Herrn Canzler, sagte Goethe, dein Stammbuch und zeige ihm deine Prinzeß und was dir der Graf Stern¬ berg geschrieben." Wolf sprang hinauf und kam bald mit dem Buche zurück. Der Canzler betrachtete das Portrait der Prinzeß mit beygeschriebenen Versen von Goethe. Er durchblätterte das Buch ferner und traf auf Zelters Inschrift und las laut heraus:
Lerne gehorchen!
"Das ist doch das einzige vernünftige Wort, sagte Goethe lachend, was im ganzen Buche steht. Ja, Zelter ist immer grandios und tüchtig! -- Ich gehe jetzt mit Riemer seine Briefe durch, die ganz unschätzbare Sachen enthalten. Besonders sind die Briefe, die er mir auf Reisen geschrieben, von vorzüglichem Werth; denn da hat er als tüchtiger Baumeister und Musikus den Vor¬ theil, daß es ihm nie an bedeutenden Gegenständen des Urtheils fehlt. So wie er in eine Stadt eintritt, ste¬ hen die Gebäude vor ihm, und sagen ihm, was sie Verdienstliches und Mangelhaftes an sich tragen. So¬ dann ziehen die Musik-Vereine ihn sogleich in ihre Mitte und zeigen sich dem Meister in ihren Tugenden und Schwächen. Wenn ein Geschwindschreiber seine Ge¬ spräche mit seinen musikalischen Schülern aufgeschrieben hätte, so besäßen wir etwas ganz Einziges in seiner Art. Denn in diesen Dingen ist Zelter genial und groß und trifft immer den Nagel auf den Kopf"
Herrn Canzler, ſagte Goethe, dein Stammbuch und zeige ihm deine Prinzeß und was dir der Graf Stern¬ berg geſchrieben.“ Wolf ſprang hinauf und kam bald mit dem Buche zuruͤck. Der Canzler betrachtete das Portrait der Prinzeß mit beygeſchriebenen Verſen von Goethe. Er durchblaͤtterte das Buch ferner und traf auf Zelters Inſchrift und las laut heraus:
Lerne gehorchen!
„Das iſt doch das einzige vernuͤnftige Wort, ſagte Goethe lachend, was im ganzen Buche ſteht. Ja, Zelter iſt immer grandios und tuͤchtig! — Ich gehe jetzt mit Riemer ſeine Briefe durch, die ganz unſchaͤtzbare Sachen enthalten. Beſonders ſind die Briefe, die er mir auf Reiſen geſchrieben, von vorzuͤglichem Werth; denn da hat er als tuͤchtiger Baumeiſter und Muſikus den Vor¬ theil, daß es ihm nie an bedeutenden Gegenſtaͤnden des Urtheils fehlt. So wie er in eine Stadt eintritt, ſte¬ hen die Gebaͤude vor ihm, und ſagen ihm, was ſie Verdienſtliches und Mangelhaftes an ſich tragen. So¬ dann ziehen die Muſik-Vereine ihn ſogleich in ihre Mitte und zeigen ſich dem Meiſter in ihren Tugenden und Schwaͤchen. Wenn ein Geſchwindſchreiber ſeine Ge¬ ſpraͤche mit ſeinen muſikaliſchen Schuͤlern aufgeſchrieben haͤtte, ſo beſaͤßen wir etwas ganz Einziges in ſeiner Art. Denn in dieſen Dingen iſt Zelter genial und groß und trifft immer den Nagel auf den Kopf“
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Herrn Canzler, ſagte Goethe, dein Stammbuch und
zeige ihm deine Prinzeß und was dir der Graf Stern¬
berg geſchrieben.“ Wolf ſprang hinauf und kam bald
mit dem Buche zuruͤck. Der Canzler betrachtete das
Portrait der Prinzeß mit beygeſchriebenen Verſen von
Goethe. Er durchblaͤtterte das Buch ferner und traf
auf Zelters Inſchrift und las laut heraus:
Lerne gehorchen!
„Das iſt doch das einzige vernuͤnftige Wort, ſagte
Goethe lachend, was im ganzen Buche ſteht. Ja,
Zelter iſt immer grandios und tuͤchtig! — Ich gehe
jetzt mit Riemer ſeine Briefe durch, die ganz unſchaͤtzbare
Sachen enthalten. Beſonders ſind die Briefe, die er mir
auf Reiſen geſchrieben, von vorzuͤglichem Werth; denn da
hat er als tuͤchtiger Baumeiſter und Muſikus den Vor¬
theil, daß es ihm nie an bedeutenden Gegenſtaͤnden des
Urtheils fehlt. So wie er in eine Stadt eintritt, ſte¬
hen die Gebaͤude vor ihm, und ſagen ihm, was ſie
Verdienſtliches und Mangelhaftes an ſich tragen. So¬
dann ziehen die Muſik-Vereine ihn ſogleich in ihre
Mitte und zeigen ſich dem Meiſter in ihren Tugenden
und Schwaͤchen. Wenn ein Geſchwindſchreiber ſeine Ge¬
ſpraͤche mit ſeinen muſikaliſchen Schuͤlern aufgeſchrieben
haͤtte, ſo beſaͤßen wir etwas ganz Einziges in ſeiner
Art. Denn in dieſen Dingen iſt Zelter genial und groß
und trifft immer den Nagel auf den Kopf“
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 1. Leipzig, 1836, S. 358. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe01_1836/378>, abgerufen am 25.11.2024.
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