Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836.

Bild:
<< vorherige Seite

Schuld seyn als die Genfer, allein es verdrießt mich
doch und reizt mich zu schalkhaften Bemerkungen.

Bekanntlich hat Lord Byron einige Zeit sich hier
aufgehalten, und da er die Gesellschaft nicht liebte, so
hat er sein Wesen bey Tag und Nacht in der Natur
und auf dem See getrieben, wovon man hier noch zu
erzählen hat, und wovon in seinem Childe Harold
ein schönes Denkmal geblieben. Auch die Farbe der
Rhone hat er bemerkt, und wenn er auch die Ursache
nicht ahnen konnte, so hat er doch ein empfängliches
Auge gezeigt. Er sagt in einer Bemerkung zum dritten
Gesange:

"The colour of the Rhone at Geneva is blue ,
to a depth of tint which I have never seen equalled in
water, salt or fresh, except in the Mediterranean and
Archipelago.
"

Die Rhone, wie sie sich zusammendrängt um durch
Genf zu gehen, theilt sich in zwey Arme, über welche
vier Brücken führen, auf denen hin und hergehend man
die Farbe des Wassers recht gut beobachten kann.

Nun ist merkwürdig, daß das Wasser des einen Ar¬
mes blau ist, wie Byron es gesehen hat, das des an¬
dern aber grün. Der Arm, wo das Wasser blau er¬
scheint, ist reißender, und hat den Grund so tief
gehöhlt, daß kein Licht hinabdringen kann und also un¬
ten vollkommene Finsterniß herrschet. Das sehr klare
Wasser wirkt als ein trübes Mittel und es entsteht aus

Schuld ſeyn als die Genfer, allein es verdrießt mich
doch und reizt mich zu ſchalkhaften Bemerkungen.

Bekanntlich hat Lord Byron einige Zeit ſich hier
aufgehalten, und da er die Geſellſchaft nicht liebte, ſo
hat er ſein Weſen bey Tag und Nacht in der Natur
und auf dem See getrieben, wovon man hier noch zu
erzaͤhlen hat, und wovon in ſeinem Childe Harold
ein ſchoͤnes Denkmal geblieben. Auch die Farbe der
Rhone hat er bemerkt, und wenn er auch die Urſache
nicht ahnen konnte, ſo hat er doch ein empfaͤngliches
Auge gezeigt. Er ſagt in einer Bemerkung zum dritten
Geſange:

The colour of the Rhone at Geneva is blue ,
to a depth of tint which I have never seen equalled in
water, salt or fresh, except in the Mediterranean and
Archipelago.

Die Rhone, wie ſie ſich zuſammendraͤngt um durch
Genf zu gehen, theilt ſich in zwey Arme, uͤber welche
vier Bruͤcken fuͤhren, auf denen hin und hergehend man
die Farbe des Waſſers recht gut beobachten kann.

Nun iſt merkwuͤrdig, daß das Waſſer des einen Ar¬
mes blau iſt, wie Byron es geſehen hat, das des an¬
dern aber gruͤn. Der Arm, wo das Waſſer blau er¬
ſcheint, iſt reißender, und hat den Grund ſo tief
gehoͤhlt, daß kein Licht hinabdringen kann und alſo un¬
ten vollkommene Finſterniß herrſchet. Das ſehr klare
Waſſer wirkt als ein truͤbes Mittel und es entſteht aus

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="3">
        <div n="4">
          <p><pb facs="#f0244" n="234"/>
Schuld &#x017F;eyn als die Genfer, allein es verdrießt mich<lb/>
doch und reizt mich zu &#x017F;chalkhaften Bemerkungen.</p><lb/>
          <p>Bekanntlich hat Lord <hi rendition="#g">Byron</hi> einige Zeit &#x017F;ich hier<lb/>
aufgehalten, und da er die Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft nicht liebte, &#x017F;o<lb/>
hat er &#x017F;ein We&#x017F;en bey Tag und Nacht in der Natur<lb/>
und auf dem See getrieben, wovon man hier noch zu<lb/>
erza&#x0364;hlen hat, und wovon in &#x017F;einem <hi rendition="#g">Childe Harold</hi><lb/>
ein &#x017F;cho&#x0364;nes Denkmal geblieben. Auch die Farbe der<lb/>
Rhone hat er bemerkt, und wenn er auch die Ur&#x017F;ache<lb/>
nicht ahnen konnte, &#x017F;o hat er doch ein empfa&#x0364;ngliches<lb/>
Auge gezeigt. Er &#x017F;agt in einer Bemerkung zum dritten<lb/>
Ge&#x017F;ange:</p><lb/>
          <p>&#x201E;<hi rendition="#aq">The colour of the Rhone at Geneva is</hi> <hi rendition="#aq #g">blue</hi> <hi rendition="#aq">,<lb/>
to a depth of tint which I have never seen equalled in<lb/>
water, salt or fresh, except in the Mediterranean and<lb/>
Archipelago.</hi>&#x201C;</p><lb/>
          <p>Die Rhone, wie &#x017F;ie &#x017F;ich zu&#x017F;ammendra&#x0364;ngt um durch<lb/>
Genf zu gehen, theilt &#x017F;ich in zwey Arme, u&#x0364;ber welche<lb/>
vier Bru&#x0364;cken fu&#x0364;hren, auf denen hin und hergehend man<lb/>
die Farbe des Wa&#x017F;&#x017F;ers recht gut beobachten kann.</p><lb/>
          <p>Nun i&#x017F;t merkwu&#x0364;rdig, daß das Wa&#x017F;&#x017F;er des einen Ar¬<lb/>
mes <hi rendition="#g">blau</hi> i&#x017F;t, wie Byron es ge&#x017F;ehen hat, das des an¬<lb/>
dern aber <hi rendition="#g">gru&#x0364;n</hi>. Der Arm, wo das Wa&#x017F;&#x017F;er blau er¬<lb/>
&#x017F;cheint, i&#x017F;t reißender, und hat den Grund &#x017F;o tief<lb/>
geho&#x0364;hlt, daß kein Licht hinabdringen kann und al&#x017F;o un¬<lb/>
ten vollkommene Fin&#x017F;terniß herr&#x017F;chet. Das &#x017F;ehr klare<lb/>
Wa&#x017F;&#x017F;er wirkt als ein tru&#x0364;bes Mittel und es ent&#x017F;teht aus<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[234/0244] Schuld ſeyn als die Genfer, allein es verdrießt mich doch und reizt mich zu ſchalkhaften Bemerkungen. Bekanntlich hat Lord Byron einige Zeit ſich hier aufgehalten, und da er die Geſellſchaft nicht liebte, ſo hat er ſein Weſen bey Tag und Nacht in der Natur und auf dem See getrieben, wovon man hier noch zu erzaͤhlen hat, und wovon in ſeinem Childe Harold ein ſchoͤnes Denkmal geblieben. Auch die Farbe der Rhone hat er bemerkt, und wenn er auch die Urſache nicht ahnen konnte, ſo hat er doch ein empfaͤngliches Auge gezeigt. Er ſagt in einer Bemerkung zum dritten Geſange: „The colour of the Rhone at Geneva is blue , to a depth of tint which I have never seen equalled in water, salt or fresh, except in the Mediterranean and Archipelago.“ Die Rhone, wie ſie ſich zuſammendraͤngt um durch Genf zu gehen, theilt ſich in zwey Arme, uͤber welche vier Bruͤcken fuͤhren, auf denen hin und hergehend man die Farbe des Waſſers recht gut beobachten kann. Nun iſt merkwuͤrdig, daß das Waſſer des einen Ar¬ mes blau iſt, wie Byron es geſehen hat, das des an¬ dern aber gruͤn. Der Arm, wo das Waſſer blau er¬ ſcheint, iſt reißender, und hat den Grund ſo tief gehoͤhlt, daß kein Licht hinabdringen kann und alſo un¬ ten vollkommene Finſterniß herrſchet. Das ſehr klare Waſſer wirkt als ein truͤbes Mittel und es entſteht aus

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836/244
Zitationshilfe: Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836, S. 234. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836/244>, abgerufen am 23.11.2024.