daß der Mephistopheles gegen den Homunculus in Nach¬ theil zu stehen kommt, der ihm an geistiger Klarheit gleicht, und durch seine Tendenz zum Schönen und förderlich Thätigen so viel vor ihm voraus hat. Übri¬ gens nennt er ihn Herr Vetter; denn solche geistige Wesen, wie der Homunculus, die durch eine vollkom¬ mene Menschwerdung noch nicht verdüstert und beschränkt worden, zählte man zu den Dämonen, wodurch denn unter Beyden eine Art von Verwandtschaft existirt."
Gewiß, sagte ich, erscheint der Mephistopheles hier in einer untergeordneten Stellung; allein ich kann mich des Gedankens nicht erwehren, daß er zur Entstehung des Homunculus heimlich gewirkt hat, so wie wir ihn bisher kennen und wie er auch in der Helena immer als heimlich wirkendes Wesen erscheint. Und so hebt er sich denn im Ganzen wieder, und kann sich in seiner superioren Ruhe im Einzelnen wohl etwas gefallen lassen.
"Sie empfinden das Verhältniß sehr richtig, sagte Goethe; es ist so, und ich habe schon gedacht, ob ich nicht dem Mephistopheles, wie er zu Wagner geht und der Homunculus im Werden ist, einige Verse in den Mund legen soll, wodurch seine Mitwirkung ausgespro¬ chen und dem Leser deutlich würde."
Das könnte nicht schaden, sagte ich. Angedeutet jedoch ist es schon, indem Mephistopheles die Scene mit den Worten schließt:
daß der Mephiſtopheles gegen den Homunculus in Nach¬ theil zu ſtehen kommt, der ihm an geiſtiger Klarheit gleicht, und durch ſeine Tendenz zum Schoͤnen und foͤrderlich Thaͤtigen ſo viel vor ihm voraus hat. Übri¬ gens nennt er ihn Herr Vetter; denn ſolche geiſtige Weſen, wie der Homunculus, die durch eine vollkom¬ mene Menſchwerdung noch nicht verduͤſtert und beſchraͤnkt worden, zaͤhlte man zu den Daͤmonen, wodurch denn unter Beyden eine Art von Verwandtſchaft exiſtirt.“
Gewiß, ſagte ich, erſcheint der Mephiſtopheles hier in einer untergeordneten Stellung; allein ich kann mich des Gedankens nicht erwehren, daß er zur Entſtehung des Homunculus heimlich gewirkt hat, ſo wie wir ihn bisher kennen und wie er auch in der Helena immer als heimlich wirkendes Weſen erſcheint. Und ſo hebt er ſich denn im Ganzen wieder, und kann ſich in ſeiner ſuperioren Ruhe im Einzelnen wohl etwas gefallen laſſen.
„Sie empfinden das Verhaͤltniß ſehr richtig, ſagte Goethe; es iſt ſo, und ich habe ſchon gedacht, ob ich nicht dem Mephiſtopheles, wie er zu Wagner geht und der Homunculus im Werden iſt, einige Verſe in den Mund legen ſoll, wodurch ſeine Mitwirkung ausgeſpro¬ chen und dem Leſer deutlich wuͤrde.“
Das koͤnnte nicht ſchaden, ſagte ich. Angedeutet jedoch iſt es ſchon, indem Mephiſtopheles die Scene mit den Worten ſchließt:
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daß der Mephiſtopheles gegen den Homunculus in Nach¬
theil zu ſtehen kommt, der ihm an geiſtiger Klarheit
gleicht, und durch ſeine Tendenz zum Schoͤnen und
foͤrderlich Thaͤtigen ſo viel vor ihm voraus hat. Übri¬
gens nennt er ihn Herr Vetter; denn ſolche geiſtige
Weſen, wie der Homunculus, die durch eine vollkom¬
mene Menſchwerdung noch nicht verduͤſtert und beſchraͤnkt
worden, zaͤhlte man zu den Daͤmonen, wodurch denn
unter Beyden eine Art von Verwandtſchaft exiſtirt.“
Gewiß, ſagte ich, erſcheint der Mephiſtopheles hier
in einer untergeordneten Stellung; allein ich kann mich
des Gedankens nicht erwehren, daß er zur Entſtehung
des Homunculus heimlich gewirkt hat, ſo wie wir ihn
bisher kennen und wie er auch in der Helena immer
als heimlich wirkendes Weſen erſcheint. Und ſo hebt er
ſich denn im Ganzen wieder, und kann ſich in ſeiner
ſuperioren Ruhe im Einzelnen wohl etwas gefallen
laſſen.
„Sie empfinden das Verhaͤltniß ſehr richtig, ſagte
Goethe; es iſt ſo, und ich habe ſchon gedacht, ob ich
nicht dem Mephiſtopheles, wie er zu Wagner geht und
der Homunculus im Werden iſt, einige Verſe in den
Mund legen ſoll, wodurch ſeine Mitwirkung ausgeſpro¬
chen und dem Leſer deutlich wuͤrde.“
Das koͤnnte nicht ſchaden, ſagte ich. Angedeutet
jedoch iſt es ſchon, indem Mephiſtopheles die Scene
mit den Worten ſchließt:
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836/165>, abgerufen am 24.11.2024.
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