wir sind, und wissen, wohin wir eine große Zahl unserer neuesten Literatoren zu classificiren haben."
Dienstag, den 16. December 1828.
Ich war heute mit Goethe in seiner Arbeitsstube allein zu Tisch; wir sprachen über verschiedene literari¬ sche Dinge.
"Die Deutschen, sagte er, können die Philisterey nicht loswerden. -- Da quängeln und streiten sie jetzt über verschiedene Distichen, die sich bey Schiller gedruckt finden und auch bey mir, und sie meinen, es wäre von Wichtigkeit, entschieden herauszubringen, welche denn wirklich Schillern gehören und welche mir. Als ob et¬ was darauf ankäme, als ob etwas damit gewonnen würde, und als ob es nicht genug wäre, daß die Sachen da sind!"
"Freunde wie Schiller und ich, Jahre lang verbun¬ den, mit gleichen Interessen, in täglicher Berührung und gegenseitigem Austausch, lebten sich in einander so sehr hinein, daß überhaupt bei einzelnen Gedanken gar nicht die Rede und Frage seyn konnte, ob sie dem Einen ge¬ hörten oder dem Andern. Wir haben viele Distichen ge¬ meinschaftlich gemacht, oft hatte ich den Gedanken und Schiller machte die Verse, oft war das Umgekehrte der
wir ſind, und wiſſen, wohin wir eine große Zahl unſerer neueſten Literatoren zu claſſificiren haben.“
Dienſtag, den 16. December 1828.
Ich war heute mit Goethe in ſeiner Arbeitsſtube allein zu Tiſch; wir ſprachen uͤber verſchiedene literari¬ ſche Dinge.
„Die Deutſchen, ſagte er, koͤnnen die Philiſterey nicht loswerden. — Da quaͤngeln und ſtreiten ſie jetzt uͤber verſchiedene Diſtichen, die ſich bey Schiller gedruckt finden und auch bey mir, und ſie meinen, es waͤre von Wichtigkeit, entſchieden herauszubringen, welche denn wirklich Schillern gehoͤren und welche mir. Als ob et¬ was darauf ankaͤme, als ob etwas damit gewonnen wuͤrde, und als ob es nicht genug waͤre, daß die Sachen da ſind!“
„Freunde wie Schiller und ich, Jahre lang verbun¬ den, mit gleichen Intereſſen, in taͤglicher Beruͤhrung und gegenſeitigem Austauſch, lebten ſich in einander ſo ſehr hinein, daß uͤberhaupt bei einzelnen Gedanken gar nicht die Rede und Frage ſeyn konnte, ob ſie dem Einen ge¬ hoͤrten oder dem Andern. Wir haben viele Diſtichen ge¬ meinſchaftlich gemacht, oft hatte ich den Gedanken und Schiller machte die Verſe, oft war das Umgekehrte der
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wir ſind, und wiſſen, wohin wir eine große Zahl unſerer
neueſten Literatoren zu claſſificiren haben.“
Dienſtag, den 16. December 1828.
Ich war heute mit Goethe in ſeiner Arbeitsſtube
allein zu Tiſch; wir ſprachen uͤber verſchiedene literari¬
ſche Dinge.
„Die Deutſchen, ſagte er, koͤnnen die Philiſterey
nicht loswerden. — Da quaͤngeln und ſtreiten ſie jetzt
uͤber verſchiedene Diſtichen, die ſich bey Schiller gedruckt
finden und auch bey mir, und ſie meinen, es waͤre von
Wichtigkeit, entſchieden herauszubringen, welche denn
wirklich Schillern gehoͤren und welche mir. Als ob et¬
was darauf ankaͤme, als ob etwas damit gewonnen
wuͤrde, und als ob es nicht genug waͤre, daß die Sachen
da ſind!“
„Freunde wie Schiller und ich, Jahre lang verbun¬
den, mit gleichen Intereſſen, in taͤglicher Beruͤhrung und
gegenſeitigem Austauſch, lebten ſich in einander ſo ſehr
hinein, daß uͤberhaupt bei einzelnen Gedanken gar nicht
die Rede und Frage ſeyn konnte, ob ſie dem Einen ge¬
hoͤrten oder dem Andern. Wir haben viele Diſtichen ge¬
meinſchaftlich gemacht, oft hatte ich den Gedanken und
Schiller machte die Verſe, oft war das Umgekehrte der
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836/52>, abgerufen am 25.11.2024.
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