Es ist in dieser Figur, wie im ganzen Stück, eine Deutlichkeit, eine Gegenwart, wie sie das Theater nur wünschen kann. Die Scene, wo er mit dem Felleisen kommt und nach einander die Sachen hervorbringt, wo er Märten den Schnurbart anklebt und sich selbst mit Freyheitsmütze, Uniform und Degen bekleidet, gehört zu den vorzüglichsten.
"Diese Scene, sagte Goethe, hat in früherer Zeit auf unserm Theater immer viel Glück gemacht. Es kam dazu noch der Umstand, daß das Felleisen mit den Sachen ein wirklich historisches war. Ich fand es nämlich zur Zeit der Revolution auf meiner Reise an der französi¬ schen Grenze, wo die Flucht der Emigrirten durchge¬ gangen war, und wo es einer mochte verloren oder weggeworfen haben. Die Sachen, so wie sie im Stück vorkommen, waren alle darin; ich schrieb danach die Scene, und das Felleisen mit allem Zubehör spielte nachher, zu nicht geringem Vergnügen unserer Schau¬ spieler, immer mit, so oft das Stück gegeben wurde."
Die Frage, ob man den Bürgergeneral noch jetzt mit Interesse und Nutzen sehen könne, machte noch eine Weile den Gegenstand unserer Unterhaltung.
Goethe erkundigte sich sodann nach meinen Fort¬ schritten in der französischen Literatur, und ich erzählte ihm, daß ich mich abwechselnd noch immer mit Vol¬ taire beschäftige, und daß das große Talent dieses Mannes mir das reinste Glück gewähre. Ich kenne
Es iſt in dieſer Figur, wie im ganzen Stuͤck, eine Deutlichkeit, eine Gegenwart, wie ſie das Theater nur wuͤnſchen kann. Die Scene, wo er mit dem Felleiſen kommt und nach einander die Sachen hervorbringt, wo er Maͤrten den Schnurbart anklebt und ſich ſelbſt mit Freyheitsmuͤtze, Uniform und Degen bekleidet, gehoͤrt zu den vorzuͤglichſten.
„Dieſe Scene, ſagte Goethe, hat in fruͤherer Zeit auf unſerm Theater immer viel Gluͤck gemacht. Es kam dazu noch der Umſtand, daß das Felleiſen mit den Sachen ein wirklich hiſtoriſches war. Ich fand es naͤmlich zur Zeit der Revolution auf meiner Reiſe an der franzoͤſi¬ ſchen Grenze, wo die Flucht der Emigrirten durchge¬ gangen war, und wo es einer mochte verloren oder weggeworfen haben. Die Sachen, ſo wie ſie im Stuͤck vorkommen, waren alle darin; ich ſchrieb danach die Scene, und das Felleiſen mit allem Zubehoͤr ſpielte nachher, zu nicht geringem Vergnuͤgen unſerer Schau¬ ſpieler, immer mit, ſo oft das Stuͤck gegeben wurde.“
Die Frage, ob man den Buͤrgergeneral noch jetzt mit Intereſſe und Nutzen ſehen koͤnne, machte noch eine Weile den Gegenſtand unſerer Unterhaltung.
Goethe erkundigte ſich ſodann nach meinen Fort¬ ſchritten in der franzoͤſiſchen Literatur, und ich erzaͤhlte ihm, daß ich mich abwechſelnd noch immer mit Vol¬ taire beſchaͤftige, und daß das große Talent dieſes Mannes mir das reinſte Gluͤck gewaͤhre. Ich kenne
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Es iſt in dieſer Figur, wie im ganzen Stuͤck, eine
Deutlichkeit, eine Gegenwart, wie ſie das Theater nur
wuͤnſchen kann. Die Scene, wo er mit dem Felleiſen
kommt und nach einander die Sachen hervorbringt, wo
er Maͤrten den Schnurbart anklebt und ſich ſelbſt mit
Freyheitsmuͤtze, Uniform und Degen bekleidet, gehoͤrt zu
den vorzuͤglichſten.
„Dieſe Scene, ſagte Goethe, hat in fruͤherer Zeit
auf unſerm Theater immer viel Gluͤck gemacht. Es kam
dazu noch der Umſtand, daß das Felleiſen mit den Sachen
ein wirklich hiſtoriſches war. Ich fand es naͤmlich zur
Zeit der Revolution auf meiner Reiſe an der franzoͤſi¬
ſchen Grenze, wo die Flucht der Emigrirten durchge¬
gangen war, und wo es einer mochte verloren oder
weggeworfen haben. Die Sachen, ſo wie ſie im Stuͤck
vorkommen, waren alle darin; ich ſchrieb danach die
Scene, und das Felleiſen mit allem Zubehoͤr ſpielte
nachher, zu nicht geringem Vergnuͤgen unſerer Schau¬
ſpieler, immer mit, ſo oft das Stuͤck gegeben wurde.“
Die Frage, ob man den Buͤrgergeneral noch
jetzt mit Intereſſe und Nutzen ſehen koͤnne, machte noch
eine Weile den Gegenſtand unſerer Unterhaltung.
Goethe erkundigte ſich ſodann nach meinen Fort¬
ſchritten in der franzoͤſiſchen Literatur, und ich erzaͤhlte
ihm, daß ich mich abwechſelnd noch immer mit Vol¬
taire beſchaͤftige, und daß das große Talent dieſes
Mannes mir das reinſte Gluͤck gewaͤhre. Ich kenne
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836/58>, abgerufen am 23.11.2024.
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