dete mein geschärftes Auge nicht von ihm. Aber wie spielte er! wie war er sicher! wie war er fest! -- Es war mir unmöglich, ihm nur den Schein eines Ver¬ stoßes gegen die Regeln abzulisten, die ich ihm einge¬ pflanzt hatte, und ich konnte nicht umhin, ich mußte ihm wieder gut seyn.
Montag, den 20. October 1828.
Oberbergrath Noeggerath aus Bonn, von dem Verein der Naturforscher aus Berlin zurückkehrend, war heute an Goethe's Tisch ein sehr willkommener Gast. Über Mineralogie ward viel verhandelt; der werthe Fremde gab besonders gründliche Auskunft über die mi¬ neralogischen Vorkommen und Verhältnisse in der Nähe von Bonn.
Nach aufgehobener Tafel traten wir in das Zimmer mit der colossalen Büste der Juno. Goethe zeigte den Gästen einen langen Papierstreifen mit Contouren des Frieses vom Tempel zu Phigalia. Man betrachtete das Blatt und wollte bemerken, daß die Griechen, bey ihren Darstellungen von Thieren, sich weniger an die Na[tur] gehalten, als daß sie dabey nach einer gewissen Conve¬ nienz verfahren. Man wollte gefunden haben, daß sie in Darstellungen dieser Art hinter der Natur zurückge¬ blieben, und daß Widder, Opferstiere und Pferde, wie
dete mein geſchaͤrftes Auge nicht von ihm. Aber wie ſpielte er! wie war er ſicher! wie war er feſt! — Es war mir unmoͤglich, ihm nur den Schein eines Ver¬ ſtoßes gegen die Regeln abzuliſten, die ich ihm einge¬ pflanzt hatte, und ich konnte nicht umhin, ich mußte ihm wieder gut ſeyn.
Montag, den 20. October 1828.
Oberbergrath Noeggerath aus Bonn, von dem Verein der Naturforſcher aus Berlin zuruͤckkehrend, war heute an Goethe's Tiſch ein ſehr willkommener Gaſt. Über Mineralogie ward viel verhandelt; der werthe Fremde gab beſonders gruͤndliche Auskunft uͤber die mi¬ neralogiſchen Vorkommen und Verhaͤltniſſe in der Naͤhe von Bonn.
Nach aufgehobener Tafel traten wir in das Zimmer mit der coloſſalen Buͤſte der Juno. Goethe zeigte den Gaͤſten einen langen Papierſtreifen mit Contouren des Frieſes vom Tempel zu Phigalia. Man betrachtete das Blatt und wollte bemerken, daß die Griechen, bey ihren Darſtellungen von Thieren, ſich weniger an die Na[tur] gehalten, als daß ſie dabey nach einer gewiſſen Conve¬ nienz verfahren. Man wollte gefunden haben, daß ſie in Darſtellungen dieſer Art hinter der Natur zuruͤckge¬ blieben, und daß Widder, Opferſtiere und Pferde, wie
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dete mein geſchaͤrftes Auge nicht von ihm. Aber wie
ſpielte er! wie war er ſicher! wie war er feſt! — Es
war mir unmoͤglich, ihm nur den Schein eines Ver¬
ſtoßes gegen die Regeln abzuliſten, die ich ihm einge¬
pflanzt hatte, und ich konnte nicht umhin, ich mußte
ihm wieder gut ſeyn.
Montag, den 20. October 1828.
Oberbergrath Noeggerath aus Bonn, von dem
Verein der Naturforſcher aus Berlin zuruͤckkehrend, war
heute an Goethe's Tiſch ein ſehr willkommener Gaſt.
Über Mineralogie ward viel verhandelt; der werthe
Fremde gab beſonders gruͤndliche Auskunft uͤber die mi¬
neralogiſchen Vorkommen und Verhaͤltniſſe in der Naͤhe
von Bonn.
Nach aufgehobener Tafel traten wir in das Zimmer
mit der coloſſalen Buͤſte der Juno. Goethe zeigte den
Gaͤſten einen langen Papierſtreifen mit Contouren des
Frieſes vom Tempel zu Phigalia. Man betrachtete das
Blatt und wollte bemerken, daß die Griechen, bey ihren
Darſtellungen von Thieren, ſich weniger an die Natur
gehalten, als daß ſie dabey nach einer gewiſſen Conve¬
nienz verfahren. Man wollte gefunden haben, daß ſie
in Darſtellungen dieſer Art hinter der Natur zuruͤckge¬
blieben, und daß Widder, Opferſtiere und Pferde, wie
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836/48>, abgerufen am 24.11.2024.
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