Wollen die Menschen Bestien seyn, So bringt nur Thiere zur Stube herein, Das Widerwärtige wird sich mindern; Wir sind eben alle von Adams Kindern.
Goethe lachte. "Ja, sagte er, es ist so. Eine Roheit kann nur durch eine andere ausgetrieben wer¬ den, die noch gewaltiger ist. Ich erinnere mich eines Falles aus meiner früheren Zeit, wo es unter den Ad¬ lichen hin und wieder noch recht bestialische Herren gab, daß bey Tafel in einer vorzüglichen Gesellschaft und in Anwesenheit von Frauen ein reicher Edelman sehr mas¬ sive Reden führte zur Unbequemlichkeit und zum Ärger¬ niß Aller, die ihn hören mußten. Mit Worten war gegen ihn nichts auszurichten. Ein entschlossener an¬ sehnlicher Herr, der ihm gegenüber saß, wählte daher ein anderes Mittel, indem er sehr laut eine grobe Unan¬ ständigkeit beging, worüber alle erschraken, und jener Grobian mit, so daß er sich gedämpft fühlte und nicht wieder den Mund aufthat. Das Gespräch nahm von diesem Augenblick an eine anmuthige heitere Wendung zur Freude aller Anwesenden, und man wußte jenem entschlossenen Herrn für seine unerhörte Kühnheit vielen Dank in Erwägung der trefflichen Wirkung, die sie ge¬ than hatte."
Nachdem wir uns an dieser heiteren Anecdote ergötzt hatten, brachte der Canzler das Gespräch auf die neue¬ sten Zustände zwischen der Oppositions- und der Mini¬
Wollen die Menſchen Beſtien ſeyn, So bringt nur Thiere zur Stube herein, Das Widerwaͤrtige wird ſich mindern; Wir ſind eben alle von Adams Kindern.
Goethe lachte. „Ja, ſagte er, es iſt ſo. Eine Roheit kann nur durch eine andere ausgetrieben wer¬ den, die noch gewaltiger iſt. Ich erinnere mich eines Falles aus meiner fruͤheren Zeit, wo es unter den Ad¬ lichen hin und wieder noch recht beſtialiſche Herren gab, daß bey Tafel in einer vorzuͤglichen Geſellſchaft und in Anweſenheit von Frauen ein reicher Edelman ſehr maſ¬ ſive Reden fuͤhrte zur Unbequemlichkeit und zum Ärger¬ niß Aller, die ihn hoͤren mußten. Mit Worten war gegen ihn nichts auszurichten. Ein entſchloſſener an¬ ſehnlicher Herr, der ihm gegenuͤber ſaß, waͤhlte daher ein anderes Mittel, indem er ſehr laut eine grobe Unan¬ ſtaͤndigkeit beging, woruͤber alle erſchraken, und jener Grobian mit, ſo daß er ſich gedaͤmpft fuͤhlte und nicht wieder den Mund aufthat. Das Geſpraͤch nahm von dieſem Augenblick an eine anmuthige heitere Wendung zur Freude aller Anweſenden, und man wußte jenem entſchloſſenen Herrn fuͤr ſeine unerhoͤrte Kuͤhnheit vielen Dank in Erwaͤgung der trefflichen Wirkung, die ſie ge¬ than hatte.“
Nachdem wir uns an dieſer heiteren Anecdote ergoͤtzt hatten, brachte der Canzler das Geſpraͤch auf die neue¬ ſten Zuſtaͤnde zwiſchen der Oppoſitions- und der Mini¬
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Wollen die Menſchen Beſtien ſeyn,
So bringt nur Thiere zur Stube herein,
Das Widerwaͤrtige wird ſich mindern;
Wir ſind eben alle von Adams Kindern.
Goethe lachte. „Ja, ſagte er, es iſt ſo. Eine
Roheit kann nur durch eine andere ausgetrieben wer¬
den, die noch gewaltiger iſt. Ich erinnere mich eines
Falles aus meiner fruͤheren Zeit, wo es unter den Ad¬
lichen hin und wieder noch recht beſtialiſche Herren gab,
daß bey Tafel in einer vorzuͤglichen Geſellſchaft und in
Anweſenheit von Frauen ein reicher Edelman ſehr maſ¬
ſive Reden fuͤhrte zur Unbequemlichkeit und zum Ärger¬
niß Aller, die ihn hoͤren mußten. Mit Worten war
gegen ihn nichts auszurichten. Ein entſchloſſener an¬
ſehnlicher Herr, der ihm gegenuͤber ſaß, waͤhlte daher
ein anderes Mittel, indem er ſehr laut eine grobe Unan¬
ſtaͤndigkeit beging, woruͤber alle erſchraken, und jener
Grobian mit, ſo daß er ſich gedaͤmpft fuͤhlte und nicht
wieder den Mund aufthat. Das Geſpraͤch nahm von
dieſem Augenblick an eine anmuthige heitere Wendung
zur Freude aller Anweſenden, und man wußte jenem
entſchloſſenen Herrn fuͤr ſeine unerhoͤrte Kuͤhnheit vielen
Dank in Erwaͤgung der trefflichen Wirkung, die ſie ge¬
than hatte.“
Nachdem wir uns an dieſer heiteren Anecdote ergoͤtzt
hatten, brachte der Canzler das Geſpraͤch auf die neue¬
ſten Zuſtaͤnde zwiſchen der Oppoſitions- und der Mini¬
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 1. Leipzig, 1836, S. 368. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe01_1836/388>, abgerufen am 25.11.2024.
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