Und auch diese sind durch die Zeit so angebräunt, daß man nicht recht sehen kann, was es ist. Auf den ersten Anblick sieht es aus wie junge Eiche, und dann wieder wie Nußbaum. Ich denke es ist Nußbaum, oder ein Holz, das dem ähnlich. Ahorn oder Masholder ist es nicht. Es ist ein Holz von grober Faser, auch sehe ich Merkmale, daß es geschlachtet worden.
"Wie wäre es, sagte Goethe, wenn Sie ihn einmal probirten! Hier haben Sie auch einen Pfeil. Doch hüten Sie sich vor der eisernen Spitze! sie könnte vergiftet seyn."
Wir gingen wieder in den Garten und ich spannte den Bogen. "Nun wohin?" sagte Goethe. Ich dächte, erst einmal in die Luft, erwiederte ich. "Nur zu!" sagte Goethe. Ich schoß hoch gegen die sonnigen Wol¬ ken in blauer Luft. Der Pfeil hielt sich gut, dann bog er sich und sauste wieder herab und fuhr in die Erde. "Nun lassen Sie mich einmal", sagte Goethe. Ich war glücklich, daß er auch schießen wollte. Ich gab ihm den Bogen und holte den Pfeil. Goethe schob die Kerbe des Pfeiles in die Senne, auch faßte er den Bogen richtig, doch dauerte es ein Weilchen, bis er damit zurechte kam. Nun zielte er nach oben und zog die Senne. Er stand da, wie der Apoll, mit unverwüstlicher innerer Jugend, doch alt an Körper. Der Pfeil erreichte nur eine sehr mäßige Höhe und senkte sich wieder zur Erde. Ich lief und holte den
Und auch dieſe ſind durch die Zeit ſo angebräunt, daß man nicht recht ſehen kann, was es iſt. Auf den erſten Anblick ſieht es aus wie junge Eiche, und dann wieder wie Nußbaum. Ich denke es iſt Nußbaum, oder ein Holz, das dem ähnlich. Ahorn oder Masholder iſt es nicht. Es iſt ein Holz von grober Faſer, auch ſehe ich Merkmale, daß es geſchlachtet worden.
„Wie wäre es, ſagte Goethe, wenn Sie ihn einmal probirten! Hier haben Sie auch einen Pfeil. Doch hüten Sie ſich vor der eiſernen Spitze! ſie könnte vergiftet ſeyn.“
Wir gingen wieder in den Garten und ich ſpannte den Bogen. „Nun wohin?“ ſagte Goethe. Ich dächte, erſt einmal in die Luft, erwiederte ich. „Nur zu!“ ſagte Goethe. Ich ſchoß hoch gegen die ſonnigen Wol¬ ken in blauer Luft. Der Pfeil hielt ſich gut, dann bog er ſich und ſauſte wieder herab und fuhr in die Erde. „Nun laſſen Sie mich einmal“, ſagte Goethe. Ich war glücklich, daß er auch ſchießen wollte. Ich gab ihm den Bogen und holte den Pfeil. Goethe ſchob die Kerbe des Pfeiles in die Senne, auch faßte er den Bogen richtig, doch dauerte es ein Weilchen, bis er damit zurechte kam. Nun zielte er nach oben und zog die Senne. Er ſtand da, wie der Apoll, mit unverwüſtlicher innerer Jugend, doch alt an Körper. Der Pfeil erreichte nur eine ſehr mäßige Höhe und ſenkte ſich wieder zur Erde. Ich lief und holte den
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Und auch dieſe ſind durch die Zeit ſo angebräunt, daß
man nicht recht ſehen kann, was es iſt. Auf den erſten
Anblick ſieht es aus wie junge Eiche, und dann wieder
wie Nußbaum. Ich denke es iſt Nußbaum, oder ein
Holz, das dem ähnlich. Ahorn oder Masholder iſt es
nicht. Es iſt ein Holz von grober Faſer, auch ſehe
ich Merkmale, daß es geſchlachtet worden.
„Wie wäre es, ſagte Goethe, wenn Sie ihn einmal
probirten! Hier haben Sie auch einen Pfeil. Doch
hüten Sie ſich vor der eiſernen Spitze! ſie könnte
vergiftet ſeyn.“
Wir gingen wieder in den Garten und ich ſpannte
den Bogen. „Nun wohin?“ ſagte Goethe. Ich dächte,
erſt einmal in die Luft, erwiederte ich. „Nur zu!“
ſagte Goethe. Ich ſchoß hoch gegen die ſonnigen Wol¬
ken in blauer Luft. Der Pfeil hielt ſich gut, dann
bog er ſich und ſauſte wieder herab und fuhr in die
Erde. „Nun laſſen Sie mich einmal“, ſagte Goethe.
Ich war glücklich, daß er auch ſchießen wollte. Ich
gab ihm den Bogen und holte den Pfeil. Goethe
ſchob die Kerbe des Pfeiles in die Senne, auch faßte
er den Bogen richtig, doch dauerte es ein Weilchen,
bis er damit zurechte kam. Nun zielte er nach oben
und zog die Senne. Er ſtand da, wie der Apoll, mit
unverwüſtlicher innerer Jugend, doch alt an Körper.
Der Pfeil erreichte nur eine ſehr mäßige Höhe und
ſenkte ſich wieder zur Erde. Ich lief und holte den
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe03_1848/130>, abgerufen am 24.11.2024.
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