chen, so sollen diese Farben immer etwas schwach und duftig gehalten werden, damit jeder Anzug im Vorder¬ grunde sich ablöse und die gehörige Wirkung thue."
Wir sprechen über die Ilias, und Goethe macht mich auf das schöne Motiv aufmerksam, daß der Achill eine Zeitlang in Unthätigkeit versetzt werde, damit die übrigen Helden zum Vorschein kommen und sich ent¬ wickeln mögen.
Von seinen Wahlverwandtschaften sagt er, daß darin kein Strich enthalten, der nicht erlebt, aber kein Strich so, wie er erlebt worden. Dasselbe von der Geschichte in Sesenheim.
Nach Tisch ein Portefeuille der niederländischen Schule durchgesehen. Ein Hafenstück, wo Männer auf der einen Seite frisches Wasser einnehmen und auf der andern Würfel auf einer Tonne spielen, gab Anlaß zu schönen Betrachtungen, wie das Reale vermieden, um der Wir¬ kung der Kunst nicht zu schaden. Der Deckel der Tonne hat das Hauptlicht; die Würfel sind geworfen, wie man an den Geberden der Männer sieht, aber sie sind auf der Fläche des Deckels nicht gezeichnet, weil sie das Licht unterbrochen und also nachtheilig gewirkt haben würden.
Sodann die Studien von Ruysdael zu seinem Kirch¬ hof betrachtet, woraus man sah, welche Mühe sich ein solcher Meister gegeben.
chen, ſo ſollen dieſe Farben immer etwas ſchwach und duftig gehalten werden, damit jeder Anzug im Vorder¬ grunde ſich abloͤſe und die gehoͤrige Wirkung thue.“
Wir ſprechen uͤber die Ilias, und Goethe macht mich auf das ſchoͤne Motiv aufmerkſam, daß der Achill eine Zeitlang in Unthaͤtigkeit verſetzt werde, damit die uͤbrigen Helden zum Vorſchein kommen und ſich ent¬ wickeln moͤgen.
Von ſeinen Wahlverwandtſchaften ſagt er, daß darin kein Strich enthalten, der nicht erlebt, aber kein Strich ſo, wie er erlebt worden. Daſſelbe von der Geſchichte in Seſenheim.
Nach Tiſch ein Portefeuille der niederlaͤndiſchen Schule durchgeſehen. Ein Hafenſtuͤck, wo Maͤnner auf der einen Seite friſches Waſſer einnehmen und auf der andern Wuͤrfel auf einer Tonne ſpielen, gab Anlaß zu ſchoͤnen Betrachtungen, wie das Reale vermieden, um der Wir¬ kung der Kunſt nicht zu ſchaden. Der Deckel der Tonne hat das Hauptlicht; die Wuͤrfel ſind geworfen, wie man an den Geberden der Maͤnner ſieht, aber ſie ſind auf der Flaͤche des Deckels nicht gezeichnet, weil ſie das Licht unterbrochen und alſo nachtheilig gewirkt haben wuͤrden.
Sodann die Studien von Ruysdael zu ſeinem Kirch¬ hof betrachtet, woraus man ſah, welche Muͤhe ſich ein ſolcher Meiſter gegeben.
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chen, ſo ſollen dieſe Farben immer etwas ſchwach und
duftig gehalten werden, damit jeder Anzug im Vorder¬
grunde ſich abloͤſe und die gehoͤrige Wirkung thue.“
Wir ſprechen uͤber die Ilias, und Goethe macht
mich auf das ſchoͤne Motiv aufmerkſam, daß der Achill
eine Zeitlang in Unthaͤtigkeit verſetzt werde, damit die
uͤbrigen Helden zum Vorſchein kommen und ſich ent¬
wickeln moͤgen.
Von ſeinen Wahlverwandtſchaften ſagt er,
daß darin kein Strich enthalten, der nicht erlebt, aber
kein Strich ſo, wie er erlebt worden. Daſſelbe von
der Geſchichte in Seſenheim.
Nach Tiſch ein Portefeuille der niederlaͤndiſchen Schule
durchgeſehen. Ein Hafenſtuͤck, wo Maͤnner auf der einen
Seite friſches Waſſer einnehmen und auf der andern
Wuͤrfel auf einer Tonne ſpielen, gab Anlaß zu ſchoͤnen
Betrachtungen, wie das Reale vermieden, um der Wir¬
kung der Kunſt nicht zu ſchaden. Der Deckel der
Tonne hat das Hauptlicht; die Wuͤrfel ſind geworfen,
wie man an den Geberden der Maͤnner ſieht, aber ſie
ſind auf der Flaͤche des Deckels nicht gezeichnet, weil
ſie das Licht unterbrochen und alſo nachtheilig gewirkt
haben wuͤrden.
Sodann die Studien von Ruysdael zu ſeinem Kirch¬
hof betrachtet, woraus man ſah, welche Muͤhe ſich ein
ſolcher Meiſter gegeben.
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836/198>, abgerufen am 27.11.2024.
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