nicht etwa gut wäre, dieses irgendwo ausdrücklich zu bemerken."
Wir sprachen sodann über den Schluß, und Goethe machte mich auf die Stelle aufmerksam, wo es heißt:
Gerettet ist das edle Glied Der Geisterwelt vom Bösen: Wer immer strebend sich bemüht, Den können wir erlösen, Und hat an ihm die Liebe gar Von oben Theil genommen, Begegnet ihm die selige Schaar Mit herzlichem Willkommen
"In diesen Versen, sagte er, ist der Schlüssel zu Faust's Rettung enthalten. In Faust selber eine immer höhere und reinere Thätigkeit bis ans Ende, und von oben die ihm zu Hülfe kommende ewige Liebe. Es steht dieses mit unserer religiösen Vorstellung durchaus in Harmonie, nach welcher wir nicht bloß durch eigene Kraft selig werden, sondern durch die hinzukommende göttliche Gnade."
"Übrigens werden Sie zugeben, daß der Schluß, wo es mit der geretteten Seele nach oben geht, sehr schwer zu machen war, und daß ich, bey so übersinnlichen, kaum zu ahnenden Dingen, mich sehr leicht im Vagen hätte verlieren können, wenn ich nicht meinen poetischen Intentionen, durch die scharf umrissenen christlich-kirch¬ lichen Figuren und Vorstellungen, eine wohlthätig be¬ schränkende Form und Festigkeit gegeben hätte."
nicht etwa gut waͤre, dieſes irgendwo ausdruͤcklich zu bemerken.“
Wir ſprachen ſodann uͤber den Schluß, und Goethe machte mich auf die Stelle aufmerkſam, wo es heißt:
Gerettet iſt das edle Glied Der Geiſterwelt vom Boͤſen: Wer immer ſtrebend ſich bemuͤht, Den koͤnnen wir erloͤſen, Und hat an ihm die Liebe gar Von oben Theil genommen, Begegnet ihm die ſelige Schaar Mit herzlichem Willkommen
„In dieſen Verſen, ſagte er, iſt der Schluͤſſel zu Fauſt's Rettung enthalten. In Fauſt ſelber eine immer hoͤhere und reinere Thaͤtigkeit bis ans Ende, und von oben die ihm zu Huͤlfe kommende ewige Liebe. Es ſteht dieſes mit unſerer religioͤſen Vorſtellung durchaus in Harmonie, nach welcher wir nicht bloß durch eigene Kraft ſelig werden, ſondern durch die hinzukommende goͤttliche Gnade.“
„Übrigens werden Sie zugeben, daß der Schluß, wo es mit der geretteten Seele nach oben geht, ſehr ſchwer zu machen war, und daß ich, bey ſo uͤberſinnlichen, kaum zu ahnenden Dingen, mich ſehr leicht im Vagen haͤtte verlieren koͤnnen, wenn ich nicht meinen poetiſchen Intentionen, durch die ſcharf umriſſenen chriſtlich-kirch¬ lichen Figuren und Vorſtellungen, eine wohlthaͤtig be¬ ſchraͤnkende Form und Feſtigkeit gegeben haͤtte.“
<TEI><text><body><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0360"n="350"/>
nicht etwa gut waͤre, dieſes irgendwo ausdruͤcklich zu<lb/>
bemerken.“</p><lb/><p>Wir ſprachen ſodann uͤber den Schluß, und Goethe<lb/>
machte mich auf die Stelle aufmerkſam, wo es heißt:</p><lb/><lgtype="poem"><l>Gerettet iſt das edle Glied</l><lb/><l>Der Geiſterwelt vom Boͤſen:</l><lb/><l><hirendition="#g">Wer immer ſtrebend ſich bemuͤht,</hi></l><lb/><l><hirendition="#g">Den koͤnnen wir erloͤſen,</hi></l><lb/><l>Und hat an ihm <hirendition="#g">die Liebe</hi> gar</l><lb/><l><hirendition="#g">Von oben</hi> Theil genommen,</l><lb/><l>Begegnet ihm die ſelige Schaar</l><lb/><l>Mit herzlichem Willkommen</l><lb/></lg><p>„In dieſen Verſen, ſagte er, iſt der Schluͤſſel zu<lb/>
Fauſt's Rettung enthalten. In Fauſt ſelber eine immer<lb/>
hoͤhere und reinere Thaͤtigkeit bis ans Ende, und von<lb/>
oben die ihm zu Huͤlfe kommende ewige Liebe. Es<lb/>ſteht dieſes mit unſerer religioͤſen Vorſtellung durchaus<lb/>
in Harmonie, nach welcher wir nicht bloß durch eigene<lb/>
Kraft ſelig werden, ſondern durch die hinzukommende<lb/>
goͤttliche Gnade.“</p><lb/><p>„Übrigens werden Sie zugeben, daß der Schluß, wo<lb/>
es mit der geretteten Seele nach oben geht, ſehr ſchwer<lb/>
zu machen war, und daß ich, bey ſo uͤberſinnlichen,<lb/>
kaum zu ahnenden Dingen, mich ſehr leicht im Vagen<lb/>
haͤtte verlieren koͤnnen, wenn ich nicht meinen poetiſchen<lb/>
Intentionen, durch die ſcharf umriſſenen chriſtlich-kirch¬<lb/>
lichen Figuren und Vorſtellungen, eine wohlthaͤtig be¬<lb/>ſchraͤnkende Form und Feſtigkeit gegeben haͤtte.“</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/></div></div></body></text></TEI>
[350/0360]
nicht etwa gut waͤre, dieſes irgendwo ausdruͤcklich zu
bemerken.“
Wir ſprachen ſodann uͤber den Schluß, und Goethe
machte mich auf die Stelle aufmerkſam, wo es heißt:
Gerettet iſt das edle Glied
Der Geiſterwelt vom Boͤſen:
Wer immer ſtrebend ſich bemuͤht,
Den koͤnnen wir erloͤſen,
Und hat an ihm die Liebe gar
Von oben Theil genommen,
Begegnet ihm die ſelige Schaar
Mit herzlichem Willkommen
„In dieſen Verſen, ſagte er, iſt der Schluͤſſel zu
Fauſt's Rettung enthalten. In Fauſt ſelber eine immer
hoͤhere und reinere Thaͤtigkeit bis ans Ende, und von
oben die ihm zu Huͤlfe kommende ewige Liebe. Es
ſteht dieſes mit unſerer religioͤſen Vorſtellung durchaus
in Harmonie, nach welcher wir nicht bloß durch eigene
Kraft ſelig werden, ſondern durch die hinzukommende
goͤttliche Gnade.“
„Übrigens werden Sie zugeben, daß der Schluß, wo
es mit der geretteten Seele nach oben geht, ſehr ſchwer
zu machen war, und daß ich, bey ſo uͤberſinnlichen,
kaum zu ahnenden Dingen, mich ſehr leicht im Vagen
haͤtte verlieren koͤnnen, wenn ich nicht meinen poetiſchen
Intentionen, durch die ſcharf umriſſenen chriſtlich-kirch¬
lichen Figuren und Vorſtellungen, eine wohlthaͤtig be¬
ſchraͤnkende Form und Feſtigkeit gegeben haͤtte.“
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836, S. 350. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836/360>, abgerufen am 05.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.