Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 1. Leipzig, 1836.

Bild:
<< vorherige Seite

Heute gegen Abend begegnete Goethe mir am Park
von einer Spazierfahrt zurückkommend. Im Vorbey¬
fahren winkte er mir mit der Hand, daß ich ihn besu¬
chen möchte. Ich wendete daher sogleich um nach sei¬
nem Hause, wo ich den Oberbaudirector Coudray fand.
Goethe stieg aus und wir gingen mit ihm die Treppen
hinauf. Wir setzten uns in dem sogenannten Juno-
Zimmer um einen runden Tisch. Wir hatten nicht lange
geredet, als auch der Canzler hereintrat und sich zu
uns gesellte. Das Gespräch wendete sich um politische
Gegenstände, Wellingtons Gesandtschaft nach Petersburg
und deren wahrscheinliche Folgen, Capodistrias, die ver¬
zögerte Befreyung Griechenlands, die Beschränkung der
Türken auf Constantinopel, und dergleichen. Auch frü¬
here Zeiten unter Napoleon kamen zur Sprache, beson¬
ders aber über den Herzog von Enghien und sein un¬
vorsichtiges revolutionaires Betragen ward viel geredet.

Sodann kam man auf friedlichere Dinge, und Wie¬
lands Grab zu Osmannstedt war ein viel besprochener
Gegenstand unserer Unterhaltung. Oberbaudirector Cou¬
dray erzählte, daß er mit einer eisernen Einfassung des
Grabes beschäftigt sey. Er gab uns von seiner Inten¬
tion eine deutliche Idee, indem er die Form des eisernen
Gitterwerks auf ein Stück Papier vor unsern Augen
hinzeichnete.

Heute gegen Abend begegnete Goethe mir am Park
von einer Spazierfahrt zuruͤckkommend. Im Vorbey¬
fahren winkte er mir mit der Hand, daß ich ihn beſu¬
chen moͤchte. Ich wendete daher ſogleich um nach ſei¬
nem Hauſe, wo ich den Oberbaudirector Coudray fand.
Goethe ſtieg aus und wir gingen mit ihm die Treppen
hinauf. Wir ſetzten uns in dem ſogenannten Juno-
Zimmer um einen runden Tiſch. Wir hatten nicht lange
geredet, als auch der Canzler hereintrat und ſich zu
uns geſellte. Das Geſpraͤch wendete ſich um politiſche
Gegenſtaͤnde, Wellingtons Geſandtſchaft nach Petersburg
und deren wahrſcheinliche Folgen, Capodiſtrias, die ver¬
zoͤgerte Befreyung Griechenlands, die Beſchraͤnkung der
Tuͤrken auf Conſtantinopel, und dergleichen. Auch fruͤ¬
here Zeiten unter Napoleon kamen zur Sprache, beſon¬
ders aber uͤber den Herzog von Enghien und ſein un¬
vorſichtiges revolutionaires Betragen ward viel geredet.

Sodann kam man auf friedlichere Dinge, und Wie¬
lands Grab zu Osmannſtedt war ein viel beſprochener
Gegenſtand unſerer Unterhaltung. Oberbaudirector Cou¬
dray erzaͤhlte, daß er mit einer eiſernen Einfaſſung des
Grabes beſchaͤftigt ſey. Er gab uns von ſeiner Inten¬
tion eine deutliche Idee, indem er die Form des eiſernen
Gitterwerks auf ein Stuͤck Papier vor unſern Augen
hinzeichnete.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0379" n="359"/>
        </div>
        <div n="2">
          <dateline rendition="#right">Donnerstag den 5. July 1827.<lb/></dateline>
          <p>Heute gegen Abend begegnete Goethe mir am Park<lb/>
von einer Spazierfahrt zuru&#x0364;ckkommend. Im Vorbey¬<lb/>
fahren winkte er mir mit der Hand, daß ich ihn be&#x017F;<lb/>
chen mo&#x0364;chte. Ich wendete daher &#x017F;ogleich um nach &#x017F;ei¬<lb/>
nem Hau&#x017F;e, wo ich den Oberbaudirector Coudray fand.<lb/>
Goethe &#x017F;tieg aus und wir gingen mit ihm die Treppen<lb/>
hinauf. Wir &#x017F;etzten uns in dem &#x017F;ogenannten Juno-<lb/>
Zimmer um einen runden Ti&#x017F;ch. Wir hatten nicht lange<lb/>
geredet, als auch der <hi rendition="#g">Canzler</hi> hereintrat und &#x017F;ich zu<lb/>
uns ge&#x017F;ellte. Das Ge&#x017F;pra&#x0364;ch wendete &#x017F;ich um politi&#x017F;che<lb/>
Gegen&#x017F;ta&#x0364;nde, Wellingtons Ge&#x017F;andt&#x017F;chaft nach Petersburg<lb/>
und deren wahr&#x017F;cheinliche Folgen, Capodi&#x017F;trias, die ver¬<lb/>
zo&#x0364;gerte Befreyung Griechenlands, die Be&#x017F;chra&#x0364;nkung der<lb/>
Tu&#x0364;rken auf Con&#x017F;tantinopel, und dergleichen. Auch fru&#x0364;¬<lb/>
here Zeiten unter Napoleon kamen zur Sprache, be&#x017F;on¬<lb/>
ders aber u&#x0364;ber den Herzog von Enghien und &#x017F;ein un¬<lb/>
vor&#x017F;ichtiges revolutionaires Betragen ward viel geredet.</p><lb/>
          <p>Sodann kam man auf friedlichere Dinge, und Wie¬<lb/>
lands Grab zu Osmann&#x017F;tedt war ein viel be&#x017F;prochener<lb/>
Gegen&#x017F;tand un&#x017F;erer Unterhaltung. Oberbaudirector Cou¬<lb/>
dray erza&#x0364;hlte, daß er mit einer ei&#x017F;ernen Einfa&#x017F;&#x017F;ung des<lb/>
Grabes be&#x017F;cha&#x0364;ftigt &#x017F;ey. Er gab uns von &#x017F;einer Inten¬<lb/>
tion eine deutliche Idee, indem er die Form des ei&#x017F;ernen<lb/>
Gitterwerks auf ein Stu&#x0364;ck Papier vor un&#x017F;ern Augen<lb/>
hinzeichnete.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[359/0379] Donnerstag den 5. July 1827. Heute gegen Abend begegnete Goethe mir am Park von einer Spazierfahrt zuruͤckkommend. Im Vorbey¬ fahren winkte er mir mit der Hand, daß ich ihn beſu¬ chen moͤchte. Ich wendete daher ſogleich um nach ſei¬ nem Hauſe, wo ich den Oberbaudirector Coudray fand. Goethe ſtieg aus und wir gingen mit ihm die Treppen hinauf. Wir ſetzten uns in dem ſogenannten Juno- Zimmer um einen runden Tiſch. Wir hatten nicht lange geredet, als auch der Canzler hereintrat und ſich zu uns geſellte. Das Geſpraͤch wendete ſich um politiſche Gegenſtaͤnde, Wellingtons Geſandtſchaft nach Petersburg und deren wahrſcheinliche Folgen, Capodiſtrias, die ver¬ zoͤgerte Befreyung Griechenlands, die Beſchraͤnkung der Tuͤrken auf Conſtantinopel, und dergleichen. Auch fruͤ¬ here Zeiten unter Napoleon kamen zur Sprache, beſon¬ ders aber uͤber den Herzog von Enghien und ſein un¬ vorſichtiges revolutionaires Betragen ward viel geredet. Sodann kam man auf friedlichere Dinge, und Wie¬ lands Grab zu Osmannſtedt war ein viel beſprochener Gegenſtand unſerer Unterhaltung. Oberbaudirector Cou¬ dray erzaͤhlte, daß er mit einer eiſernen Einfaſſung des Grabes beſchaͤftigt ſey. Er gab uns von ſeiner Inten¬ tion eine deutliche Idee, indem er die Form des eiſernen Gitterwerks auf ein Stuͤck Papier vor unſern Augen hinzeichnete.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe01_1836
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe01_1836/379
Zitationshilfe: Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 1. Leipzig, 1836, S. 359. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe01_1836/379>, abgerufen am 23.11.2024.