ganz für den gegebenen Fall passend, genug, von der besten Sorte." Ich bin sehr begierig, es zu lesen sagte ich. "Ich zweifle, sagte Goethe, daß es in Ihrer Sammlung steht, es ist erst kürzlich zum Vor¬ schein gekommen, wie er denn solche Gedichte zu Hun¬ derten gemacht hat, von denen noch manche hie und dort im Privatbesitz verborgen seyn mögen."
Ich fand dieser Tage eine Stelle in Lord Byron, sagte ich, woraus zu meiner Freude hervorging, welche außerordentliche Achtung auch Byron vor Voltaire ge¬ habt. Auch sieht man es ihm wohl an, wie sehr er Voltaire mag gelesen, studirt und benutzt haben.
"Byron, sagte Goethe, wußte zu gut wo etwas zu holen war, und er war zu gescheidt, als daß er aus dieser allgemeinen Quelle des Lichts nicht auch hätte schöpfen sollen."
Das Gespräch wendete sich hiernächst ganz auf By¬ ron und einzelne seiner Werke; wobey Goethe häufigen Anlaß fand, manche seiner früheren Äußerungen von Anerkennung und Bewunderung jenes großen Talentes zu wiederholen.
In alles was Euer Excellenz über Byron sagen, erwiederte ich, stimme ich von Herzen bey; allein wie bedeutend und groß jener Dichter als Talent auch seyn mag, so möchte ich doch sehr zweifeln, daß aus seinen Schriften für reine Menschenbildung ein entschie¬ dener Gewinn zu schöpfen.
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ganz fuͤr den gegebenen Fall paſſend, genug, von der beſten Sorte.“ Ich bin ſehr begierig, es zu leſen ſagte ich. „Ich zweifle, ſagte Goethe, daß es in Ihrer Sammlung ſteht, es iſt erſt kuͤrzlich zum Vor¬ ſchein gekommen, wie er denn ſolche Gedichte zu Hun¬ derten gemacht hat, von denen noch manche hie und dort im Privatbeſitz verborgen ſeyn moͤgen.“
Ich fand dieſer Tage eine Stelle in Lord Byron, ſagte ich, woraus zu meiner Freude hervorging, welche außerordentliche Achtung auch Byron vor Voltaire ge¬ habt. Auch ſieht man es ihm wohl an, wie ſehr er Voltaire mag geleſen, ſtudirt und benutzt haben.
„Byron, ſagte Goethe, wußte zu gut wo etwas zu holen war, und er war zu geſcheidt, als daß er aus dieſer allgemeinen Quelle des Lichts nicht auch haͤtte ſchoͤpfen ſollen.“
Das Geſpraͤch wendete ſich hiernaͤchſt ganz auf By¬ ron und einzelne ſeiner Werke; wobey Goethe haͤufigen Anlaß fand, manche ſeiner fruͤheren Äußerungen von Anerkennung und Bewunderung jenes großen Talentes zu wiederholen.
In alles was Euer Excellenz uͤber Byron ſagen, erwiederte ich, ſtimme ich von Herzen bey; allein wie bedeutend und groß jener Dichter als Talent auch ſeyn mag, ſo moͤchte ich doch ſehr zweifeln, daß aus ſeinen Schriften fuͤr reine Menſchenbildung ein entſchie¬ dener Gewinn zu ſchoͤpfen.
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ganz fuͤr den gegebenen Fall paſſend, genug, von der
beſten Sorte.“ Ich bin ſehr begierig, es zu leſen
ſagte ich. „Ich zweifle, ſagte Goethe, daß es in
Ihrer Sammlung ſteht, es iſt erſt kuͤrzlich zum Vor¬
ſchein gekommen, wie er denn ſolche Gedichte zu Hun¬
derten gemacht hat, von denen noch manche hie und
dort im Privatbeſitz verborgen ſeyn moͤgen.“
Ich fand dieſer Tage eine Stelle in Lord Byron,
ſagte ich, woraus zu meiner Freude hervorging, welche
außerordentliche Achtung auch Byron vor Voltaire ge¬
habt. Auch ſieht man es ihm wohl an, wie ſehr er
Voltaire mag geleſen, ſtudirt und benutzt haben.
„Byron, ſagte Goethe, wußte zu gut wo etwas
zu holen war, und er war zu geſcheidt, als daß er aus
dieſer allgemeinen Quelle des Lichts nicht auch haͤtte
ſchoͤpfen ſollen.“
Das Geſpraͤch wendete ſich hiernaͤchſt ganz auf By¬
ron und einzelne ſeiner Werke; wobey Goethe haͤufigen
Anlaß fand, manche ſeiner fruͤheren Äußerungen von
Anerkennung und Bewunderung jenes großen Talentes
zu wiederholen.
In alles was Euer Excellenz uͤber Byron ſagen,
erwiederte ich, ſtimme ich von Herzen bey; allein wie
bedeutend und groß jener Dichter als Talent auch ſeyn
mag, ſo moͤchte ich doch ſehr zweifeln, daß aus ſeinen
Schriften fuͤr reine Menſchenbildung ein entſchie¬
dener Gewinn zu ſchoͤpfen.
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836/61>, abgerufen am 23.11.2024.
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