Unter diesen Gesprächen gingen wir im Garten auf und ab. Die Wolken hatten sich indeß verdichtet und es fing an zu tröpfeln, so daß wir genöthiget waren uns in das Haus zurückzuziehen, wo wir denn unsere Unterhaltungen noch eine Weile fortsetzten.
Mittwoch den 20. Juny 1827
Der Familien-Tisch zu fünf Couverts stand gedeckt, die Zimmer waren leer und kühl, welches bei der gro¬ ßen Hitze sehr wohl that. Ich trat in das geräumige an den Speisesaal angrenzende Zimmer, worin der ge¬ wirkte Fußteppich liegt und die colossale Büste der Juno steht. Ich war nicht lange allein auf- und abgegangen, als Goethe, aus seinem Arbeitszimmer kommend, herein¬ trat und mich in seiner herzlichen Art liebevoll begrüßte und anredete. Er setzte sich auf einen Stuhl am Fen¬ ster. "Nehmen Sie sich auch ein Stühlchen, sagte er, und setzen Sie sich zu mir, wir wollen ein wenig reden bis die Übrigen kommen. Es ist mir lieb, daß Sie doch auch den Grafen Sternberg bey mir haben kennen gelernt; er ist wieder abgereiset und ich bin nun ganz wieder in der gewohnten Thätigkeit und Ruhe."
Die Persönlichkeit des Grafen, sagte ich, ist mir sehr bedeutend erschienen, nicht weniger seine großen Kenntnisse; denn das Gespräch mochte sich lenken, wo¬
Unter dieſen Geſpraͤchen gingen wir im Garten auf und ab. Die Wolken hatten ſich indeß verdichtet und es fing an zu troͤpfeln, ſo daß wir genoͤthiget waren uns in das Haus zuruͤckzuziehen, wo wir denn unſere Unterhaltungen noch eine Weile fortſetzten.
Mittwoch den 20. Juny 1827
Der Familien-Tiſch zu fuͤnf Couverts ſtand gedeckt, die Zimmer waren leer und kuͤhl, welches bei der gro¬ ßen Hitze ſehr wohl that. Ich trat in das geraͤumige an den Speiſeſaal angrenzende Zimmer, worin der ge¬ wirkte Fußteppich liegt und die coloſſale Buͤſte der Juno ſteht. Ich war nicht lange allein auf- und abgegangen, als Goethe, aus ſeinem Arbeitszimmer kommend, herein¬ trat und mich in ſeiner herzlichen Art liebevoll begruͤßte und anredete. Er ſetzte ſich auf einen Stuhl am Fen¬ ſter. „Nehmen Sie ſich auch ein Stuͤhlchen, ſagte er, und ſetzen Sie ſich zu mir, wir wollen ein wenig reden bis die Übrigen kommen. Es iſt mir lieb, daß Sie doch auch den Grafen Sternberg bey mir haben kennen gelernt; er iſt wieder abgereiſet und ich bin nun ganz wieder in der gewohnten Thaͤtigkeit und Ruhe.“
Die Perſoͤnlichkeit des Grafen, ſagte ich, iſt mir ſehr bedeutend erſchienen, nicht weniger ſeine großen Kenntniſſe; denn das Geſpraͤch mochte ſich lenken, wo¬
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0374"n="354"/><p>Unter dieſen Geſpraͤchen gingen wir im Garten auf<lb/>
und ab. Die Wolken hatten ſich indeß verdichtet und<lb/>
es fing an zu troͤpfeln, ſo daß wir genoͤthiget waren<lb/>
uns in das Haus zuruͤckzuziehen, wo wir denn unſere<lb/>
Unterhaltungen noch eine Weile fortſetzten.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/></div><divn="2"><datelinerendition="#right">Mittwoch den 20. Juny 1827<lb/></dateline><p>Der Familien-Tiſch zu fuͤnf Couverts ſtand gedeckt,<lb/>
die Zimmer waren leer und kuͤhl, welches bei der gro¬<lb/>
ßen Hitze ſehr wohl that. Ich trat in das geraͤumige<lb/>
an den Speiſeſaal angrenzende Zimmer, worin der ge¬<lb/>
wirkte Fußteppich liegt und die coloſſale Buͤſte der Juno<lb/>ſteht. Ich war nicht lange allein auf- und abgegangen,<lb/>
als Goethe, aus ſeinem Arbeitszimmer kommend, herein¬<lb/>
trat und mich in ſeiner herzlichen Art liebevoll begruͤßte<lb/>
und anredete. Er ſetzte ſich auf einen Stuhl am Fen¬<lb/>ſter. „Nehmen Sie ſich auch ein Stuͤhlchen, ſagte er,<lb/>
und ſetzen Sie ſich zu mir, wir wollen ein wenig reden<lb/>
bis die Übrigen kommen. Es iſt mir lieb, daß Sie<lb/>
doch auch den Grafen Sternberg bey mir haben kennen<lb/>
gelernt; er iſt wieder abgereiſet und ich bin nun ganz<lb/>
wieder in der gewohnten Thaͤtigkeit und Ruhe.“</p><lb/><p>Die Perſoͤnlichkeit des Grafen, ſagte ich, iſt mir<lb/>ſehr bedeutend erſchienen, nicht weniger ſeine großen<lb/>
Kenntniſſe; denn das Geſpraͤch mochte ſich lenken, wo¬<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[354/0374]
Unter dieſen Geſpraͤchen gingen wir im Garten auf
und ab. Die Wolken hatten ſich indeß verdichtet und
es fing an zu troͤpfeln, ſo daß wir genoͤthiget waren
uns in das Haus zuruͤckzuziehen, wo wir denn unſere
Unterhaltungen noch eine Weile fortſetzten.
Mittwoch den 20. Juny 1827
Der Familien-Tiſch zu fuͤnf Couverts ſtand gedeckt,
die Zimmer waren leer und kuͤhl, welches bei der gro¬
ßen Hitze ſehr wohl that. Ich trat in das geraͤumige
an den Speiſeſaal angrenzende Zimmer, worin der ge¬
wirkte Fußteppich liegt und die coloſſale Buͤſte der Juno
ſteht. Ich war nicht lange allein auf- und abgegangen,
als Goethe, aus ſeinem Arbeitszimmer kommend, herein¬
trat und mich in ſeiner herzlichen Art liebevoll begruͤßte
und anredete. Er ſetzte ſich auf einen Stuhl am Fen¬
ſter. „Nehmen Sie ſich auch ein Stuͤhlchen, ſagte er,
und ſetzen Sie ſich zu mir, wir wollen ein wenig reden
bis die Übrigen kommen. Es iſt mir lieb, daß Sie
doch auch den Grafen Sternberg bey mir haben kennen
gelernt; er iſt wieder abgereiſet und ich bin nun ganz
wieder in der gewohnten Thaͤtigkeit und Ruhe.“
Die Perſoͤnlichkeit des Grafen, ſagte ich, iſt mir
ſehr bedeutend erſchienen, nicht weniger ſeine großen
Kenntniſſe; denn das Geſpraͤch mochte ſich lenken, wo¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 1. Leipzig, 1836, S. 354. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe01_1836/374>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.