Als nun aber die Wanderjahre erschienen, wußte niemand, wie ihm geschah. Den Gang des Romans sah man durch eine Menge räthselhafter Sprüche unter¬ brochen, deren Lösung nur von Männern vom Fach, d. h. von Künstlern, Naturforschern und Literatoren zu erwarten war, und die allen übrigen Lesern, zumal Le¬ serinnen, sehr unbequem fallen mußten. Auch wurden die beyden Gedichte so wenig verstanden, als es geah¬ net werden konnte, wie sie nur möchten an solche Stel¬ len gekommen seyn.
Goethe lachte dazu. "Es ist nun einmal geschehen, sagte er heute, und es bleibt jetzt weiter nichts, als daß Sie bey Herausgabe meines Nachlasses diese ein¬ zelnen Sachen dahin stellen, wohin sie gehören; damit sie, bey einem abermaligen Abdruck meiner Werke, schon an ihrem Orte vertheilt stehen, und die Wanderjahre sodann, ohne die Einzelnheiten und die beyden Gedichte, in zwey Bänden zusammenrücken mögen, wie anfäng¬ lich die Intention war."
Wir wurden einig, daß ich alle auf Kunst bezüg¬ lichen Aphorismen in einen Band über Kunstgegenstände, alle auf die Natur bezüglichen in einen Band über Naturwissenschaften im Allgemeinen, so wie alles Ethi¬ sche und Literarische in einen gleichfalls passenden Band dereinst zu vertheilen habe.
Als nun aber die Wanderjahre erſchienen, wußte niemand, wie ihm geſchah. Den Gang des Romans ſah man durch eine Menge raͤthſelhafter Spruͤche unter¬ brochen, deren Loͤſung nur von Maͤnnern vom Fach, d. h. von Kuͤnſtlern, Naturforſchern und Literatoren zu erwarten war, und die allen uͤbrigen Leſern, zumal Le¬ ſerinnen, ſehr unbequem fallen mußten. Auch wurden die beyden Gedichte ſo wenig verſtanden, als es geah¬ net werden konnte, wie ſie nur moͤchten an ſolche Stel¬ len gekommen ſeyn.
Goethe lachte dazu. „Es iſt nun einmal geſchehen, ſagte er heute, und es bleibt jetzt weiter nichts, als daß Sie bey Herausgabe meines Nachlaſſes dieſe ein¬ zelnen Sachen dahin ſtellen, wohin ſie gehoͤren; damit ſie, bey einem abermaligen Abdruck meiner Werke, ſchon an ihrem Orte vertheilt ſtehen, und die Wanderjahre ſodann, ohne die Einzelnheiten und die beyden Gedichte, in zwey Baͤnden zuſammenruͤcken moͤgen, wie anfaͤng¬ lich die Intention war.“
Wir wurden einig, daß ich alle auf Kunſt bezuͤg¬ lichen Aphorismen in einen Band uͤber Kunſtgegenſtaͤnde, alle auf die Natur bezuͤglichen in einen Band uͤber Naturwiſſenſchaften im Allgemeinen, ſo wie alles Ethi¬ ſche und Literariſche in einen gleichfalls paſſenden Band dereinſt zu vertheilen habe.
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Als nun aber die Wanderjahre erſchienen, wußte
niemand, wie ihm geſchah. Den Gang des Romans
ſah man durch eine Menge raͤthſelhafter Spruͤche unter¬
brochen, deren Loͤſung nur von Maͤnnern vom Fach,
d. h. von Kuͤnſtlern, Naturforſchern und Literatoren zu
erwarten war, und die allen uͤbrigen Leſern, zumal Le¬
ſerinnen, ſehr unbequem fallen mußten. Auch wurden
die beyden Gedichte ſo wenig verſtanden, als es geah¬
net werden konnte, wie ſie nur moͤchten an ſolche Stel¬
len gekommen ſeyn.
Goethe lachte dazu. „Es iſt nun einmal geſchehen,
ſagte er heute, und es bleibt jetzt weiter nichts, als
daß Sie bey Herausgabe meines Nachlaſſes dieſe ein¬
zelnen Sachen dahin ſtellen, wohin ſie gehoͤren; damit
ſie, bey einem abermaligen Abdruck meiner Werke, ſchon
an ihrem Orte vertheilt ſtehen, und die Wanderjahre
ſodann, ohne die Einzelnheiten und die beyden Gedichte,
in zwey Baͤnden zuſammenruͤcken moͤgen, wie anfaͤng¬
lich die Intention war.“
Wir wurden einig, daß ich alle auf Kunſt bezuͤg¬
lichen Aphorismen in einen Band uͤber Kunſtgegenſtaͤnde,
alle auf die Natur bezuͤglichen in einen Band uͤber
Naturwiſſenſchaften im Allgemeinen, ſo wie alles Ethi¬
ſche und Literariſche in einen gleichfalls paſſenden Band
dereinſt zu vertheilen habe.
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836, S. 345. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836/355>, abgerufen am 24.11.2024.
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