Literatur, die Sucht unserer Poeten nach Originalität, und daß jeder glaubt eine neue Bahn machen zu müssen, so wie die Absonderung und Verisolirung unserer Ge¬ lehrten, wo jeder für sich steht und von seinem Puncte aus sein Wesen treibt, Alles kommt daher. Franzosen und Engländer dagegen halten weit mehr zusammen und richten sich nach einander. In Kleidung und Be¬ tragen haben sie etwas Übereinstimmendes. Sie fürch¬ ten von einander abzuweichen, um sich nicht auffallend oder gar lächerlich zu machen. Die Deutschen aber gehen jeder seinem Kopfe nach, jeder sucht sich selber genug zu thun; er fragt nicht nach dem Andern, denn in jedem lebt, wie Guizot richtig gefunden hat, die Idee der persönlichen Freyheit, woraus denn, wie gesagt, viel Treffliches hervorgeht, aber auch viel Absurdes."
Dienstag, den 7. April 1829.
Ich fand, als ich hereintrat, Hofrath Meyer, der einige Zeit unpäßlich gewesen, mit Goethe am Tisch sitzen, und freute mich, ihn wieder so weit hergestellt zu sehen. Sie sprachen von Kunstsachen, von Peel, der einen Claude Lorrain für viertausend Pfund ge¬ kauft, wodurch Peel sich denn besonders in Meyers
Literatur, die Sucht unſerer Poeten nach Originalitaͤt, und daß jeder glaubt eine neue Bahn machen zu muͤſſen, ſo wie die Abſonderung und Veriſolirung unſerer Ge¬ lehrten, wo jeder fuͤr ſich ſteht und von ſeinem Puncte aus ſein Weſen treibt, Alles kommt daher. Franzoſen und Englaͤnder dagegen halten weit mehr zuſammen und richten ſich nach einander. In Kleidung und Be¬ tragen haben ſie etwas Übereinſtimmendes. Sie fuͤrch¬ ten von einander abzuweichen, um ſich nicht auffallend oder gar laͤcherlich zu machen. Die Deutſchen aber gehen jeder ſeinem Kopfe nach, jeder ſucht ſich ſelber genug zu thun; er fragt nicht nach dem Andern, denn in jedem lebt, wie Guizot richtig gefunden hat, die Idee der perſoͤnlichen Freyheit, woraus denn, wie geſagt, viel Treffliches hervorgeht, aber auch viel Abſurdes.“
Dienſtag, den 7. April 1829.
Ich fand, als ich hereintrat, Hofrath Meyer, der einige Zeit unpaͤßlich geweſen, mit Goethe am Tiſch ſitzen, und freute mich, ihn wieder ſo weit hergeſtellt zu ſehen. Sie ſprachen von Kunſtſachen, von Peel, der einen Claude Lorrain fuͤr viertauſend Pfund ge¬ kauft, wodurch Peel ſich denn beſonders in Meyers
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Literatur, die Sucht unſerer Poeten nach Originalitaͤt,
und daß jeder glaubt eine neue Bahn machen zu muͤſſen,
ſo wie die Abſonderung und Veriſolirung unſerer Ge¬
lehrten, wo jeder fuͤr ſich ſteht und von ſeinem Puncte
aus ſein Weſen treibt, Alles kommt daher. Franzoſen
und Englaͤnder dagegen halten weit mehr zuſammen
und richten ſich nach einander. In Kleidung und Be¬
tragen haben ſie etwas Übereinſtimmendes. Sie fuͤrch¬
ten von einander abzuweichen, um ſich nicht auffallend
oder gar laͤcherlich zu machen. Die Deutſchen aber
gehen jeder ſeinem Kopfe nach, jeder ſucht ſich ſelber
genug zu thun; er fragt nicht nach dem Andern, denn
in jedem lebt, wie Guizot richtig gefunden hat, die
Idee der perſoͤnlichen Freyheit, woraus denn, wie geſagt,
viel Treffliches hervorgeht, aber auch viel Abſurdes.“
Dienſtag, den 7. April 1829.
Ich fand, als ich hereintrat, Hofrath Meyer, der
einige Zeit unpaͤßlich geweſen, mit Goethe am Tiſch
ſitzen, und freute mich, ihn wieder ſo weit hergeſtellt
zu ſehen. Sie ſprachen von Kunſtſachen, von Peel,
der einen Claude Lorrain fuͤr viertauſend Pfund ge¬
kauft, wodurch Peel ſich denn beſonders in Meyers
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836/120>, abgerufen am 22.11.2024.
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