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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836.

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Den noch fehlenden vierten Act vollendete Goethe
darauf in den nächsten Wochen, so daß im August der
ganze zweyte Theil geheftet und vollkommen fertig da¬
lag. Dieses Ziel, wonach er so lange gestrebt, endlich
erreicht zu haben, machte Goethe überaus glücklich.
"Mein ferneres Leben, sagte er, kann ich nunmehr als
ein reines Geschenk ansehen, und es ist jetzt im Grunde
ganz einerley, ob und was ich noch etwa thue."


Mit Goethe zu Tisch. Wir sprachen, woher es ge¬
kommen, daß seine Farbenlehre sich so wenig verbreitet
habe. "Sie ist sehr schwer zu überliefern, sagte er,
denn sie will, wie Sie wissen, nicht bloß gelesen und
studirt, sondern sie will gethan seyn, und das hat seine
Schwierigkeit. Die Gesetze der Poesie und Malerey
sind gleichfalls bis auf einen gewissen Grad mitzuthei¬
len, allein, um ein guter Poet und Maler zu seyn
bedarf es Genie, das sich nicht überliefern läßt. Ein
einfaches Urphänomen aufzunehmen, es in seiner hohen
Bedeutung zu erkennen und damit zu wirken, erfordert
einen productiven Geist, der Vieles zu übersehen ver¬
mag, und ist eine seltene Gabe, die sich nur bey ganz
vorzüglichen Naturen findet."

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Den noch fehlenden vierten Act vollendete Goethe
darauf in den naͤchſten Wochen, ſo daß im Auguſt der
ganze zweyte Theil geheftet und vollkommen fertig da¬
lag. Dieſes Ziel, wonach er ſo lange geſtrebt, endlich
erreicht zu haben, machte Goethe uͤberaus gluͤcklich.
„Mein ferneres Leben, ſagte er, kann ich nunmehr als
ein reines Geſchenk anſehen, und es iſt jetzt im Grunde
ganz einerley, ob und was ich noch etwa thue.“


Mit Goethe zu Tiſch. Wir ſprachen, woher es ge¬
kommen, daß ſeine Farbenlehre ſich ſo wenig verbreitet
habe. „Sie iſt ſehr ſchwer zu uͤberliefern, ſagte er,
denn ſie will, wie Sie wiſſen, nicht bloß geleſen und
ſtudirt, ſondern ſie will gethan ſeyn, und das hat ſeine
Schwierigkeit. Die Geſetze der Poeſie und Malerey
ſind gleichfalls bis auf einen gewiſſen Grad mitzuthei¬
len, allein, um ein guter Poet und Maler zu ſeyn
bedarf es Genie, das ſich nicht uͤberliefern laͤßt. Ein
einfaches Urphaͤnomen aufzunehmen, es in ſeiner hohen
Bedeutung zu erkennen und damit zu wirken, erfordert
einen productiven Geiſt, der Vieles zu uͤberſehen ver¬
mag, und iſt eine ſeltene Gabe, die ſich nur bey ganz
vorzuͤglichen Naturen findet.“

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[351/0361] Den noch fehlenden vierten Act vollendete Goethe darauf in den naͤchſten Wochen, ſo daß im Auguſt der ganze zweyte Theil geheftet und vollkommen fertig da¬ lag. Dieſes Ziel, wonach er ſo lange geſtrebt, endlich erreicht zu haben, machte Goethe uͤberaus gluͤcklich. „Mein ferneres Leben, ſagte er, kann ich nunmehr als ein reines Geſchenk anſehen, und es iſt jetzt im Grunde ganz einerley, ob und was ich noch etwa thue.“ Mittwoch, den 21. December 1831. Mit Goethe zu Tiſch. Wir ſprachen, woher es ge¬ kommen, daß ſeine Farbenlehre ſich ſo wenig verbreitet habe. „Sie iſt ſehr ſchwer zu uͤberliefern, ſagte er, denn ſie will, wie Sie wiſſen, nicht bloß geleſen und ſtudirt, ſondern ſie will gethan ſeyn, und das hat ſeine Schwierigkeit. Die Geſetze der Poeſie und Malerey ſind gleichfalls bis auf einen gewiſſen Grad mitzuthei¬ len, allein, um ein guter Poet und Maler zu ſeyn bedarf es Genie, das ſich nicht uͤberliefern laͤßt. Ein einfaches Urphaͤnomen aufzunehmen, es in ſeiner hohen Bedeutung zu erkennen und damit zu wirken, erfordert einen productiven Geiſt, der Vieles zu uͤberſehen ver¬ mag, und iſt eine ſeltene Gabe, die ſich nur bey ganz vorzuͤglichen Naturen findet.“ 23*

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Zitationshilfe: Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836, S. 351. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836/361>, abgerufen am 24.11.2024.