Goethe, diese Wolken würden sogleich von oben herein verzehrt und aufgesponnen werden wie ein Rocken. So stark ist mein Glauben an das Barometer. Ja ich sage immer und behaupte: wäre in jener Nacht der großen Überschwemmung von Petersburg das Barometer gestie¬ gen, die Welle hätte nicht herangekonnt."
"Mein Sohn glaubt beym Wetter an den Einfluß des Mondes und Sie glauben vielleicht auch daran, und ich verdenke es euch nicht, denn der Mond erscheint als ein zu bedeutendes Gestirn, als daß man ihm nicht eine entschiedene Einwirkung auf unsere Erde zuschreiben sollte; allein die Veränderung des Wetters, der höhere oder tiefere Stand des Barometers rührt nicht vom Mondwechsel her, sondern ist rein tellurisch."
"Ich denke mir die Erde mit ihrem Dunstkreise gleichnißweise als ein großes lebendiges Wesen, das im ewigen Ein- und Aus-Athmen begriffen ist. Athmet die Erde ein, so zieht sie den Dunstkreis an sich, so daß er in die Nähe ihrer Oberfläche herankommt und sich verdichtet bis zu Wolken und Regen. Diesen Zu¬ stand nenne ich die Wasser-Bejahung; dauerte er über alle Ordnung fort, so würde er die Erde ersäufen. Dieß aber giebt sie nicht zu; sie athmet wieder aus und ent¬ läßt die Wasserdünste nach oben, wo sie sich in den ganzen Raum der hohen Atmosphäre ausbreiten und sich dergestalt verdünnen, daß nicht allein die Sonne glänzend herdurchgeht, sondern auch sogar die ewige
Goethe, dieſe Wolken wuͤrden ſogleich von oben herein verzehrt und aufgeſponnen werden wie ein Rocken. So ſtark iſt mein Glauben an das Barometer. Ja ich ſage immer und behaupte: waͤre in jener Nacht der großen Überſchwemmung von Petersburg das Barometer geſtie¬ gen, die Welle haͤtte nicht herangekonnt.“
„Mein Sohn glaubt beym Wetter an den Einfluß des Mondes und Sie glauben vielleicht auch daran, und ich verdenke es euch nicht, denn der Mond erſcheint als ein zu bedeutendes Geſtirn, als daß man ihm nicht eine entſchiedene Einwirkung auf unſere Erde zuſchreiben ſollte; allein die Veraͤnderung des Wetters, der hoͤhere oder tiefere Stand des Barometers ruͤhrt nicht vom Mondwechſel her, ſondern iſt rein telluriſch.“
„Ich denke mir die Erde mit ihrem Dunſtkreiſe gleichnißweiſe als ein großes lebendiges Weſen, das im ewigen Ein- und Aus-Athmen begriffen iſt. Athmet die Erde ein, ſo zieht ſie den Dunſtkreis an ſich, ſo daß er in die Naͤhe ihrer Oberflaͤche herankommt und ſich verdichtet bis zu Wolken und Regen. Dieſen Zu¬ ſtand nenne ich die Waſſer-Bejahung; dauerte er uͤber alle Ordnung fort, ſo wuͤrde er die Erde erſaͤufen. Dieß aber giebt ſie nicht zu; ſie athmet wieder aus und ent¬ laͤßt die Waſſerduͤnſte nach oben, wo ſie ſich in den ganzen Raum der hohen Atmoſphaͤre ausbreiten und ſich dergeſtalt verduͤnnen, daß nicht allein die Sonne glaͤnzend herdurchgeht, ſondern auch ſogar die ewige
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0365"n="345"/>
Goethe, dieſe Wolken wuͤrden ſogleich von oben herein<lb/>
verzehrt und aufgeſponnen werden wie ein Rocken. So<lb/>ſtark iſt mein Glauben an das Barometer. Ja ich ſage<lb/>
immer und behaupte: waͤre in jener Nacht der großen<lb/>
Überſchwemmung von Petersburg das Barometer geſtie¬<lb/>
gen, die Welle haͤtte nicht herangekonnt.“</p><lb/><p>„Mein Sohn glaubt beym Wetter an den Einfluß<lb/>
des Mondes und Sie glauben vielleicht auch daran, und<lb/>
ich verdenke es euch nicht, denn der Mond erſcheint als<lb/>
ein zu bedeutendes Geſtirn, als daß man ihm nicht eine<lb/>
entſchiedene Einwirkung auf unſere Erde zuſchreiben<lb/>ſollte; allein die Veraͤnderung des Wetters, der hoͤhere<lb/>
oder tiefere Stand des Barometers ruͤhrt nicht vom<lb/>
Mondwechſel her, ſondern iſt rein telluriſch.“</p><lb/><p>„Ich denke mir die Erde mit ihrem Dunſtkreiſe<lb/>
gleichnißweiſe als ein großes lebendiges Weſen, das im<lb/>
ewigen Ein- und Aus-Athmen begriffen iſt. Athmet<lb/>
die Erde ein, ſo zieht ſie den Dunſtkreis an ſich, ſo<lb/>
daß er in die Naͤhe ihrer Oberflaͤche herankommt und<lb/>ſich verdichtet bis zu Wolken und Regen. Dieſen Zu¬<lb/>ſtand nenne ich die Waſſer-Bejahung; dauerte er uͤber<lb/>
alle Ordnung fort, ſo wuͤrde er die Erde erſaͤufen. Dieß<lb/>
aber giebt ſie nicht zu; ſie athmet wieder aus und ent¬<lb/>
laͤßt die Waſſerduͤnſte nach oben, wo ſie ſich in den<lb/>
ganzen Raum der hohen Atmoſphaͤre ausbreiten und<lb/>ſich dergeſtalt verduͤnnen, daß nicht allein die Sonne<lb/>
glaͤnzend herdurchgeht, ſondern auch ſogar die ewige<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[345/0365]
Goethe, dieſe Wolken wuͤrden ſogleich von oben herein
verzehrt und aufgeſponnen werden wie ein Rocken. So
ſtark iſt mein Glauben an das Barometer. Ja ich ſage
immer und behaupte: waͤre in jener Nacht der großen
Überſchwemmung von Petersburg das Barometer geſtie¬
gen, die Welle haͤtte nicht herangekonnt.“
„Mein Sohn glaubt beym Wetter an den Einfluß
des Mondes und Sie glauben vielleicht auch daran, und
ich verdenke es euch nicht, denn der Mond erſcheint als
ein zu bedeutendes Geſtirn, als daß man ihm nicht eine
entſchiedene Einwirkung auf unſere Erde zuſchreiben
ſollte; allein die Veraͤnderung des Wetters, der hoͤhere
oder tiefere Stand des Barometers ruͤhrt nicht vom
Mondwechſel her, ſondern iſt rein telluriſch.“
„Ich denke mir die Erde mit ihrem Dunſtkreiſe
gleichnißweiſe als ein großes lebendiges Weſen, das im
ewigen Ein- und Aus-Athmen begriffen iſt. Athmet
die Erde ein, ſo zieht ſie den Dunſtkreis an ſich, ſo
daß er in die Naͤhe ihrer Oberflaͤche herankommt und
ſich verdichtet bis zu Wolken und Regen. Dieſen Zu¬
ſtand nenne ich die Waſſer-Bejahung; dauerte er uͤber
alle Ordnung fort, ſo wuͤrde er die Erde erſaͤufen. Dieß
aber giebt ſie nicht zu; ſie athmet wieder aus und ent¬
laͤßt die Waſſerduͤnſte nach oben, wo ſie ſich in den
ganzen Raum der hohen Atmoſphaͤre ausbreiten und
ſich dergeſtalt verduͤnnen, daß nicht allein die Sonne
glaͤnzend herdurchgeht, ſondern auch ſogar die ewige
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 1. Leipzig, 1836, S. 345. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe01_1836/365>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.