habe ich so viel wie gar nichts verstanden. Was sagen Sie z. B. zu diesem, welches nahe am Ende steht:"
""Diese Wirklichkeit (nämlich des Volkslebens) ist als die wahre Bedeutung derselben deßhalb auch allein nur ihre wahrhafte Wirklichkeit, die zugleich als sich selber die Wahrheit und Gewißheit, darum die allgemein geistige Gewißheit ausmacht, welche Gewißheit zugleich die versöhnende Gewißheit des Chors ist, so daß allein in dieser Gewißheit, die sich als das Resultat der ge¬ sammten Bewegung der tragischen Handlung erwiesen, der Chor erst wahrhaft dem allgemeinen Volksbewußt¬ seyn gemäß sich verhält, und als solcher nicht bloß das Volk mehr vorstellt, sondern selbst an und für sich das¬ selbe seiner Gewißheit nach ist.""
"Ich dächte wir hätten genug! -- Was sollen erst die Engländer und Franzosen von der Sprache unserer Philosophen denken, wenn wir Deutschen sie selber nicht verstehen."
Und trotz alle dem, sagte ich, sind wir darüber einig, daß dem Buch ein edles Wollen zu Grunde liege und daß es die Eigenschaft habe, Gedanken zu erregen.
"Seine Idee von Familie und Staat, sagte Goethe, und daraus hervorgehen könnenden tragischen Conflicten ist allerdings gut und fruchtbar; doch kann ich nicht zugeben, daß sie für die tragische Kunst die beste, oder gar die einzig richtige sey."
"Freilich leben wir Alle in Familien und im Staat
habe ich ſo viel wie gar nichts verſtanden. Was ſagen Sie z. B. zu dieſem, welches nahe am Ende ſteht:“
„„Dieſe Wirklichkeit (nämlich des Volkslebens) iſt als die wahre Bedeutung derſelben deßhalb auch allein nur ihre wahrhafte Wirklichkeit, die zugleich als ſich ſelber die Wahrheit und Gewißheit, darum die allgemein geiſtige Gewißheit ausmacht, welche Gewißheit zugleich die verſöhnende Gewißheit des Chors iſt, ſo daß allein in dieſer Gewißheit, die ſich als das Reſultat der ge¬ ſammten Bewegung der tragiſchen Handlung erwieſen, der Chor erſt wahrhaft dem allgemeinen Volksbewußt¬ ſeyn gemäß ſich verhält, und als ſolcher nicht bloß das Volk mehr vorſtellt, ſondern ſelbſt an und für ſich daſ¬ ſelbe ſeiner Gewißheit nach iſt.““
„Ich dächte wir hätten genug! — Was ſollen erſt die Engländer und Franzoſen von der Sprache unſerer Philoſophen denken, wenn wir Deutſchen ſie ſelber nicht verſtehen.“
Und trotz alle dem, ſagte ich, ſind wir darüber einig, daß dem Buch ein edles Wollen zu Grunde liege und daß es die Eigenſchaft habe, Gedanken zu erregen.
„Seine Idee von Familie und Staat, ſagte Goethe, und daraus hervorgehen könnenden tragiſchen Conflicten iſt allerdings gut und fruchtbar; doch kann ich nicht zugeben, daß ſie für die tragiſche Kunſt die beſte, oder gar die einzig richtige ſey.“
„Freilich leben wir Alle in Familien und im Staat
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habe ich ſo viel wie gar nichts verſtanden. Was ſagen
Sie z. B. zu dieſem, welches nahe am Ende ſteht:“
„„Dieſe Wirklichkeit (nämlich des Volkslebens) iſt
als die wahre Bedeutung derſelben deßhalb auch allein
nur ihre wahrhafte Wirklichkeit, die zugleich als ſich
ſelber die Wahrheit und Gewißheit, darum die allgemein
geiſtige Gewißheit ausmacht, welche Gewißheit zugleich
die verſöhnende Gewißheit des Chors iſt, ſo daß allein
in dieſer Gewißheit, die ſich als das Reſultat der ge¬
ſammten Bewegung der tragiſchen Handlung erwieſen,
der Chor erſt wahrhaft dem allgemeinen Volksbewußt¬
ſeyn gemäß ſich verhält, und als ſolcher nicht bloß das
Volk mehr vorſtellt, ſondern ſelbſt an und für ſich daſ¬
ſelbe ſeiner Gewißheit nach iſt.““
„Ich dächte wir hätten genug! — Was ſollen erſt
die Engländer und Franzoſen von der Sprache unſerer
Philoſophen denken, wenn wir Deutſchen ſie ſelber
nicht verſtehen.“
Und trotz alle dem, ſagte ich, ſind wir darüber einig,
daß dem Buch ein edles Wollen zu Grunde liege und
daß es die Eigenſchaft habe, Gedanken zu erregen.
„Seine Idee von Familie und Staat, ſagte Goethe,
und daraus hervorgehen könnenden tragiſchen Conflicten
iſt allerdings gut und fruchtbar; doch kann ich nicht
zugeben, daß ſie für die tragiſche Kunſt die beſte, oder
gar die einzig richtige ſey.“
„Freilich leben wir Alle in Familien und im Staat
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe03_1848/146>, abgerufen am 24.11.2024.
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