Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836.erstaunen! Von der früheren Organisation der Erde hat Von Zelter grüßte mich Goethe, welches mir Freude Cupido, loser, eigensinniger Knabe! Du batst mich um Quartier auf einige Stunden. Wie viele Tag' und Nächte bist du geblieben! Und bist nun herrisch und Meister im Hause geworden. Von meinem breiten Lager bin ich vertrieben; Nun sitz' ich an der Erde, Nächte gequälet. Dein Muthwill' schüret Flamm' auf Flamme des Herdes, Verbrennet den Vorrath des Winters und senget mich Armen. Du hast mir mein Geräth verstellt und verschoben. Ich such' und bin wie blind und irre geworden; Du lärmst so ungeschickt; ich fürchte das Seelchen Entflieht, um dir zu entfliehn, und räumet die Hütte. kommen neu erschien. "Es kann Ihnen nicht fremd erſtaunen! Von der fruͤheren Organiſation der Erde hat Von Zelter gruͤßte mich Goethe, welches mir Freude Cupido, loſer, eigenſinniger Knabe! Du batſt mich um Quartier auf einige Stunden. Wie viele Tag' und Naͤchte biſt du geblieben! Und biſt nun herriſch und Meiſter im Hauſe geworden. Von meinem breiten Lager bin ich vertrieben; Nun ſitz' ich an der Erde, Naͤchte gequaͤlet. Dein Muthwill' ſchuͤret Flamm' auf Flamme des Herdes, Verbrennet den Vorrath des Winters und ſenget mich Armen. Du haſt mir mein Geraͤth verſtellt und verſchoben. Ich ſuch' und bin wie blind und irre geworden; Du laͤrmſt ſo ungeſchickt; ich fuͤrchte das Seelchen Entflieht, um dir zu entfliehn, und raͤumet die Huͤtte. kommen neu erſchien. „Es kann Ihnen nicht fremd <TEI> <text> <body> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0111" n="101"/> erſtaunen! Von der fruͤheren Organiſation der Erde hat<lb/> man gar keinen Begriff, und ich kann es Herrn <hi rendition="#g">von<lb/> Buch</hi> nicht verdenken, wenn er die Menſchen endoctri¬<lb/> nirt, um ſeine Hypotheſen zu verbreiten. Er weiß<lb/> nichts, aber niemand weiß mehr, und da iſt es denn<lb/> am Ende einerley was gelehret wird, wenn es nur eini¬<lb/> germaßen einen Anſchein von Vernunft hat.“</p><lb/> <p>Von <hi rendition="#g">Zelter</hi> gruͤßte mich Goethe, welches mir Freude<lb/> machte. Dann ſprachen wir von ſeiner italieniſchen<lb/> Reiſe, und er ſagte mir, daß er in einem ſeiner Briefe<lb/> aus Italien ein Lied gefunden, das er mir zeigen wolle.<lb/> Er bat mich, ihm ein Paket Schriften zu reichen, das<lb/> mir gegenuͤber auf dem Pulte lag. Ich gab es ihm,<lb/> es waren ſeine Briefe aus Italien; er ſuchte das Ge¬<lb/> dicht und las:<lb/><lg type="poem"><lg n="1"><l>Cupido, loſer, eigenſinniger Knabe!</l><lb/><l>Du batſt mich um Quartier auf einige Stunden.</l><lb/><l>Wie viele Tag' und Naͤchte biſt du geblieben!</l><lb/><l>Und biſt nun herriſch und Meiſter im Hauſe geworden.</l><lb/></lg><lg n="2"><l>Von meinem breiten Lager bin ich vertrieben;</l><lb/><l>Nun ſitz' ich an der Erde, Naͤchte gequaͤlet.</l><lb/><l>Dein Muthwill' ſchuͤret Flamm' auf Flamme des Herdes,</l><lb/><l>Verbrennet den Vorrath des Winters und ſenget mich Armen.</l><lb/></lg><lg n="3"><l>Du haſt mir mein Geraͤth verſtellt und verſchoben.</l><lb/><l>Ich ſuch' und bin wie blind und irre geworden;</l><lb/><l>Du laͤrmſt ſo ungeſchickt; ich fuͤrchte das Seelchen</l><lb/><l>Entflieht, um dir zu entfliehn, und raͤumet die Huͤtte.</l><lb/></lg></lg> Ich freute mich ſehr uͤber dieß Gedicht, das mir voll¬<lb/> kommen neu erſchien. „Es kann Ihnen nicht fremd<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [101/0111]
erſtaunen! Von der fruͤheren Organiſation der Erde hat
man gar keinen Begriff, und ich kann es Herrn von
Buch nicht verdenken, wenn er die Menſchen endoctri¬
nirt, um ſeine Hypotheſen zu verbreiten. Er weiß
nichts, aber niemand weiß mehr, und da iſt es denn
am Ende einerley was gelehret wird, wenn es nur eini¬
germaßen einen Anſchein von Vernunft hat.“
Von Zelter gruͤßte mich Goethe, welches mir Freude
machte. Dann ſprachen wir von ſeiner italieniſchen
Reiſe, und er ſagte mir, daß er in einem ſeiner Briefe
aus Italien ein Lied gefunden, das er mir zeigen wolle.
Er bat mich, ihm ein Paket Schriften zu reichen, das
mir gegenuͤber auf dem Pulte lag. Ich gab es ihm,
es waren ſeine Briefe aus Italien; er ſuchte das Ge¬
dicht und las:
Cupido, loſer, eigenſinniger Knabe!
Du batſt mich um Quartier auf einige Stunden.
Wie viele Tag' und Naͤchte biſt du geblieben!
Und biſt nun herriſch und Meiſter im Hauſe geworden.
Von meinem breiten Lager bin ich vertrieben;
Nun ſitz' ich an der Erde, Naͤchte gequaͤlet.
Dein Muthwill' ſchuͤret Flamm' auf Flamme des Herdes,
Verbrennet den Vorrath des Winters und ſenget mich Armen.
Du haſt mir mein Geraͤth verſtellt und verſchoben.
Ich ſuch' und bin wie blind und irre geworden;
Du laͤrmſt ſo ungeſchickt; ich fuͤrchte das Seelchen
Entflieht, um dir zu entfliehn, und raͤumet die Huͤtte.
Ich freute mich ſehr uͤber dieß Gedicht, das mir voll¬
kommen neu erſchien. „Es kann Ihnen nicht fremd
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Zitationshilfe: | Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836/111>, abgerufen am 26.07.2024. |