es schon kommen: sie wird hingehen, wie der Großher¬ zog, in voller Kraft und Herrschaft des Geistes, wenn der Körper schon aufgehört haben wird zu gehorchen."
Goethe schien sichtbar betrübt und war eine Weile stille. Bald aber sprachen wir wieder über heitere Dinge, und er erzählte mir von einem Buch, zur Rechtfertigung von Hudson Lowe geschrieben.
"Es sind darin Züge der kostbarsten Art, sagte er, die nur von unmittelbaren Augenzeugen herrühren kön¬ nen. Sie wissen, Napoleon trug gewöhnlich eine dun¬ kelgrüne Uniform. Von vielem Tragen und Sonne war sie zuletzt völlig unscheinbar geworden, so daß die Nothwendigkeit gefühlt wurde, sie durch eine andere zu ersetzen. Er wünschte dieselbe dunkelgrüne Farbe, allein auf der Insel waren keine Vorräthe dieser Art; es fand sich zwar ein grünes Tuch, allein die Farbe war unrein und fiel ins Gelbliche. Eine solche Farbe auf seinen Leib zu nehmen, war nun dem Herrn der Welt un¬ möglich, und es blieb ihm nichts übrig, als seine alte Uniform wenden zu lassen und sie so zu tragen." --
"Was sagen Sie dazu? Ist es nicht ein vollkom¬ men tragischer Zug? Ist es nicht rührend, den Herrn der Könige zuletzt soweit reducirt zu sehen, daß er eine gewendete Uniform tragen muß? Und doch, wenn man bedenkt, daß ein solches Ende einen Mann traf, der das Leben und Glück von Millionen mit Füßen getreten hatte, so ist das Schicksal, das ihm widerfuhr, immer
es ſchon kommen: ſie wird hingehen, wie der Großher¬ zog, in voller Kraft und Herrſchaft des Geiſtes, wenn der Koͤrper ſchon aufgehoͤrt haben wird zu gehorchen.“
Goethe ſchien ſichtbar betruͤbt und war eine Weile ſtille. Bald aber ſprachen wir wieder uͤber heitere Dinge, und er erzaͤhlte mir von einem Buch, zur Rechtfertigung von Hudſon Lowe geſchrieben.
„Es ſind darin Zuͤge der koſtbarſten Art, ſagte er, die nur von unmittelbaren Augenzeugen herruͤhren koͤn¬ nen. Sie wiſſen, Napoleon trug gewoͤhnlich eine dun¬ kelgruͤne Uniform. Von vielem Tragen und Sonne war ſie zuletzt voͤllig unſcheinbar geworden, ſo daß die Nothwendigkeit gefuͤhlt wurde, ſie durch eine andere zu erſetzen. Er wuͤnſchte dieſelbe dunkelgruͤne Farbe, allein auf der Inſel waren keine Vorraͤthe dieſer Art; es fand ſich zwar ein gruͤnes Tuch, allein die Farbe war unrein und fiel ins Gelbliche. Eine ſolche Farbe auf ſeinen Leib zu nehmen, war nun dem Herrn der Welt un¬ moͤglich, und es blieb ihm nichts uͤbrig, als ſeine alte Uniform wenden zu laſſen und ſie ſo zu tragen.“ —
„Was ſagen Sie dazu? Iſt es nicht ein vollkom¬ men tragiſcher Zug? Iſt es nicht ruͤhrend, den Herrn der Koͤnige zuletzt ſoweit reducirt zu ſehen, daß er eine gewendete Uniform tragen muß? Und doch, wenn man bedenkt, daß ein ſolches Ende einen Mann traf, der das Leben und Gluͤck von Millionen mit Fuͤßen getreten hatte, ſo iſt das Schickſal, das ihm widerfuhr, immer
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es ſchon kommen: ſie wird hingehen, wie der Großher¬
zog, in voller Kraft und Herrſchaft des Geiſtes, wenn
der Koͤrper ſchon aufgehoͤrt haben wird zu gehorchen.“
Goethe ſchien ſichtbar betruͤbt und war eine Weile
ſtille. Bald aber ſprachen wir wieder uͤber heitere
Dinge, und er erzaͤhlte mir von einem Buch, zur
Rechtfertigung von Hudſon Lowe geſchrieben.
„Es ſind darin Zuͤge der koſtbarſten Art, ſagte er,
die nur von unmittelbaren Augenzeugen herruͤhren koͤn¬
nen. Sie wiſſen, Napoleon trug gewoͤhnlich eine dun¬
kelgruͤne Uniform. Von vielem Tragen und Sonne
war ſie zuletzt voͤllig unſcheinbar geworden, ſo daß die
Nothwendigkeit gefuͤhlt wurde, ſie durch eine andere zu
erſetzen. Er wuͤnſchte dieſelbe dunkelgruͤne Farbe, allein
auf der Inſel waren keine Vorraͤthe dieſer Art; es fand
ſich zwar ein gruͤnes Tuch, allein die Farbe war unrein
und fiel ins Gelbliche. Eine ſolche Farbe auf ſeinen
Leib zu nehmen, war nun dem Herrn der Welt un¬
moͤglich, und es blieb ihm nichts uͤbrig, als ſeine alte
Uniform wenden zu laſſen und ſie ſo zu tragen.“ —
„Was ſagen Sie dazu? Iſt es nicht ein vollkom¬
men tragiſcher Zug? Iſt es nicht ruͤhrend, den Herrn
der Koͤnige zuletzt ſoweit reducirt zu ſehen, daß er eine
gewendete Uniform tragen muß? Und doch, wenn man
bedenkt, daß ein ſolches Ende einen Mann traf, der
das Leben und Gluͤck von Millionen mit Fuͤßen getreten
hatte, ſo iſt das Schickſal, das ihm widerfuhr, immer
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836/193>, abgerufen am 23.11.2024.
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