den bekannten Gesetzen das schönste Blau. Das Wasser des anderen Armes geht nicht so tief, das Licht erreicht noch den Grund, so daß man Steine sieht, und da es unten nicht finster genug ist, um blau zu werden, aber nicht flach und der Boden nicht rein, weiß und glänzend genug, um gelb zu seyn, so bleibt die Farbe in der Mitte, und manifestirt sich als grün.
Wäre ich nun, wie Byron, zu tollen Streichen auf¬ gelegt, und hätte ich die Mittel, sie auszuführen, so würde ich folgendes Experiment machen.
Ich würde in dem grünen Arm der Rhone, in der Nähe der Brücke, wo täglich Tausende von Menschen passiren, ein großes schwarzes Bret, oder so etwas, so tief befestigen lassen, daß ein reines Blau entstände, und nicht weit davon ein sehr großes Stück weißes glänzen¬ des Blech, in solcher Tiefe des Wassers, daß im Schein der Sonne ein entschiedenes Gelb erglänzte. Wenn nun die Menschen vorbeygingen und in dem grünen Wasser den gelben und blauen Fleck erblickten, so würde ihnen das ein Räthsel seyn, das sie neckte, und das sie nicht lösen könnten. Man kommt auf Reisen zu allerley Späßen; dieser aber scheint mir zu den guten zu gehö¬ ren, worin einiger Sinn vorhanden ist und einiger Nutzen seyn könnte.
Vor einiger Zeit war ich in einem Buchladen, wo in dem ersten kleinen Duodezbändchen, das ich zur
den bekannten Geſetzen das ſchoͤnſte Blau. Das Waſſer des anderen Armes geht nicht ſo tief, das Licht erreicht noch den Grund, ſo daß man Steine ſieht, und da es unten nicht finſter genug iſt, um blau zu werden, aber nicht flach und der Boden nicht rein, weiß und glaͤnzend genug, um gelb zu ſeyn, ſo bleibt die Farbe in der Mitte, und manifeſtirt ſich als gruͤn.
Waͤre ich nun, wie Byron, zu tollen Streichen auf¬ gelegt, und haͤtte ich die Mittel, ſie auszufuͤhren, ſo wuͤrde ich folgendes Experiment machen.
Ich wuͤrde in dem gruͤnen Arm der Rhone, in der Naͤhe der Bruͤcke, wo taͤglich Tauſende von Menſchen paſſiren, ein großes ſchwarzes Bret, oder ſo etwas, ſo tief befeſtigen laſſen, daß ein reines Blau entſtaͤnde, und nicht weit davon ein ſehr großes Stuͤck weißes glaͤnzen¬ des Blech, in ſolcher Tiefe des Waſſers, daß im Schein der Sonne ein entſchiedenes Gelb erglaͤnzte. Wenn nun die Menſchen vorbeygingen und in dem gruͤnen Waſſer den gelben und blauen Fleck erblickten, ſo wuͤrde ihnen das ein Raͤthſel ſeyn, das ſie neckte, und das ſie nicht loͤſen koͤnnten. Man kommt auf Reiſen zu allerley Spaͤßen; dieſer aber ſcheint mir zu den guten zu gehoͤ¬ ren, worin einiger Sinn vorhanden iſt und einiger Nutzen ſeyn koͤnnte.
Vor einiger Zeit war ich in einem Buchladen, wo in dem erſten kleinen Duodezbaͤndchen, das ich zur
<TEI><text><body><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0245"n="235"/>
den bekannten Geſetzen das ſchoͤnſte Blau. Das Waſſer<lb/>
des anderen Armes geht nicht ſo tief, das Licht erreicht<lb/>
noch den Grund, ſo daß man Steine ſieht, und da es<lb/>
unten nicht finſter genug iſt, um blau zu werden, aber<lb/>
nicht flach und der Boden nicht rein, weiß und glaͤnzend<lb/>
genug, um gelb zu ſeyn, ſo bleibt die Farbe in der<lb/>
Mitte, und manifeſtirt ſich als gruͤn.</p><lb/><p>Waͤre ich nun, wie Byron, zu tollen Streichen auf¬<lb/>
gelegt, und haͤtte ich die Mittel, ſie auszufuͤhren, ſo<lb/>
wuͤrde ich folgendes Experiment machen.</p><lb/><p>Ich wuͤrde in dem gruͤnen Arm der Rhone, in der<lb/>
Naͤhe der Bruͤcke, wo taͤglich Tauſende von Menſchen<lb/>
paſſiren, ein großes ſchwarzes Bret, oder ſo etwas, ſo<lb/>
tief befeſtigen laſſen, daß ein reines Blau entſtaͤnde, und<lb/>
nicht weit davon ein ſehr großes Stuͤck weißes glaͤnzen¬<lb/>
des Blech, in ſolcher Tiefe des Waſſers, daß im Schein<lb/>
der Sonne ein entſchiedenes Gelb erglaͤnzte. Wenn nun<lb/>
die Menſchen vorbeygingen und in dem gruͤnen Waſſer<lb/>
den gelben und blauen Fleck erblickten, ſo wuͤrde ihnen<lb/>
das ein Raͤthſel ſeyn, das ſie neckte, und das ſie nicht<lb/>
loͤſen koͤnnten. Man kommt auf Reiſen zu allerley<lb/>
Spaͤßen; dieſer aber ſcheint mir zu den guten zu gehoͤ¬<lb/>
ren, worin einiger Sinn vorhanden iſt und einiger<lb/>
Nutzen ſeyn koͤnnte.</p><lb/><p>Vor einiger Zeit war ich in einem Buchladen, wo<lb/>
in dem erſten kleinen Duodezbaͤndchen, das ich zur<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[235/0245]
den bekannten Geſetzen das ſchoͤnſte Blau. Das Waſſer
des anderen Armes geht nicht ſo tief, das Licht erreicht
noch den Grund, ſo daß man Steine ſieht, und da es
unten nicht finſter genug iſt, um blau zu werden, aber
nicht flach und der Boden nicht rein, weiß und glaͤnzend
genug, um gelb zu ſeyn, ſo bleibt die Farbe in der
Mitte, und manifeſtirt ſich als gruͤn.
Waͤre ich nun, wie Byron, zu tollen Streichen auf¬
gelegt, und haͤtte ich die Mittel, ſie auszufuͤhren, ſo
wuͤrde ich folgendes Experiment machen.
Ich wuͤrde in dem gruͤnen Arm der Rhone, in der
Naͤhe der Bruͤcke, wo taͤglich Tauſende von Menſchen
paſſiren, ein großes ſchwarzes Bret, oder ſo etwas, ſo
tief befeſtigen laſſen, daß ein reines Blau entſtaͤnde, und
nicht weit davon ein ſehr großes Stuͤck weißes glaͤnzen¬
des Blech, in ſolcher Tiefe des Waſſers, daß im Schein
der Sonne ein entſchiedenes Gelb erglaͤnzte. Wenn nun
die Menſchen vorbeygingen und in dem gruͤnen Waſſer
den gelben und blauen Fleck erblickten, ſo wuͤrde ihnen
das ein Raͤthſel ſeyn, das ſie neckte, und das ſie nicht
loͤſen koͤnnten. Man kommt auf Reiſen zu allerley
Spaͤßen; dieſer aber ſcheint mir zu den guten zu gehoͤ¬
ren, worin einiger Sinn vorhanden iſt und einiger
Nutzen ſeyn koͤnnte.
Vor einiger Zeit war ich in einem Buchladen, wo
in dem erſten kleinen Duodezbaͤndchen, das ich zur
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836, S. 235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836/245>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.