saale sah ich Kaiser und Hof einziehen, um das Schau¬ spiel zu sehen. Der Vorhang hebt sich und das Thea¬ ter, ein griechischer Tempel, ist mir vor Augen. Me¬ phistopheles im Souffleurkasten, der Astrolog auf der einen Seite des Prosceniums, Faust auf der andern mit dem Dreyfuß heraufsteigend. Er spricht die nöthige Formel aus und es erscheint, aus dem Weihrauch¬ dampf der Schale sich entwickelnd, Paris. Indem der schöne Jüngling bey ätherischer Musik sich be¬ wegt, wird er beschrieben. Er setzt sich, er lehnt sich, den Arm über den Kopf gebogen, wie wir ihn auf alten Bildwerken dargestellt finden. Er ist das Ent¬ zücken der Frauen, die die Reize seiner Jugendfülle aussprechen; er ist der Haß der Männer, in denen sich Neid und Eifersucht regt und die ihn herunterziehen wie sie nur können. Paris entschläft und es erscheint Helena. Sie naht sich dem Schlafenden, sie drückt einen Kuß auf seine Lippen; sie entfernt sich von ihm und wendet sich, nach ihm zurückzublicken. In dieser Wendung erscheint sie besonders reizend. Sie macht den Eindruck auf die Männer, wie Paris auf die Frauen. Die Männer zu Liebe und Lob entzündet, die Frauen zu Neid, Haß und Tadel. Faust selber ist ganz Entzücken und vergißt, im Anblick der Schönheit die er hervorgerufen, Zeit, Ort und Verhältniß, so daß Mephistopheles jeden Augenblick nöthig findet, ihn zu erinnern, daß er ja ganz aus der Rolle falle. Neigung
ſaale ſah ich Kaiſer und Hof einziehen, um das Schau¬ ſpiel zu ſehen. Der Vorhang hebt ſich und das Thea¬ ter, ein griechiſcher Tempel, iſt mir vor Augen. Me¬ phiſtopheles im Souffleurkaſten, der Aſtrolog auf der einen Seite des Proſceniums, Fauſt auf der andern mit dem Dreyfuß heraufſteigend. Er ſpricht die noͤthige Formel aus und es erſcheint, aus dem Weihrauch¬ dampf der Schale ſich entwickelnd, Paris. Indem der ſchoͤne Juͤngling bey aͤtheriſcher Muſik ſich be¬ wegt, wird er beſchrieben. Er ſetzt ſich, er lehnt ſich, den Arm uͤber den Kopf gebogen, wie wir ihn auf alten Bildwerken dargeſtellt finden. Er iſt das Ent¬ zuͤcken der Frauen, die die Reize ſeiner Jugendfuͤlle ausſprechen; er iſt der Haß der Maͤnner, in denen ſich Neid und Eiferſucht regt und die ihn herunterziehen wie ſie nur koͤnnen. Paris entſchlaͤft und es erſcheint Helena. Sie naht ſich dem Schlafenden, ſie druͤckt einen Kuß auf ſeine Lippen; ſie entfernt ſich von ihm und wendet ſich, nach ihm zuruͤckzublicken. In dieſer Wendung erſcheint ſie beſonders reizend. Sie macht den Eindruck auf die Maͤnner, wie Paris auf die Frauen. Die Maͤnner zu Liebe und Lob entzuͤndet, die Frauen zu Neid, Haß und Tadel. Fauſt ſelber iſt ganz Entzuͤcken und vergißt, im Anblick der Schoͤnheit die er hervorgerufen, Zeit, Ort und Verhaͤltniß, ſo daß Mephiſtopheles jeden Augenblick noͤthig findet, ihn zu erinnern, daß er ja ganz aus der Rolle falle. Neigung
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ſaale ſah ich Kaiſer und Hof einziehen, um das Schau¬
ſpiel zu ſehen. Der Vorhang hebt ſich und das Thea¬
ter, ein griechiſcher Tempel, iſt mir vor Augen. Me¬
phiſtopheles im Souffleurkaſten, der Aſtrolog auf der
einen Seite des Proſceniums, Fauſt auf der andern
mit dem Dreyfuß heraufſteigend. Er ſpricht die noͤthige
Formel aus und es erſcheint, aus dem Weihrauch¬
dampf der Schale ſich entwickelnd, Paris. Indem
der ſchoͤne Juͤngling bey aͤtheriſcher Muſik ſich be¬
wegt, wird er beſchrieben. Er ſetzt ſich, er lehnt ſich,
den Arm uͤber den Kopf gebogen, wie wir ihn auf
alten Bildwerken dargeſtellt finden. Er iſt das Ent¬
zuͤcken der Frauen, die die Reize ſeiner Jugendfuͤlle
ausſprechen; er iſt der Haß der Maͤnner, in denen ſich
Neid und Eiferſucht regt und die ihn herunterziehen
wie ſie nur koͤnnen. Paris entſchlaͤft und es erſcheint
Helena. Sie naht ſich dem Schlafenden, ſie druͤckt
einen Kuß auf ſeine Lippen; ſie entfernt ſich von ihm
und wendet ſich, nach ihm zuruͤckzublicken. In dieſer
Wendung erſcheint ſie beſonders reizend. Sie macht
den Eindruck auf die Maͤnner, wie Paris auf die
Frauen. Die Maͤnner zu Liebe und Lob entzuͤndet, die
Frauen zu Neid, Haß und Tadel. Fauſt ſelber iſt
ganz Entzuͤcken und vergißt, im Anblick der Schoͤnheit
die er hervorgerufen, Zeit, Ort und Verhaͤltniß, ſo daß
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836/175>, abgerufen am 23.11.2024.
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