Goethe, als das Rein-Menſchliche in ſeinem ganzen Umfange; be¬ ſonders aber in den Richtungen, wo es, mit einer rohen Macht und Satzung in Conflict gerathend, tragi¬ ſcher Natur werden konnte. In dieſer Region lag denn freilich auch das Sittliche, als ein Haupt-Theil der menſchlichen Natur.“
„Das Sittliche der Antigone iſt übrigens nicht von Sophokles erfunden, ſondern es lag im Süjet, welches aber Sophokles um ſo lieber wählen mochte, als es neben der ſittlichen Schönheit ſo viel Dramatiſch-Wirk¬ ſames in ſich hatte.“
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offenbaret, welches ſodann durch die Schönheit ſeiner
Erſcheinung die Liebe der Menſchen ergriff und zur
Verehrung und Nacheiferung gewaltig fortzog.“
„Der Werth des Sittlich-Schönen und Guten aber
konnte durch Erfahrung und Weisheit zum Bewußtſeyn
gelangen, indem das Schlechte ſich in ſeinen Folgen als
ein Solches erwies, welches das Glück des Einzelnen
wie des Ganzen zerſtörte, dagegen das Edle und Rechte
als ein Solches, welches das beſondere und allgemeine
Glück herbeiführte und befeſtigte. So konnte das Sitt¬
lich-Schöne zur Lehre werden und ſich als ein Ausge¬
ſprochenes über ganze Völkerſchaften verbreiten.“
Ich las neulich irgendwo die Meinung ausgeſprochen,
verſetzte ich, die griechiſche Tragödie habe ſich die Schön¬
heit des Sittlichen zum beſondern Gegenſtand gemacht.
„Nicht ſowohl das Sittliche, erwiederte Goethe, als
das Rein-Menſchliche in ſeinem ganzen Umfange; be¬
ſonders aber in den Richtungen, wo es, mit einer
rohen Macht und Satzung in Conflict gerathend, tragi¬
ſcher Natur werden konnte. In dieſer Region lag
denn freilich auch das Sittliche, als ein Haupt-Theil
der menſchlichen Natur.“
„Das Sittliche der Antigone iſt übrigens nicht von
Sophokles erfunden, ſondern es lag im Süjet, welches
aber Sophokles um ſo lieber wählen mochte, als es
neben der ſittlichen Schönheit ſo viel Dramatiſch-Wirk¬
ſames in ſich hatte.“
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe03_1848/164>, abgerufen am 25.11.2024.
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