die Unfehlbarkeit der Schutzblattern verdächtig und schwächt die Motive für das Ansehen des Gesetzes."
"Dennoch aber, sagte Goethe, bin ich dafür, daß man von dem strengen Gebot der Impfung auch ferner nicht abgehe, indem solche kleine Ausnahmen gegen die unübersehbaren Wohlthaten des Gesetzes gar nicht in Betracht kommen."
"Ich bin auch der Meinung, sagte Vogel, und möchte sogar behaupten, daß in allen solchen Fällen, wo die Schutzblattern vor den natürlichen nicht gesichert, die Impfung mangelhaft gewesen ist. Soll nämlich die Impfung schützen, so muß sie so stark seyn, daß Fieber entsteht; ein bloßer Hautreiz ohne Fieber schützt nicht. Ich habe daher heute in der Session den Vorschlag ge¬ than, eine verstärkte Impfung der Schutzblattern allen im Lande damit Beauftragten zur Pflicht zu machen."
"Ich hoffe daß Ihr Vorschlag durchgegangen ist, sagte Goethe, so wie ich immer dafür bin, strenge auf ein Gesetz zu halten, zumal in einer Zeit wie die jetzige, wo man aus Schwäche und übertriebener Liberalität überall mehr nachgiebt als billig."
Es kam sodann zur Sprache, daß man jetzt auch in der Zurechnungsfähigkeit der Verbrecher anfange weich und schlaff zu werden, und daß ärztliche Zeugnisse und Gutachten oft dahingehen, dem Verbrecher an der ver¬ wirkten Strafe vorbey zu helfen. Bey dieser Gelegen¬ heit lobte Vogel einen jungen Physikus, der in ähn¬
die Unfehlbarkeit der Schutzblattern verdaͤchtig und ſchwaͤcht die Motive fuͤr das Anſehen des Geſetzes.“
„Dennoch aber, ſagte Goethe, bin ich dafuͤr, daß man von dem ſtrengen Gebot der Impfung auch ferner nicht abgehe, indem ſolche kleine Ausnahmen gegen die unuͤberſehbaren Wohlthaten des Geſetzes gar nicht in Betracht kommen.“
„Ich bin auch der Meinung, ſagte Vogel, und moͤchte ſogar behaupten, daß in allen ſolchen Faͤllen, wo die Schutzblattern vor den natuͤrlichen nicht geſichert, die Impfung mangelhaft geweſen iſt. Soll naͤmlich die Impfung ſchuͤtzen, ſo muß ſie ſo ſtark ſeyn, daß Fieber entſteht; ein bloßer Hautreiz ohne Fieber ſchuͤtzt nicht. Ich habe daher heute in der Seſſion den Vorſchlag ge¬ than, eine verſtaͤrkte Impfung der Schutzblattern allen im Lande damit Beauftragten zur Pflicht zu machen.“
„Ich hoffe daß Ihr Vorſchlag durchgegangen iſt, ſagte Goethe, ſo wie ich immer dafuͤr bin, ſtrenge auf ein Geſetz zu halten, zumal in einer Zeit wie die jetzige, wo man aus Schwaͤche und uͤbertriebener Liberalitaͤt uͤberall mehr nachgiebt als billig.“
Es kam ſodann zur Sprache, daß man jetzt auch in der Zurechnungsfaͤhigkeit der Verbrecher anfange weich und ſchlaff zu werden, und daß aͤrztliche Zeugniſſe und Gutachten oft dahingehen, dem Verbrecher an der ver¬ wirkten Strafe vorbey zu helfen. Bey dieſer Gelegen¬ heit lobte Vogel einen jungen Phyſikus, der in aͤhn¬
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die Unfehlbarkeit der Schutzblattern verdaͤchtig und ſchwaͤcht
die Motive fuͤr das Anſehen des Geſetzes.“
„Dennoch aber, ſagte Goethe, bin ich dafuͤr, daß
man von dem ſtrengen Gebot der Impfung auch ferner
nicht abgehe, indem ſolche kleine Ausnahmen gegen die
unuͤberſehbaren Wohlthaten des Geſetzes gar nicht in
Betracht kommen.“
„Ich bin auch der Meinung, ſagte Vogel, und
moͤchte ſogar behaupten, daß in allen ſolchen Faͤllen,
wo die Schutzblattern vor den natuͤrlichen nicht geſichert,
die Impfung mangelhaft geweſen iſt. Soll naͤmlich die
Impfung ſchuͤtzen, ſo muß ſie ſo ſtark ſeyn, daß Fieber
entſteht; ein bloßer Hautreiz ohne Fieber ſchuͤtzt nicht.
Ich habe daher heute in der Seſſion den Vorſchlag ge¬
than, eine verſtaͤrkte Impfung der Schutzblattern allen
im Lande damit Beauftragten zur Pflicht zu machen.“
„Ich hoffe daß Ihr Vorſchlag durchgegangen iſt,
ſagte Goethe, ſo wie ich immer dafuͤr bin, ſtrenge auf
ein Geſetz zu halten, zumal in einer Zeit wie die jetzige,
wo man aus Schwaͤche und uͤbertriebener Liberalitaͤt
uͤberall mehr nachgiebt als billig.“
Es kam ſodann zur Sprache, daß man jetzt auch
in der Zurechnungsfaͤhigkeit der Verbrecher anfange weich
und ſchlaff zu werden, und daß aͤrztliche Zeugniſſe und
Gutachten oft dahingehen, dem Verbrecher an der ver¬
wirkten Strafe vorbey zu helfen. Bey dieſer Gelegen¬
heit lobte Vogel einen jungen Phyſikus, der in aͤhn¬
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836, S. 279. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836/289>, abgerufen am 22.11.2024.
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