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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836.

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Mittags mit Goethe. "In der Kunst, sagte er, ist
mir nicht leicht ein erfreulicheres Talent vorgekommen,
als das von Neureuther. Es beschränkt sich selten
ein Künstler auf das, was er vermag, die meisten wol¬
len mehr thun als sie können, und gehen gar zu gern
über den Kreis hinaus, den die Natur ihrem Talente
gesetzt hat. Von Neureuther jedoch läßt sich sagen, daß
er über seinem Talent stehe. Die Gegenstände aus
allen Reichen der Natur sind ihm geläufig, er zeichnet
eben so wohl Gründe, Felsen und Bäume, wie Thiere
und Menschen; Erfindung, Kunst und Geschmack besitzt
er im hohen Grade, und indem er eine solche Fülle in
leichten Randzeichnungen gewissermaßen vergeudet, scheint
er mit seinen Fähigkeiten zu spielen, und es geht auf
den Beschauer das Behagen über, welches die bequeme
freye Spende eines reichen Vermögens immer zu beglei¬
ten pflegt."

"In Randzeichnungen hat es auch niemand zu der
Höhe gebracht wie er, und selbst das große Talent von
Albrecht Dürer war ihm darin weniger ein Muster
als eine Anregung."

"Ich werde, fuhr Goethe fort, ein Exemplar dieser
Zeichnungen von Neureuther an Herrn Carlyle nach

22*

Mittags mit Goethe. „In der Kunſt, ſagte er, iſt
mir nicht leicht ein erfreulicheres Talent vorgekommen,
als das von Neureuther. Es beſchraͤnkt ſich ſelten
ein Kuͤnſtler auf das, was er vermag, die meiſten wol¬
len mehr thun als ſie koͤnnen, und gehen gar zu gern
uͤber den Kreis hinaus, den die Natur ihrem Talente
geſetzt hat. Von Neureuther jedoch laͤßt ſich ſagen, daß
er uͤber ſeinem Talent ſtehe. Die Gegenſtaͤnde aus
allen Reichen der Natur ſind ihm gelaͤufig, er zeichnet
eben ſo wohl Gruͤnde, Felſen und Baͤume, wie Thiere
und Menſchen; Erfindung, Kunſt und Geſchmack beſitzt
er im hohen Grade, und indem er eine ſolche Fuͤlle in
leichten Randzeichnungen gewiſſermaßen vergeudet, ſcheint
er mit ſeinen Faͤhigkeiten zu ſpielen, und es geht auf
den Beſchauer das Behagen uͤber, welches die bequeme
freye Spende eines reichen Vermoͤgens immer zu beglei¬
ten pflegt.“

„In Randzeichnungen hat es auch niemand zu der
Hoͤhe gebracht wie er, und ſelbſt das große Talent von
Albrecht Duͤrer war ihm darin weniger ein Muſter
als eine Anregung.“

„Ich werde, fuhr Goethe fort, ein Exemplar dieſer
Zeichnungen von Neureuther an Herrn Carlyle nach

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[339/0349] Dienſtag den 5. April 1831. Mittags mit Goethe. „In der Kunſt, ſagte er, iſt mir nicht leicht ein erfreulicheres Talent vorgekommen, als das von Neureuther. Es beſchraͤnkt ſich ſelten ein Kuͤnſtler auf das, was er vermag, die meiſten wol¬ len mehr thun als ſie koͤnnen, und gehen gar zu gern uͤber den Kreis hinaus, den die Natur ihrem Talente geſetzt hat. Von Neureuther jedoch laͤßt ſich ſagen, daß er uͤber ſeinem Talent ſtehe. Die Gegenſtaͤnde aus allen Reichen der Natur ſind ihm gelaͤufig, er zeichnet eben ſo wohl Gruͤnde, Felſen und Baͤume, wie Thiere und Menſchen; Erfindung, Kunſt und Geſchmack beſitzt er im hohen Grade, und indem er eine ſolche Fuͤlle in leichten Randzeichnungen gewiſſermaßen vergeudet, ſcheint er mit ſeinen Faͤhigkeiten zu ſpielen, und es geht auf den Beſchauer das Behagen uͤber, welches die bequeme freye Spende eines reichen Vermoͤgens immer zu beglei¬ ten pflegt.“ „In Randzeichnungen hat es auch niemand zu der Hoͤhe gebracht wie er, und ſelbſt das große Talent von Albrecht Duͤrer war ihm darin weniger ein Muſter als eine Anregung.“ „Ich werde, fuhr Goethe fort, ein Exemplar dieſer Zeichnungen von Neureuther an Herrn Carlyle nach 22*

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Zitationshilfe: Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836, S. 339. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836/349>, abgerufen am 24.11.2024.