Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836.Montag, den 23. März 1829. "Ich habe unter meinen Papieren ein Blatt gefun¬ "Prächtige Gebäude und Zimmer sind für Fürsten "Meiner Natur ist es ganz zuwider. Ich bin in Wir sprachen von Schillers Briefen und dem Leben, "Sie haben Recht, sagte Goethe, er war so, wie Montag, den 23. Maͤrz 1829. „Ich habe unter meinen Papieren ein Blatt gefun¬ „Praͤchtige Gebaͤude und Zimmer ſind fuͤr Fuͤrſten „Meiner Natur iſt es ganz zuwider. Ich bin in Wir ſprachen von Schillers Briefen und dem Leben, „Sie haben Recht, ſagte Goethe, er war ſo, wie <TEI> <text> <body> <div n="3"> <div n="4"> <pb facs="#f0098" n="88"/> </div> <div n="4"> <dateline rendition="#right">Montag, den 23. Maͤrz 1829.<lb/></dateline> <p>„Ich habe unter meinen Papieren ein Blatt gefun¬<lb/> den, ſagte Goethe heute, wo ich die Baukunſt eine er¬<lb/> ſtarrte Muſik nenne. Und wirklich, es hat etwas; die<lb/> Stimmung, die von der Baukunſt ausgeht, kommt dem<lb/> Effect der Muſik nahe.“</p><lb/> <p>„Praͤchtige Gebaͤude und Zimmer ſind fuͤr Fuͤrſten<lb/> und Reiche. Wenn man darin lebt, fuͤhlt man ſich be¬<lb/> ruhigt, man iſt zufrieden und will nichts weiter.“</p><lb/> <p>„Meiner Natur iſt es ganz zuwider. Ich bin in<lb/> einer praͤchtigen Wohnung, wie ich ſie in Carlsbad ge¬<lb/> habt, ſogleich faul und unthaͤtig. Geringe Wohnung<lb/> dagegen, wie dieſes ſchlechte Zimmer worin wir ſind,<lb/> ein wenig unordentlich ordentlich, ein wenig zigeuner¬<lb/> haft, iſt fuͤr mich das Rechte; es laͤßt meiner inneren<lb/> Naur volle Freyheit thaͤtig zu ſeyn und aus mir<lb/> ſelber zu ſchaffen.“</p><lb/> <p>Wir ſprachen von Schillers Briefen und dem Leben,<lb/> das ſie mit einander gefuͤhrt, und wie ſie ſich taͤglich<lb/> zu gegenſeitigen Arbeiten gehetzt und getrieben. Auch<lb/> an dem Fauſt, ſagte ich, ſchien Schiller ein großes<lb/> Intereſſe zu nehmen; es iſt huͤbſch wie er Sie treibt,<lb/> und ſehr liebenswuͤrdig wie er ſich durch ſeine Idee verlei¬<lb/> ten laͤßt, ſelber am Fauſt fortzuerfinden. Ich habe dabey<lb/> bemerkt, daß etwas Voreilendes in ſeiner Natur lag.</p><lb/> <p>„Sie haben Recht, ſagte Goethe, er war ſo, wie<lb/> alle Menſchen, die zu ſehr von der Idee ausgehen.<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [88/0098]
Montag, den 23. Maͤrz 1829.
„Ich habe unter meinen Papieren ein Blatt gefun¬
den, ſagte Goethe heute, wo ich die Baukunſt eine er¬
ſtarrte Muſik nenne. Und wirklich, es hat etwas; die
Stimmung, die von der Baukunſt ausgeht, kommt dem
Effect der Muſik nahe.“
„Praͤchtige Gebaͤude und Zimmer ſind fuͤr Fuͤrſten
und Reiche. Wenn man darin lebt, fuͤhlt man ſich be¬
ruhigt, man iſt zufrieden und will nichts weiter.“
„Meiner Natur iſt es ganz zuwider. Ich bin in
einer praͤchtigen Wohnung, wie ich ſie in Carlsbad ge¬
habt, ſogleich faul und unthaͤtig. Geringe Wohnung
dagegen, wie dieſes ſchlechte Zimmer worin wir ſind,
ein wenig unordentlich ordentlich, ein wenig zigeuner¬
haft, iſt fuͤr mich das Rechte; es laͤßt meiner inneren
Naur volle Freyheit thaͤtig zu ſeyn und aus mir
ſelber zu ſchaffen.“
Wir ſprachen von Schillers Briefen und dem Leben,
das ſie mit einander gefuͤhrt, und wie ſie ſich taͤglich
zu gegenſeitigen Arbeiten gehetzt und getrieben. Auch
an dem Fauſt, ſagte ich, ſchien Schiller ein großes
Intereſſe zu nehmen; es iſt huͤbſch wie er Sie treibt,
und ſehr liebenswuͤrdig wie er ſich durch ſeine Idee verlei¬
ten laͤßt, ſelber am Fauſt fortzuerfinden. Ich habe dabey
bemerkt, daß etwas Voreilendes in ſeiner Natur lag.
„Sie haben Recht, ſagte Goethe, er war ſo, wie
alle Menſchen, die zu ſehr von der Idee ausgehen.
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