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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836.

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Gunst gesetzt hatte. Die Zeitungen wurden gebracht,
worin wir uns theilten, in Erwartung der Suppe.

Als an der Tagesordnung kam die Emancipation
der Irländer sehr bald zur Erwähnung. "Das Lehr¬
reiche für uns dabey ist, sagte Goethe, daß bey dieser
Gelegenheit Dinge an den Tag kommen, woran niemand
gedacht hat, und die ohne diese Veranlassung nie wären
zur Sprache gebracht worden. Recht klar über den
irländischen Zustand werden wir aber doch nicht, denn
die Sache ist zu verwickelt. So viel aber sieht man,
daß dieses Land an Übeln leidet, die durch kein Mittel
und also auch nicht durch die Emancipation gehoben
werden können. War es bis jetzt ein Unglück, daß
Irland seine Übel alleine trug, so ist es jetzt ein Unglück,
daß England mit hineingezogen wird. Das ist die
Sache. Und den Catholiken ist gar nicht zu trauen.
Man sieht, welchen schlimmen Stand die zwei Millionen
Protestanten, gegen die Übermacht der fünf Millionen Ca¬
tholiken, bisher in Irland gehabt haben, und wie z. B.
arme protestantische Pächter gedrückt, chikanirt und ge¬
quält worden, die von catholischen Nachbarn umgeben
waren. Die Catholiken vertragen sich unter sich nicht,
aber sie halten immer zusammen, wenn es gegen einen
Protestanten geht. Sie sind einer Meute Hunden gleich,
die sich unter einander beißen, aber, sobald sich ein
Hirsch zeigt, sogleich einig sind und in Masse auf ihn
los gehen."

Gunſt geſetzt hatte. Die Zeitungen wurden gebracht,
worin wir uns theilten, in Erwartung der Suppe.

Als an der Tagesordnung kam die Emancipation
der Irlaͤnder ſehr bald zur Erwaͤhnung. „Das Lehr¬
reiche fuͤr uns dabey iſt, ſagte Goethe, daß bey dieſer
Gelegenheit Dinge an den Tag kommen, woran niemand
gedacht hat, und die ohne dieſe Veranlaſſung nie waͤren
zur Sprache gebracht worden. Recht klar uͤber den
irlaͤndiſchen Zuſtand werden wir aber doch nicht, denn
die Sache iſt zu verwickelt. So viel aber ſieht man,
daß dieſes Land an Übeln leidet, die durch kein Mittel
und alſo auch nicht durch die Emancipation gehoben
werden koͤnnen. War es bis jetzt ein Ungluͤck, daß
Irland ſeine Übel alleine trug, ſo iſt es jetzt ein Ungluͤck,
daß England mit hineingezogen wird. Das iſt die
Sache. Und den Catholiken iſt gar nicht zu trauen.
Man ſieht, welchen ſchlimmen Stand die zwei Millionen
Proteſtanten, gegen die Übermacht der fuͤnf Millionen Ca¬
tholiken, bisher in Irland gehabt haben, und wie z. B.
arme proteſtantiſche Paͤchter gedruͤckt, chikanirt und ge¬
quaͤlt worden, die von catholiſchen Nachbarn umgeben
waren. Die Catholiken vertragen ſich unter ſich nicht,
aber ſie halten immer zuſammen, wenn es gegen einen
Proteſtanten geht. Sie ſind einer Meute Hunden gleich,
die ſich unter einander beißen, aber, ſobald ſich ein
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los gehen.“

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[111/0121] Gunſt geſetzt hatte. Die Zeitungen wurden gebracht, worin wir uns theilten, in Erwartung der Suppe. Als an der Tagesordnung kam die Emancipation der Irlaͤnder ſehr bald zur Erwaͤhnung. „Das Lehr¬ reiche fuͤr uns dabey iſt, ſagte Goethe, daß bey dieſer Gelegenheit Dinge an den Tag kommen, woran niemand gedacht hat, und die ohne dieſe Veranlaſſung nie waͤren zur Sprache gebracht worden. Recht klar uͤber den irlaͤndiſchen Zuſtand werden wir aber doch nicht, denn die Sache iſt zu verwickelt. So viel aber ſieht man, daß dieſes Land an Übeln leidet, die durch kein Mittel und alſo auch nicht durch die Emancipation gehoben werden koͤnnen. War es bis jetzt ein Ungluͤck, daß Irland ſeine Übel alleine trug, ſo iſt es jetzt ein Ungluͤck, daß England mit hineingezogen wird. Das iſt die Sache. Und den Catholiken iſt gar nicht zu trauen. Man ſieht, welchen ſchlimmen Stand die zwei Millionen Proteſtanten, gegen die Übermacht der fuͤnf Millionen Ca¬ tholiken, bisher in Irland gehabt haben, und wie z. B. arme proteſtantiſche Paͤchter gedruͤckt, chikanirt und ge¬ quaͤlt worden, die von catholiſchen Nachbarn umgeben waren. Die Catholiken vertragen ſich unter ſich nicht, aber ſie halten immer zuſammen, wenn es gegen einen Proteſtanten geht. Sie ſind einer Meute Hunden gleich, die ſich unter einander beißen, aber, ſobald ſich ein Hirſch zeigt, ſogleich einig ſind und in Maſſe auf ihn los gehen.“

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Zitationshilfe: Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836/121>, abgerufen am 22.11.2024.