Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 1. Leipzig, 1836.

Bild:
<< vorherige Seite

Grade unterhaltend. Goethe war im Ganzen still, in¬
dem er nur von Zeit zu Zeit als Zwischenbemerkung
mit etwas Bedeutendem hervorkam. Dabey blickte er
hin und wieder in die Zeitungen und theilte uns einige
Stellen mit, besonders über die Fortschritte der Griechen.

Es kam dann zur Sprache, daß ich noch Englisch
lernen müsse, wozu Goethe dringend rieth, besonders
des Lord Byron wegen, dessen Persönlichkeit von solcher
Eminenz, wie sie nicht dagewesen und wohl schwerlich
wieder kommen werde. Man ging die hiesigen Lehrer
durch, fand aber keinen von einer durchaus guten Aus¬
sprache, weßhalb man es für besser hielt, sich an junge
Engländer zu halten.

Nach Tisch zeigte Goethe mir einige Experimente in
Bezug auf die Farbenlehre. Der Gegenstand war mir
jedoch durchaus fremd, ich verstand so wenig das Phä¬
nomen als das, was er darüber sagte; doch hoffte ich,
daß die Zukunft mir Muße und Gelegenheit geben würde,
in dieser Wissenschaft einigermaßen einheimisch zu werden.


Ich war diesen Abend bey Goethe. Wir sprachen
über die Pandora. Ich fragte ihn, ob man diese
Dichtung wohl als ein Ganzes ansehen könne, oder
ob noch etwas Weiteres davon existire. Er sagte, es
sey weiter nichts vorhanden, er habe es nicht weiter

Grade unterhaltend. Goethe war im Ganzen ſtill, in¬
dem er nur von Zeit zu Zeit als Zwiſchenbemerkung
mit etwas Bedeutendem hervorkam. Dabey blickte er
hin und wieder in die Zeitungen und theilte uns einige
Stellen mit, beſonders uͤber die Fortſchritte der Griechen.

Es kam dann zur Sprache, daß ich noch Engliſch
lernen muͤſſe, wozu Goethe dringend rieth, beſonders
des Lord Byron wegen, deſſen Perſoͤnlichkeit von ſolcher
Eminenz, wie ſie nicht dageweſen und wohl ſchwerlich
wieder kommen werde. Man ging die hieſigen Lehrer
durch, fand aber keinen von einer durchaus guten Aus¬
ſprache, weßhalb man es fuͤr beſſer hielt, ſich an junge
Englaͤnder zu halten.

Nach Tiſch zeigte Goethe mir einige Experimente in
Bezug auf die Farbenlehre. Der Gegenſtand war mir
jedoch durchaus fremd, ich verſtand ſo wenig das Phaͤ¬
nomen als das, was er daruͤber ſagte; doch hoffte ich,
daß die Zukunft mir Muße und Gelegenheit geben wuͤrde,
in dieſer Wiſſenſchaft einigermaßen einheimiſch zu werden.


Ich war dieſen Abend bey Goethe. Wir ſprachen
uͤber die Pandora. Ich fragte ihn, ob man dieſe
Dichtung wohl als ein Ganzes anſehen koͤnne, oder
ob noch etwas Weiteres davon exiſtire. Er ſagte, es
ſey weiter nichts vorhanden, er habe es nicht weiter

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0083" n="63"/>
Grade unterhaltend. Goethe war im Ganzen &#x017F;till, in¬<lb/>
dem er nur von Zeit zu Zeit als Zwi&#x017F;chenbemerkung<lb/>
mit etwas Bedeutendem hervorkam. Dabey blickte er<lb/>
hin und wieder in die Zeitungen und theilte uns einige<lb/>
Stellen mit, be&#x017F;onders u&#x0364;ber die Fort&#x017F;chritte der Griechen.</p><lb/>
          <p>Es kam dann zur Sprache, daß ich noch Engli&#x017F;ch<lb/>
lernen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e, wozu Goethe dringend rieth, be&#x017F;onders<lb/>
des Lord Byron wegen, de&#x017F;&#x017F;en Per&#x017F;o&#x0364;nlichkeit von &#x017F;olcher<lb/>
Eminenz, wie &#x017F;ie nicht dagewe&#x017F;en und wohl &#x017F;chwerlich<lb/>
wieder kommen werde. Man ging die hie&#x017F;igen Lehrer<lb/>
durch, fand aber keinen von einer durchaus guten Aus¬<lb/>
&#x017F;prache, weßhalb man es fu&#x0364;r be&#x017F;&#x017F;er hielt, &#x017F;ich an junge<lb/>
Engla&#x0364;nder zu halten.</p><lb/>
          <p>Nach Ti&#x017F;ch zeigte Goethe mir einige Experimente in<lb/>
Bezug auf die Farbenlehre. Der Gegen&#x017F;tand war mir<lb/>
jedoch durchaus fremd, ich ver&#x017F;tand &#x017F;o wenig das Pha&#x0364;¬<lb/>
nomen als das, was er daru&#x0364;ber &#x017F;agte; doch hoffte ich,<lb/>
daß die Zukunft mir Muße und Gelegenheit geben wu&#x0364;rde,<lb/>
in die&#x017F;er Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft einigermaßen einheimi&#x017F;ch zu werden.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        </div>
        <div n="2">
          <dateline rendition="#right">Dien&#x017F;tag den 21. October 1823.<lb/></dateline>
          <p>Ich war die&#x017F;en Abend bey Goethe. Wir &#x017F;prachen<lb/>
u&#x0364;ber die <hi rendition="#g">Pandora</hi>. Ich fragte ihn, ob man die&#x017F;e<lb/>
Dichtung wohl als ein Ganzes an&#x017F;ehen ko&#x0364;nne, oder<lb/>
ob noch etwas Weiteres davon exi&#x017F;tire. Er &#x017F;agte, es<lb/>
&#x017F;ey weiter nichts vorhanden, er habe es nicht weiter<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[63/0083] Grade unterhaltend. Goethe war im Ganzen ſtill, in¬ dem er nur von Zeit zu Zeit als Zwiſchenbemerkung mit etwas Bedeutendem hervorkam. Dabey blickte er hin und wieder in die Zeitungen und theilte uns einige Stellen mit, beſonders uͤber die Fortſchritte der Griechen. Es kam dann zur Sprache, daß ich noch Engliſch lernen muͤſſe, wozu Goethe dringend rieth, beſonders des Lord Byron wegen, deſſen Perſoͤnlichkeit von ſolcher Eminenz, wie ſie nicht dageweſen und wohl ſchwerlich wieder kommen werde. Man ging die hieſigen Lehrer durch, fand aber keinen von einer durchaus guten Aus¬ ſprache, weßhalb man es fuͤr beſſer hielt, ſich an junge Englaͤnder zu halten. Nach Tiſch zeigte Goethe mir einige Experimente in Bezug auf die Farbenlehre. Der Gegenſtand war mir jedoch durchaus fremd, ich verſtand ſo wenig das Phaͤ¬ nomen als das, was er daruͤber ſagte; doch hoffte ich, daß die Zukunft mir Muße und Gelegenheit geben wuͤrde, in dieſer Wiſſenſchaft einigermaßen einheimiſch zu werden. Dienſtag den 21. October 1823. Ich war dieſen Abend bey Goethe. Wir ſprachen uͤber die Pandora. Ich fragte ihn, ob man dieſe Dichtung wohl als ein Ganzes anſehen koͤnne, oder ob noch etwas Weiteres davon exiſtire. Er ſagte, es ſey weiter nichts vorhanden, er habe es nicht weiter

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe01_1836
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe01_1836/83
Zitationshilfe: Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 1. Leipzig, 1836, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe01_1836/83>, abgerufen am 22.11.2024.