sondern auch den Menschen mit Muth ausrüstet, die Kämpfe des Lebens zu bestehen."
Goethe's Worte erhielten meine ganze Zustimmung.
Im Wagen zu unsern Füßen lag ein aus Binsen geflochtener Korb mit zwey Handgriffen, der meine Aufmerksamkeit erregte. "Ich habe ihn, sagte Goethe, aus Marienbad mitgebracht, wo man solche Körbe in allen Größen hat, und ich bin so an ihn gewöhnt, daß ich nicht reisen kann, ohne ihn bey mir zu führen. Sie sehen, wenn er leer ist, legt er sich zusammen und nimmt wenig Raum ein; gefüllt dehnt er sich nach al¬ len Seiten aus und faßt mehr, als man denken sollte. Er ist weich und biegsam und dabey so zähe und stark, daß man die schwersten Sachen darin fortbringen kann."
Er sieht sehr malerisch und sogar antik aus, sagte ich.
"Sie haben Recht, sagte Goethe, er kommt der Antike nahe, denn er ist nicht allein so vernünftig und zweckmäßig als möglich, sondern er hat auch dabey die einfachste, gefälligste Form, so daß man also sagen kann: er steht auf dem höchsten Punkt der Vollendung. Auf meinen mineralogischen Excursionen in den böhmischen Gebirgen ist er mir besonders zu Statten gekommen. Jetzt enthält er unser Frühstück. Hätte ich einen Ham¬ mer mit, so möchte es auch heute nicht an Gelegenheit fehlen, hin und wieder ein Stückchen abzuschlagen und ihn mit Steinen gefüllt zurückzubringen."
ſondern auch den Menſchen mit Muth ausruͤſtet, die Kaͤmpfe des Lebens zu beſtehen.“
Goethe's Worte erhielten meine ganze Zuſtimmung.
Im Wagen zu unſern Fuͤßen lag ein aus Binſen geflochtener Korb mit zwey Handgriffen, der meine Aufmerkſamkeit erregte. „Ich habe ihn, ſagte Goethe, aus Marienbad mitgebracht, wo man ſolche Koͤrbe in allen Groͤßen hat, und ich bin ſo an ihn gewoͤhnt, daß ich nicht reiſen kann, ohne ihn bey mir zu fuͤhren. Sie ſehen, wenn er leer iſt, legt er ſich zuſammen und nimmt wenig Raum ein; gefuͤllt dehnt er ſich nach al¬ len Seiten aus und faßt mehr, als man denken ſollte. Er iſt weich und biegſam und dabey ſo zaͤhe und ſtark, daß man die ſchwerſten Sachen darin fortbringen kann.“
Er ſieht ſehr maleriſch und ſogar antik aus, ſagte ich.
„Sie haben Recht, ſagte Goethe, er kommt der Antike nahe, denn er iſt nicht allein ſo vernuͤnftig und zweckmaͤßig als moͤglich, ſondern er hat auch dabey die einfachſte, gefaͤlligſte Form, ſo daß man alſo ſagen kann: er ſteht auf dem hoͤchſten Punkt der Vollendung. Auf meinen mineralogiſchen Excurſionen in den boͤhmiſchen Gebirgen iſt er mir beſonders zu Statten gekommen. Jetzt enthaͤlt er unſer Fruͤhſtuͤck. Haͤtte ich einen Ham¬ mer mit, ſo moͤchte es auch heute nicht an Gelegenheit fehlen, hin und wieder ein Stuͤckchen abzuſchlagen und ihn mit Steinen gefuͤllt zuruͤckzubringen.“
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0403"n="383"/>ſondern auch den Menſchen mit Muth ausruͤſtet, die<lb/>
Kaͤmpfe des Lebens zu beſtehen.“</p><lb/><p>Goethe's Worte erhielten meine ganze Zuſtimmung.</p><lb/><p>Im Wagen zu unſern Fuͤßen lag ein aus Binſen<lb/>
geflochtener Korb mit zwey Handgriffen, der meine<lb/>
Aufmerkſamkeit erregte. „Ich habe ihn, ſagte Goethe,<lb/>
aus Marienbad mitgebracht, wo man ſolche Koͤrbe in<lb/>
allen Groͤßen hat, und ich bin ſo an ihn gewoͤhnt, daß<lb/>
ich nicht reiſen kann, ohne ihn bey mir zu fuͤhren.<lb/>
Sie ſehen, wenn er leer iſt, legt er ſich zuſammen und<lb/>
nimmt wenig Raum ein; gefuͤllt dehnt er ſich nach al¬<lb/>
len Seiten aus und faßt mehr, als man denken ſollte.<lb/>
Er iſt weich und biegſam und dabey ſo zaͤhe und<lb/>ſtark, daß man die ſchwerſten Sachen darin fortbringen<lb/>
kann.“</p><lb/><p>Er ſieht ſehr maleriſch und ſogar antik aus, ſagte ich.</p><lb/><p>„Sie haben Recht, ſagte Goethe, er kommt der<lb/>
Antike nahe, denn er iſt nicht allein ſo vernuͤnftig und<lb/>
zweckmaͤßig als moͤglich, ſondern er hat auch dabey die<lb/>
einfachſte, gefaͤlligſte Form, ſo daß man alſo ſagen kann:<lb/>
er ſteht auf dem hoͤchſten Punkt der Vollendung. Auf<lb/>
meinen mineralogiſchen Excurſionen in den boͤhmiſchen<lb/>
Gebirgen iſt er mir beſonders zu Statten gekommen.<lb/>
Jetzt enthaͤlt er unſer Fruͤhſtuͤck. Haͤtte ich einen Ham¬<lb/>
mer mit, ſo moͤchte es auch heute nicht an Gelegenheit<lb/>
fehlen, hin und wieder ein Stuͤckchen abzuſchlagen und<lb/>
ihn mit Steinen gefuͤllt zuruͤckzubringen.“<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[383/0403]
ſondern auch den Menſchen mit Muth ausruͤſtet, die
Kaͤmpfe des Lebens zu beſtehen.“
Goethe's Worte erhielten meine ganze Zuſtimmung.
Im Wagen zu unſern Fuͤßen lag ein aus Binſen
geflochtener Korb mit zwey Handgriffen, der meine
Aufmerkſamkeit erregte. „Ich habe ihn, ſagte Goethe,
aus Marienbad mitgebracht, wo man ſolche Koͤrbe in
allen Groͤßen hat, und ich bin ſo an ihn gewoͤhnt, daß
ich nicht reiſen kann, ohne ihn bey mir zu fuͤhren.
Sie ſehen, wenn er leer iſt, legt er ſich zuſammen und
nimmt wenig Raum ein; gefuͤllt dehnt er ſich nach al¬
len Seiten aus und faßt mehr, als man denken ſollte.
Er iſt weich und biegſam und dabey ſo zaͤhe und
ſtark, daß man die ſchwerſten Sachen darin fortbringen
kann.“
Er ſieht ſehr maleriſch und ſogar antik aus, ſagte ich.
„Sie haben Recht, ſagte Goethe, er kommt der
Antike nahe, denn er iſt nicht allein ſo vernuͤnftig und
zweckmaͤßig als moͤglich, ſondern er hat auch dabey die
einfachſte, gefaͤlligſte Form, ſo daß man alſo ſagen kann:
er ſteht auf dem hoͤchſten Punkt der Vollendung. Auf
meinen mineralogiſchen Excurſionen in den boͤhmiſchen
Gebirgen iſt er mir beſonders zu Statten gekommen.
Jetzt enthaͤlt er unſer Fruͤhſtuͤck. Haͤtte ich einen Ham¬
mer mit, ſo moͤchte es auch heute nicht an Gelegenheit
fehlen, hin und wieder ein Stuͤckchen abzuſchlagen und
ihn mit Steinen gefuͤllt zuruͤckzubringen.“
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 1. Leipzig, 1836, S. 383. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe01_1836/403>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.