Es steckt ein ganzes Alterthum darin, sagte ich. "Ja, sagte Goethe, die Philologen werden daran zu thun finden." -- Für den antiken Theil, sagte ich, fürchte ich nicht, denn es ist da das große Detail, die gründlichste Entfaltung des Einzelnen, wo Jedes ge¬ radezu das sagt, was es sagen soll. Allein der mo¬ derne, romantische Theil ist sehr schwer, denn eine halbe Weltgeschichte steckt dahinter, die Behandlung ist bey so großem Stoff nur andeutend und macht sehr große Ansprüche an den Leser. "Aber doch, sagte Goethe, ist alles sinnlich, und wird, auf dem Theater gedacht, jedem gut in die Augen fallen. Und mehr habe ich nicht gewollt. Wenn es nur so ist, daß die Menge der Zuschauer Freude an der Erscheinung hat; dem Eingeweihten wird zugleich der höhere Sinn nicht ent¬ gehen, wie es ja auch bey der Zauberflöte und andern Dingen der Fall ist."
Es wird, sagte ich, auf der Bühne einen unge¬ wohnten Eindruck machen, daß ein Stück als Tragödie anfängt und als Oper endigt. Doch es gehört etwas dazu, die Großheit dieser Personen darzustellen und die erhabenen Reden und Verse zu sprechen. "Der erste Theil, sagte Goethe, erfordert die ersten Künstler der Tragödie, so wie nachher im Theile der Oper die Rollen mit den ersten Sängern und Sängerinnen besetzt werden müssen. Die Rolle der Helena kann nicht von einer son¬ dern sie muß von zwey großen Künstlerinnen gespielt wer¬
Es ſteckt ein ganzes Alterthum darin, ſagte ich. „Ja, ſagte Goethe, die Philologen werden daran zu thun finden.“ — Fuͤr den antiken Theil, ſagte ich, fuͤrchte ich nicht, denn es iſt da das große Detail, die gruͤndlichſte Entfaltung des Einzelnen, wo Jedes ge¬ radezu das ſagt, was es ſagen ſoll. Allein der mo¬ derne, romantiſche Theil iſt ſehr ſchwer, denn eine halbe Weltgeſchichte ſteckt dahinter, die Behandlung iſt bey ſo großem Stoff nur andeutend und macht ſehr große Anſpruͤche an den Leſer. „Aber doch, ſagte Goethe, iſt alles ſinnlich, und wird, auf dem Theater gedacht, jedem gut in die Augen fallen. Und mehr habe ich nicht gewollt. Wenn es nur ſo iſt, daß die Menge der Zuſchauer Freude an der Erſcheinung hat; dem Eingeweihten wird zugleich der hoͤhere Sinn nicht ent¬ gehen, wie es ja auch bey der Zauberfloͤte und andern Dingen der Fall iſt.“
Es wird, ſagte ich, auf der Buͤhne einen unge¬ wohnten Eindruck machen, daß ein Stuͤck als Tragoͤdie anfaͤngt und als Oper endigt. Doch es gehoͤrt etwas dazu, die Großheit dieſer Perſonen darzuſtellen und die erhabenen Reden und Verſe zu ſprechen. „Der erſte Theil, ſagte Goethe, erfordert die erſten Kuͤnſtler der Tragoͤdie, ſo wie nachher im Theile der Oper die Rollen mit den erſten Saͤngern und Saͤngerinnen beſetzt werden muͤſſen. Die Rolle der Helena kann nicht von einer ſon¬ dern ſie muß von zwey großen Kuͤnſtlerinnen geſpielt wer¬
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Es ſteckt ein ganzes Alterthum darin, ſagte ich.
„Ja, ſagte Goethe, die Philologen werden daran zu
thun finden.“ — Fuͤr den antiken Theil, ſagte ich,
fuͤrchte ich nicht, denn es iſt da das große Detail, die
gruͤndlichſte Entfaltung des Einzelnen, wo Jedes ge¬
radezu das ſagt, was es ſagen ſoll. Allein der mo¬
derne, romantiſche Theil iſt ſehr ſchwer, denn eine halbe
Weltgeſchichte ſteckt dahinter, die Behandlung iſt bey
ſo großem Stoff nur andeutend und macht ſehr große
Anſpruͤche an den Leſer. „Aber doch, ſagte Goethe,
iſt alles ſinnlich, und wird, auf dem Theater gedacht,
jedem gut in die Augen fallen. Und mehr habe ich
nicht gewollt. Wenn es nur ſo iſt, daß die Menge
der Zuſchauer Freude an der Erſcheinung hat; dem
Eingeweihten wird zugleich der hoͤhere Sinn nicht ent¬
gehen, wie es ja auch bey der Zauberfloͤte und andern
Dingen der Fall iſt.“
Es wird, ſagte ich, auf der Buͤhne einen unge¬
wohnten Eindruck machen, daß ein Stuͤck als Tragoͤdie
anfaͤngt und als Oper endigt. Doch es gehoͤrt etwas
dazu, die Großheit dieſer Perſonen darzuſtellen und die
erhabenen Reden und Verſe zu ſprechen. „Der erſte
Theil, ſagte Goethe, erfordert die erſten Kuͤnſtler der
Tragoͤdie, ſo wie nachher im Theile der Oper die Rollen
mit den erſten Saͤngern und Saͤngerinnen beſetzt werden
muͤſſen. Die Rolle der Helena kann nicht von einer ſon¬
dern ſie muß von zwey großen Kuͤnſtlerinnen geſpielt wer¬
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 1. Leipzig, 1836, S. 317. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe01_1836/337>, abgerufen am 24.11.2024.
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