die Freude, einen Brief von Herrn von Cotta zu er¬ halten, worin er sich nicht allein zum Verlage meines ihm zugegangenen Manuscriptes sehr bereit erklärte, son¬ dern mir auch ein ansehnliches Honorar zusicherte und den Druck in Jena unter meinen Augen geschehen ließ.
So war nun meine Existenz wenigstens auf ein Jahr gedeckt, und ich fühlte den lebhaftesten Trieb, in dieser Zeit etwas Neues hervorzubringen und dadurch mein ferneres Glück als Autor zu begründen. Die theoretische und kritische Richtung hoffte ich durch die Aufsätze mei¬ ner Beyträge zur Poesie ein für allemal hinter mir zu haben; ich hatte mich dadurch über die vorzüg¬ lichsten Gesetze aufzuklären gesucht, und meine ganze in¬ nere Natur drängte mich nun zur practischen Ausübung. Ich hatte Pläne zu unzähligen Gedichten, größeren und kleineren, auch zu dramatischen Gegenständen verschiede¬ ner Art, und es handelte sich nach meinem Gefühl jetzt bloß darum, wohin ich mich wenden sollte um mit einigem Behagen eins nach dem andern ruhig ans Licht zu bringen.
In Jena gefiel es mir auf die Länge nicht, es war mir zu stille und einförmig. Ich verlangte nach einer großen Stadt, die nicht allein ein vorzügliches Theater besitze, sondern wo sich auch ein freyes großes Volks¬ leben entwickele, damit ich bedeutende Lebenselemente in mich aufzunehmen und meine innere Cultur auf das rascheste zu steigern vermöge. In einer solchen Stadt hoffte ich zugleich ganz unbemerkt leben und mich zu
die Freude, einen Brief von Herrn von Cotta zu er¬ halten, worin er ſich nicht allein zum Verlage meines ihm zugegangenen Manuſcriptes ſehr bereit erklaͤrte, ſon¬ dern mir auch ein anſehnliches Honorar zuſicherte und den Druck in Jena unter meinen Augen geſchehen ließ.
So war nun meine Exiſtenz wenigſtens auf ein Jahr gedeckt, und ich fuͤhlte den lebhafteſten Trieb, in dieſer Zeit etwas Neues hervorzubringen und dadurch mein ferneres Gluͤck als Autor zu begruͤnden. Die theoretiſche und kritiſche Richtung hoffte ich durch die Aufſaͤtze mei¬ ner Beytraͤge zur Poeſie ein fuͤr allemal hinter mir zu haben; ich hatte mich dadurch uͤber die vorzuͤg¬ lichſten Geſetze aufzuklaͤren geſucht, und meine ganze in¬ nere Natur draͤngte mich nun zur practiſchen Ausuͤbung. Ich hatte Plaͤne zu unzaͤhligen Gedichten, groͤßeren und kleineren, auch zu dramatiſchen Gegenſtaͤnden verſchiede¬ ner Art, und es handelte ſich nach meinem Gefuͤhl jetzt bloß darum, wohin ich mich wenden ſollte um mit einigem Behagen eins nach dem andern ruhig ans Licht zu bringen.
In Jena gefiel es mir auf die Laͤnge nicht, es war mir zu ſtille und einfoͤrmig. Ich verlangte nach einer großen Stadt, die nicht allein ein vorzuͤgliches Theater beſitze, ſondern wo ſich auch ein freyes großes Volks¬ leben entwickele, damit ich bedeutende Lebenselemente in mich aufzunehmen und meine innere Cultur auf das raſcheſte zu ſteigern vermoͤge. In einer ſolchen Stadt hoffte ich zugleich ganz unbemerkt leben und mich zu
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die Freude, einen Brief von Herrn von Cotta zu er¬
halten, worin er ſich nicht allein zum Verlage meines
ihm zugegangenen Manuſcriptes ſehr bereit erklaͤrte, ſon¬
dern mir auch ein anſehnliches Honorar zuſicherte und
den Druck in Jena unter meinen Augen geſchehen ließ.
So war nun meine Exiſtenz wenigſtens auf ein Jahr
gedeckt, und ich fuͤhlte den lebhafteſten Trieb, in dieſer
Zeit etwas Neues hervorzubringen und dadurch mein
ferneres Gluͤck als Autor zu begruͤnden. Die theoretiſche
und kritiſche Richtung hoffte ich durch die Aufſaͤtze mei¬
ner Beytraͤge zur Poeſie ein fuͤr allemal hinter
mir zu haben; ich hatte mich dadurch uͤber die vorzuͤg¬
lichſten Geſetze aufzuklaͤren geſucht, und meine ganze in¬
nere Natur draͤngte mich nun zur practiſchen Ausuͤbung.
Ich hatte Plaͤne zu unzaͤhligen Gedichten, groͤßeren und
kleineren, auch zu dramatiſchen Gegenſtaͤnden verſchiede¬
ner Art, und es handelte ſich nach meinem Gefuͤhl jetzt
bloß darum, wohin ich mich wenden ſollte um mit einigem
Behagen eins nach dem andern ruhig ans Licht zu bringen.
In Jena gefiel es mir auf die Laͤnge nicht, es war
mir zu ſtille und einfoͤrmig. Ich verlangte nach einer
großen Stadt, die nicht allein ein vorzuͤgliches Theater
beſitze, ſondern wo ſich auch ein freyes großes Volks¬
leben entwickele, damit ich bedeutende Lebenselemente in
mich aufzunehmen und meine innere Cultur auf das
raſcheſte zu ſteigern vermoͤge. In einer ſolchen Stadt
hoffte ich zugleich ganz unbemerkt leben und mich zu
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 1. Leipzig, 1836, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe01_1836/66>, abgerufen am 22.11.2024.
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