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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836.

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durch die Welt ein Fundament hatten, so waren es nicht
Schalen, die er bey seiner eigenen spätern tiefen Welt-
und Naturforschung als unbrauchbar abzuwerfen in den
Fall kam, sondern es war das anfängliche Keimen und
Wurzeln einer Pflanze, die durch viele Jahre in gleich
gesunder Richtung fortwuchs, und sich zuletzt zu der
Blüthe einer reichen Erkenntniß entfaltete.

Widersacher haben ihn oft beschuldigt, er habe keinen
Glauben. Er hatte aber bloß den ihrigen nicht, weil
er ihm zu klein war. Wollte er den seinigen ausspre¬
chen, so würden sie erstaunen, aber sie würden nicht
fähig seyn ihn zu fassen.

Goethe selbst aber ist weit entfernt zu glauben, daß
er das höchste Wesen erkenne wie es ist. Alle seine
schriftlichen und mündlichen Äußerungen gehen darauf
hin, daß es ein Unerforschliches sey, wovon der Mensch
nur annähernde Spuren und Ahndungen habe.

Übrigens ist die Natur und sind wir Menschen alle
vom Göttlichen so durchdrungen, daß es uns hält, daß
wir darin leben, weben und sind, daß wir nach ewigen
Gesetzen leiden und uns freuen, daß wir sie ausüben
und daß sie an uns ausgeübt werden, gleichviel ob wir
sie erkennen oder nicht.

Schmeckt doch dem Kinde der Kuchen, ohne daß es
vom Bäcker weiß, und dem Sperling die Kirsche, ohne
daß er daran denkt wie sie gewachsen ist.


durch die Welt ein Fundament hatten, ſo waren es nicht
Schalen, die er bey ſeiner eigenen ſpaͤtern tiefen Welt-
und Naturforſchung als unbrauchbar abzuwerfen in den
Fall kam, ſondern es war das anfaͤngliche Keimen und
Wurzeln einer Pflanze, die durch viele Jahre in gleich
geſunder Richtung fortwuchs, und ſich zuletzt zu der
Bluͤthe einer reichen Erkenntniß entfaltete.

Widerſacher haben ihn oft beſchuldigt, er habe keinen
Glauben. Er hatte aber bloß den ihrigen nicht, weil
er ihm zu klein war. Wollte er den ſeinigen ausſpre¬
chen, ſo wuͤrden ſie erſtaunen, aber ſie wuͤrden nicht
faͤhig ſeyn ihn zu faſſen.

Goethe ſelbſt aber iſt weit entfernt zu glauben, daß
er das hoͤchſte Weſen erkenne wie es iſt. Alle ſeine
ſchriftlichen und muͤndlichen Äußerungen gehen darauf
hin, daß es ein Unerforſchliches ſey, wovon der Menſch
nur annaͤhernde Spuren und Ahndungen habe.

Übrigens iſt die Natur und ſind wir Menſchen alle
vom Goͤttlichen ſo durchdrungen, daß es uns haͤlt, daß
wir darin leben, weben und ſind, daß wir nach ewigen
Geſetzen leiden und uns freuen, daß wir ſie ausuͤben
und daß ſie an uns ausgeuͤbt werden, gleichviel ob wir
ſie erkennen oder nicht.

Schmeckt doch dem Kinde der Kuchen, ohne daß es
vom Baͤcker weiß, und dem Sperling die Kirſche, ohne
daß er daran denkt wie ſie gewachſen iſt.


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[297/0307] durch die Welt ein Fundament hatten, ſo waren es nicht Schalen, die er bey ſeiner eigenen ſpaͤtern tiefen Welt- und Naturforſchung als unbrauchbar abzuwerfen in den Fall kam, ſondern es war das anfaͤngliche Keimen und Wurzeln einer Pflanze, die durch viele Jahre in gleich geſunder Richtung fortwuchs, und ſich zuletzt zu der Bluͤthe einer reichen Erkenntniß entfaltete. Widerſacher haben ihn oft beſchuldigt, er habe keinen Glauben. Er hatte aber bloß den ihrigen nicht, weil er ihm zu klein war. Wollte er den ſeinigen ausſpre¬ chen, ſo wuͤrden ſie erſtaunen, aber ſie wuͤrden nicht faͤhig ſeyn ihn zu faſſen. Goethe ſelbſt aber iſt weit entfernt zu glauben, daß er das hoͤchſte Weſen erkenne wie es iſt. Alle ſeine ſchriftlichen und muͤndlichen Äußerungen gehen darauf hin, daß es ein Unerforſchliches ſey, wovon der Menſch nur annaͤhernde Spuren und Ahndungen habe. Übrigens iſt die Natur und ſind wir Menſchen alle vom Goͤttlichen ſo durchdrungen, daß es uns haͤlt, daß wir darin leben, weben und ſind, daß wir nach ewigen Geſetzen leiden und uns freuen, daß wir ſie ausuͤben und daß ſie an uns ausgeuͤbt werden, gleichviel ob wir ſie erkennen oder nicht. Schmeckt doch dem Kinde der Kuchen, ohne daß es vom Baͤcker weiß, und dem Sperling die Kirſche, ohne daß er daran denkt wie ſie gewachſen iſt.

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Zitationshilfe: Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836, S. 297. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836/307>, abgerufen am 23.11.2024.